Die verstummte Zuger Glocke hat eine neue Aufgabe
Brauchtum & Geschichte
In der Pfarrkirche von Rotkreuz steht ein bemerkenswertes Weihwasserbecken – mit einem Beckenfuss von 1768. «Respektvolles Recycling» könnte man es nennen.
Rotkreuz – Man trifft sie in jeder katholischen Kirche an, und sie befinden sich stets unmittelbar im Bereich des Eingangs: Weihwasserbecken enthalten das gesegnete Wasser, ein kirchliches Sakramentale, mit dem sich Kirchgängerinnen und Kirchgänger beim Betreten oder Verlassen des Gotteshauses bekreuzigen. Der sehr alte katholische Brauch hat seine Ursprünge «formell» in der griechischen Antike, wo in den Tempeln Wasser bereitstand, mit dem man sich vor Betreten des Heiligtums symbolisch reinigte.
Machart und Gestaltung solcher Weihwasserbehälter sind sehr vielfältig. Je nach Epoche fallen sie voluminös und opulent aus, bestehen aus einem reich behauenen Marmorbecken – in die Wand eingelassen oder frei stehend mit steinernem Sockel. In neueren Kirchen des 20. Jahrhunderts besann man sich tendenziell zurück auf die Einfachheit, häufig sind es zweckdienliche Behältnisse aus Leichtmetall, zu einem Halbrund geformt an der Wand des Eingangsbereiches befestigt.
Eine weniger schlichte, sondern vielmehr bemerkenswerte und eigensinnige Sonderanfertigung eines Weihwasserbeckens finden wir in der 1937/1938 erbauten katholischen Pfarrkirche «Unsere liebe Frau vom Rosenkranz» in Rotkreuz. Es steht an der rechten Seitenwand des Eingangsbereiches unter der Empore. In seinen Sockelbereich ist eine Glocke eingearbeitet.
Der schmiedeeiserne Weihwasserständer ist 1964 angefertigt worden. Der Halter des silberfarbenen, kreisrunden Wasserbeckens ist mit Blattwerk versehen. Er ruht auf einem Stamm, der sich über der Glocke in angedeutete Wurzelstränge teilt und die Glocke umfasst. Der Weihwasserständer ist somit als Pflanze zu verstehen, die das Leben symbolisiert.
Eine Art Lebensbaum
Die hier mit neuem Zweck als Beckenfuss wiederverwendete Glocke stammt aus der Kapelle St. Wendelin in Holzhäusern. Auf ihrem Wolm ist zu lesen, dass sie 1768 gegossen worden ist – vom Zuger Meister Peter Ludwig Keiser (1692–1769), der seinerzeit als einer der besten seines Faches galt. Keiser führte Grossaufträge von namhafter Stelle aus, unter anderem drei Glocken für die Kathedrale in St. Gallen. Davon ist die Dreifaltigkeitsglocke mit ihren 8100 Kilogramm Gewicht eine der schwersten Glocken der Schweiz und zugleich die tontiefste.
Weit weniger schwer ist die Glocke aus Holzhäusern in der Rotkreuzer Kirche. Sie war mit Schlagton a’’ gar die kleinste des dreiteiligen Geläuts der Wendelinkapelle. 1964 wurde sie mit einer neuen Glocke aus der Giesserei Emil Eschmann in Rickenbach TG ersetzt. Die Keiser-Glocke verstummte zwar, fand aber noch im selben Jahr ihre kreative Neuverwendung in der nahen Kirche in Rotkreuz. (Text von Andreas Faessler)