Von Kriegszeiten geprägte Musik

Musik

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Je ein Werk von Maurice Ravel und Olivier Messiaen bildeten das Programm des dritten Sommerklänge-Konzerts in Muri.

  • Das Ensemble Chamäleon erhielt vom Luzerner Klarinettisten Stojan Krkuleski. (Bild Matthias Jurt)
    Das Ensemble Chamäleon erhielt vom Luzerner Klarinettisten Stojan Krkuleski. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Die erste Hälfte spielte das Ensemble Chamäleon in der seit vielen Jahren bewährten Kernbesetzung: Tobias Steymans, Violine, Luzius Gartmann, Violoncello und Madeleine Nussbaumer, Klavier. So überzeugte von Anfang an ein fast nachtwandlerisch sicheres Zusammenspiel, unabhängig von der Akustik immer wieder neuer Räume, aber mit zusätzlicher Konstanz durch den Steinway-Flügel, der wohl schon Dutzende von Malen für das Ensemble Chamäleon die Reise Tessin-Innerschweiz retour angetreten hat.

Von «Repertoire» kann man für dieses Trio eigentlich nicht reden; bei zahlreichen Besuchen für Konzertbesprechungen hat der Schreibende noch kaum je zwei Mal die gleichen Kompositionen gehört. Gerade dieses letzte Programm verlangte für die drei bis vier Mitwirkenden einen grossen Aufwand zum Einstudieren des anspruchsvollen Notentexts. Das Werk in a-Moll ist Ravels einziges Klaviertrio. Es entstand 1914 und wurde wenige Tage nach Beginn des Ersten Weltkriegs abgeschlossen.

Vertontes Kapitel aus der Bibel

Viel stärker ist der Kriegs-Bezug beim Quartett von Olivier Messiaen für Violine, Klarinette, Violoncello und Klavier. Der Komponist nannte es «Quatuor pour la fin du temps» («Quartett zum Ende aller Zeiten»). Er schrieb es als deutscher Gefangener in einem Lager bei Görlitz, wo 1941 auch die Uraufführung stattfand. Selbst Jahrzehnte später beeindruckt die eigenwillige Form. Als tief religiöser Mensch verstand Messiaen die acht Sätze als Nachvollzug des zehnten Kapitels der Johannes-Offenbarung: sechs Sätze für die sechs Schöpfungstage, als siebenter Satz der Sabbat, an welchem sich Gott ausgeruht hat, und schliesslich die Auslöschung des Zeitgeschehens durch den Engel mit der letzten Posaune. Man hörte kaum je ein Quartett im landläufigen Sinn: Der dritte Satz bestand aus einem Klarinettensolo, vom Luzerner Gastsolisten Stojan Krkuleski hervorragend gestaltet. Der fünfte und achte Satz waren Duette für Cello resp. Violine und Klavier, und im sechsten Satz wurden ausschliesslich Oktav-Parallelen gespielt. Die stark expressionistische Grundstimmung wurde von allen Teil-Besetzungen voll mitgetragen. Sie hätte nicht in eine konventionelle Form gepasst. Es ist verständlich, dass Messiaen später dramatische Grossformen bevorzugte und kaum mehr Kammermusik geschrieben hat.

Muri und sein Bezug zu Zug

Wie Urs Pilgrim von der Stiftung Muri Kultur erläuterte, bestanden immer wieder Beziehungen zwischen Zug und dem Kloster Muri. Zuger aus der Zurlauben-Dynastie waren wiederholt als Bauführer tätig, und die Orgel von 1790 stammte von der Zuger Orgelbauwerkstatt Bossart. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts äusserten sogar einige Gemeinden des Freiamts den Wunsch, sich dem Kanton Zug anzuschliessen. Der Saal war ursprünglich Bibliotheksraum für die Mönche. Nach der Aufhebung der Klöster durch die Aargauer Regierung 1841 diente er verschiedenen Zwecken: 1871 als Notspital für Verwundete der französischen Bourbaki-Armee, später als Pflegeheim und zeitweise als Turnhalle. Erst 1991 – also 102 Jahre später (!) – erhielt das Gebäude wieder das 1889 durch einen Brand zerstörte ursprüngliche Dach. Seither wird es als Kulturzentrum genutzt.

Für die Musik wie für die Sprachverständlichkeit erwies sich der voll besetzte Saal als akustisch geeignet. Einziger Schwachpunkt: Wegen zu grosser Hitze mussten die Fenster offen bleiben, und so wurden einige Piano-Stellen durch den nahen Strassenverkehr beeinträchtigt. (Text von Jürg Röthlisberger)