Ein Schlagabtausch mit Worten
Kunst & Baukultur
Das Kunsthaus Zug hat das Werk «The Tennis Game» des Künstlerpaars Ilya und Emilia Kabakov als Schenkung erhalten.
Zug – Es ist eine doch einigermassen seltsame Konstellation, die man derzeit im Schaudepot des Kunsthauses Zug antrifft: In der Halle auf dem historischen Areal der V-Zug befindet sich ein Tennisplatz, gesäumt von 14 grossen Schiefertafeln, vor denen Holzbänke stehen. Auf den alten Röhrenfernsehern, die auf den Tafeln angebracht sind, spielen zwei ältere Herren – mehr schlecht als recht – Tennis, was für konstante Aufprallgeräusche im Hintergrund sorgt. Man wähnt sich in der Schule, aber auch in einer Sporthalle, dabei schreitet man durch die Installation eines international bekannten Künstlerpaares.
«The Tennis Game. Im Dialog mit Boris Groys» heisst das Werk und stammt von Ilya und Emilia Kabakov, zwei Kunstschaffenden aus der ehemaligen Sowjetunion, die für ihre konzeptuellen Arbeiten bekannt sind. Emilia Kabakov – ihr Ehemann ist 2023 verstorben – hat das Werk vergangenes Jahr dem Kunsthaus Zug geschenkt. «Das Kunsthaus und die Kabakovs pflegen seit über 20 Jahren eine enge Beziehung», erklärt Projektleiterin Mia Jenni. Nun ist die raumfüllende Installation, die im Jahr 2000 entstanden ist und sich zuletzt in einer Galerie in Italien befand, wieder öffentlich zu sehen.
Ins Kunstwerk eintauchen
Der «Schlagabtausch», der in diesem Tennisspiel stattfindet, ist derweil nicht sportlicher, sondern intellektueller Natur. Auf den Wandtafeln lässt sich eine ausschweifende Diskussion zwischen Ilya Kabakov und Boris Groys, einem einflussreichen, mit den Kabakovs verbundenen Philosophen und Kunsttheoretiker, verfolgen. In dicht geschriebenen Zeilen gehen sie den Beziehungen von Mensch und Tier nach, sinnieren über Differenzen und Gemeinsamkeiten und den Umgang mit Tieren.
Kabakov zum Beispiel will wissen: «Wie wird das Verhältnis zwischen Mensch und Tier in Zukunft sein?» Groys antwortet trocken: «Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie gemeinsam aussterben.» Groys wiederum fragt an anderer Stelle: «Leben wir vielleicht mehr mit dem Instinkt als mit dem Verstand?» Kabakov hat eine klare Meinung: «Ja, selbstverständlich.» Wobei der Verstand auch darin bestehe, dass man sich dieser Tatsache bewusst sei.
Philosophisches steht hier neben Alltäglichem, Tiefschürfendes neben Humorvollem. Auf jede Frage folgt eine Antwort, und irgendwann ist man selbst Teil dieses Hin und Hers. Man beginnt, über das eigene Verhältnis zu Tieren nachzudenken, die Fragen für sich selbst zu beantworten. Mit welchem Tier identifiziere ich mich? Was ist der Unterschied zwischen Museum und Zoo? Ist Sex das Tierische im Menschen? «Die Grenze zwischen Kunstwerk und Betrachtenden löst sich auf», sagt Projektleiterin Jenni. «Total Installation» nennen es die Kabakovs. Das Kunstwerk umfasst einen, man taucht darin ein.
Auch Selbstironie hat Platz
Klar ist: Wer sich auf dieses vielschichtige Werk einlassen will, muss genügend Zeit mitbringen. Den Einstieg erleichtert dabei ein kurzer Film zur Installation, welcher ebenfalls im Schaudepot zu sehen ist. Zudem liegen die englischen Texte der Tafeln in deutscher Übersetzung vor. Jenni ist sich bewusst, dass das Werk eine gewisse Bereitschaft zur Auseinandersetzung verlangt, sie sagt aber auch: «Niemand schreibt vor, wie man ‹The Tennis Game› zu betrachten hat.» Man könne auch nur einzelne Tafeln lesen – sie funktionieren für sich alleine – oder einfach die Atmosphäre geniessen.
So oder so: Der «Schlagabtausch» im Schaudepot ist kein verbissener, sondern ein spielerischer, lockerer. Das zeigt sich auch in den Videos in den Fernsehgeräten: Die beiden amateurhaften Tennisspieler sind Groys und Kabakov selbst. Auch Selbstironie hat Platz in diesem Match.
HinweisDie Ausstellung ist ab 19. Oktober bis 28. Juni im Schaudepot zu sehen. Jeweils an zwei Sonntagen im Monat von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Weitere Infos: www.kunsthauszug.ch (Text: Tobias Söldi)
