Die zweite Blüte ihres Lebens

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Vor neun Jahren über-lebte Silvia Bossard einen Flugzeugabsturz - heute widmet sie sich ganz dem Safran.

  • Von Hand werden die Safranfäden (Bild unten) gezupft: Silvia Bossard und Wicki Björn, Sohn einer Mitarbeiterin, bei der Arbeit. (Bild Christof Borner-Keller)
    Von Hand werden die Safranfäden (Bild unten) gezupft: Silvia Bossard und Wicki Björn, Sohn einer Mitarbeiterin, bei der Arbeit. (Bild Christof Borner-Keller)

Zug – Silvia Bossard legt sozusagen ihr ganzes Leben auf den Esstisch. Safranfäden, die von ihren Feldern im Freiamt stammen. Dazu mehrere Schrauben. Diese haben eine doppelte Bedeutung: Einerseits haben diese ihren nach einem Flugzeugabsturz gebrochenen Rücken zusammengehalten. Andererseits ist Silvia Bossard die Witwe von Heinrich Bossard, der CEO des gleichnamigen Zuger Schraubenhandelsunternehmens war. Sie hat jahrelang als Sekretärin ihres Mannes bei der international tätigen Firma gearbeitet. Heute lebt sie immer noch im gemeinsamen Haus in Althäusern bei Aristau im Freiamt.

«Du musst keine Angst haben»

«Ohne den Flugzeugabsturz wäre ich nicht zum Safran gekommen», berichtet die 53-Jährige. Das Schicksal hatte 2004 in den Ferien in Neuseeland zugeschlagen - mit einem Kleinflugzeug unternahmen Silvia und Heinrich Bossard einen Sightseeingflug. «Am Steuerknüppel sass ein junger Pilot, der nach Sicht flog.» Plötzlich seien sie über dem Meer in ein Unwetter geraten. Ihr Mann habe vorne rechts gesessen und ihr noch gesagt, dass sie keine Angst haben müsse. «Das Flugzeug machte eine Kurve und berührte mit dem linken Flügel die Meeresoberfläche.» Die Maschine stürzte rund 70 Meter vom Ufer entfernt ab. Ihr Mann ertrank im Wrack. «Ich konnte mich aus dem Sitz befreien. Ich spürte starke Schmerzen im Rücken. Dann wurde ich ohnmächtig», schildert Silvia Bossard. Vom Ufer schwammen Retter zu ihr. Sie überlebte mit einer schweren Rückenverletzung, war zunächst im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil. Heute kann sie zwar wieder gehen, ist jedoch im Unterleib gelähmt. «Seit dem Unfall habe ich zudem ein Schädelhirntrauma. Ich habe Mühe, mich länger als drei Stunden zu konzentrieren - dann werde ich müde.»

Drei Felder in Hendschiken

Ihren Lebenswillen hat Silvia Bossard aber nie verloren. Im Anbau von Safran hat sie eine neue Aufgabe gefunden. Sie habe etwas gesucht, das auch mit eingeschränkten Kräften zu bewältigen ist. «Über das Gewürz habe ich einst gelesen, dass er einmal im Jahr während vier Wochen blüht. Ich habe mir gesagt: Diese begrenzte Zeit kann ich aufwenden - das schaffe ich.» Inzwischen ist Silvia Bossard eine anerkannte Safranspezialistin geworden und hat erfahren, «dass die Arbeit doch sehr aufwendig ist». 2006 hat sie 450 Safranknollen auf Testfeldern im Freiamt gepflanzt. Der grosse Erfolg blieb zunächst aus.

Nun gedeiht der Safran auf drei Feldern mit einer Gesamtgrösse von 6000 Quadratmetern im aargauischen Hendschiken, wo ihr Vater als Landwirt arbeitete. Zuvor wurde das wertvolle Gewürz ausschliesslich in Mund im Wallis am Südhang des Lötschbergs erfolgreich angepflanzt. Silvia Bossard war die Erste in der Schweiz, die ausserhalb von Mund auf Safran setzte. Heute bauen Private die Pflanze auch im Kanton Luzern, Solothurn oder Graubünden an. In diesem Jahr hat sie 100 000 Safranknollen aus den Niederlanden gesetzt. «Im nächsten Jahr wollen wir unsere eigenen Knollen verwenden», erklärt sie.

48 Franken pro Gramm

Derzeit stecken sie und ihre Mitarbeiter mitten in der Erntezeit, die jeweils zwischen Oktober und November ansteht. Die Arbeit ist mühselig: Die Blüten werden zunächst von Hand vom Feld gepflückt. Pro Blüte gibt es drei Safranfäden, die abgezupft werden müssen. Für ein Kilogramm Safran sind rund 120 000 bis 150 000 Blüten nötig. «In diesem Jahr war das Klima sehr gut. Wir haben eine Rekordernte», so Bossard. Doch noch ist das Business nicht gewinnbringend, auch wenn ein Gramm ihres Safrans 48 Franken kostet. «Es gibt weltweit rund 3 Millionen Anbieter von Safran», sagt die Expertin. Jener aus dem Iran werde schon für rund 12,5 Franken pro Gramm angeboten - die tiefen Löhne machen es möglich. Der Safran aus Hendschiken, der regelmässig von einem unabhängigen Institut auf Qualität getestet wird, hat sich inzwischen einen Namen gemacht. 2012 servierte die «Swiss» auf ihren Flügen eine Glace mit Safran aus dem Freiamt. Inzwischen beliefert Silvia Bossard mehrere Restaurants in der Schweiz, auch das Parkhotel in Zug. Zum Schluss hat sie noch einen Trick parat, wie man echten Safran erkennt - denn es gibt auf dem Markt viele Fälschungen. «Wenn man einen Faden zwischen den Fingern verreibt und die Farbe gelb-orange bleibt, ist die Qualität gut.» Auch Pulver, was Silvia Bossard nicht empfiehlt, kann man testen. Ein bisschen Natron dazumischen - bleibt die Lösung gelb, ist es echt. (Luc Müller)

Hinweis
Infos und Bestellung: www.tagora.ch
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