Das pulsierende Zentrum der Stadt
Kunst & Baukultur
Im November vor zehn Jahren ist der neue Bahnhof eingeweiht worden. Längst ist er mehr als ein Ort, an dem nur Züge halten und abfahren.
Zug – Noch schnell ein wichtiges Medikament besorgen? Bequem Lebensmittel einkaufen nach Feierabend? Haare schneiden lassen am Sonntag? Eine asiatische Reispfanne oder eine knusprige Brezel zwischen jetzt und nachher? Dies sind nur einige wenige Facetten an Möglichkeiten im Zuger Bahnhof, die nicht unmittelbar mit Zugfahren zu tun haben. Facetten, die zeigen, dass das Gleisdreieck zwischen Gubel- und Gotthardstrasse, zwischen Damm- und Baarerstrasse längst viel mehr zu bieten hat als Billettautomaten und Perrons.
50 000 Passanten täglich
Am 28. November 2003 ist der moderne Zuger Bahnhof eingeweiht worden, dessen Baukosten von 65 Millionen Franken sich die Stadt Zug und die SBB geteilt haben. Und obwohl die Geburtswehen für den neuen Bahnhof heftig waren - weil eben mehrere umstrittene Projekte zunächst nicht auf Volkes Gegenliebe gestossen waren -, muss man heute, zehn Jahre später, von einem absoluten Erfolgsmodell sprechen. Denn der Zuger Bahnhof hat sich zu einem der meistfrequentierten Plätze in Zug gemausert. Kaum sonst wo kann man täglich in Zug mehr Menschen begegnen als auf der Achse Bahnhof-Metalli. «2007 nutzten täglich rund 34 000 Pendler den Bahnhof Zug für ihre Reise, 2012 waren es bereits 40 700 Reisende, was einer Zunahme von 20 Prozent entsprach», sagt Christian Ginsig, Konzernmediensprecher der SBB AG. «2013 sind es rund 50 000 Personen, die den Bahnhof frequentieren.» Eine stattliche Zahl an Pendlern. Diese hat natürlich damit zu tun, dass Zug sich inzwischen zum wirtschaftlichen Boomkanton mit vielen attraktiven Arbeitsplätzen entwickelt hat.
Bahnhof als Kunstobjekt
Der Zuger Bahnhof ist aber nicht nur eine Pendlerdestination mit hervorragender Infrastruktur und 16 Geschäften - etwa in Form einer kleinen Shoppingmall, in der man beispielsweise im Aperto und demnächst auch im neuen Coop-Supermarkt einkaufen kann. Der Zuger Bahnhof ist neben dem Zugerseeufer und dem Metalli-Center zu so etwas wie dem inoffiziellen pulsierenden Zentrum der Stadt Zug geworden. Zu einem Ort, wo man sich im Sommer gerne auf die arenenartig arrangierten Stufen rund um den Haupteingang «in Szene setzt» und eine Weile entspannt in die Sonne blinzelt, sich mit Freunden trifft oder seinen Lunch einnimmt. Oder wohin man abends gerne einen Spaziergang unternimmt, um das changierende Lichtspiel des amerikanischen Künstlers James Turrell zu bestaunen. «Der Bahnhof Zug ist ein architektonisches Vorzeigeobjekt, ein neuzeitliches und funktionelles Gebäude mit einer modernen Infrastruktur und einer weltweit bekannten Lichtkunst», bestätigt SBB-Sprecher Ginsig. Gleichzeitig sei die grosszügig dimensionierte Bahnhofhalle in der Mitte ein attraktiver Ort der Begegnung. Der Bahnhof Zug gehört dementsprechend zu den zehn Topbahnhöfen unter den SBB-Immobilien und wurde im Rahmen der Railcity-Strategie entsprechend ausgebaut. Zu den bisherigen Standorten zählten Zürich, Basel, Luzern, Winterthur, St. Gallen, Lausanne und Genf. Das kleine Zug spielt also in Sachen Zug in der Super League der Schweiz und liegt umsatzmässig auf dem Level von St. Gallen. Das ist beachtlich.
Vor allem Food-Angebote
«Das Label Railcity wurde vor rund zehn Jahren entwickelt, um den Kunden zu vermitteln, dass ein Bahnhof nicht nur zum Zugfahren, sondern auch zum Einkaufen genutzt werden kann», so Ginsig. Nach rund zehn Jahren haben sich die SBB aber entschieden, dieses Label nun verschwinden zu lassen, «denn mittlerweile ist allen Reisenden klar, dass der Bahnhof auch über ein umfangreiches Shoppingangebot verfügt». Allerdings: Das Angebot an Läden, von denen immerhin zehn gemietete seit der Eröffnung vor zehn Jahren schon dabei sind, ist immer mehr auf Food orientiert. Boutiquen und Schallplattenläden scheinen weniger gut zu laufen. «Die schnelle Verpflegung ist eben ein zentrales Angebot aller Grossbahnhöfe. Zug bildet dabei keine Ausnahme», erklärt der SBB-Mann. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einem Bahnhof sei sehr kurz: in Zürich und Bern beispielsweise rund 7 Minuten. «Food-Angebote sind in der Tendenz umsatzstärker und aufgrund der zeitlichen Einschränkungen besser geeignet», sagt Ginsig. Wobei eben nicht nur Pendler hungrig sind: Täglich holen 3500 Personen ihr Essen im Zuger Bahnhof, in einer der grössten Kantinen der Stadt.
Beeindruckend erscheint unterm Strich, dass der Zuger Keilbahnhof, den der Architekt Klaus Hornberger entworfen hat und der 2005 zwei Brunel- Awards verliehen bekam, noch fast so makellos aussieht wie vor zehn Jahren. Dabei sind es wohl nicht nur die fleissigen Putztrupps der SBB, die den Bahnhof täglich in Schuss halten. Der Respekt der Reisenden und vor allem der Zuger selbst vor dem imposanten Gebäude, das übrigens auch auf Zuger Ansichtskarten prangt, garantiert dies offenbar. (Wolfgang Holz)