Provenienzforschung: Kunsthaus Zug zählt auf die Leihgeber

Kunst & Baukultur

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Potenzielle NS-Raubkunst muss als solche identifiziert werden. Auch das Kunsthaus Zug beschäftigt sich mit dem Thema.

Zug – Die Provenienz eines Kunstwerkes beschreibt dessen Herkunft. Wem hat es gehört? Durch welche Hände ist es gegangen? Wann wurde es wo weiterverkauft? ... Je lückenloser die Provenienz eines Kunstwerkes dokumentiert ist, desto positiver wirkt es sich einerseits auf dessen Wert aus. Andererseits kann dadurch aufgezeigt werden, ob jeder Besitzerwechsel rechtens war.

Letzteres hat besonders seit dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung gewonnen – aufgrund Enteignungsaktionen der Nationalsozialisten oder Zwangsveräusserungen. Schätzungsweise an die 600 000 Kunstgegenstände haben die Deutschen gestohlen oder sich widerrechtlich angeeignet. Ganze Sammlungen kunstaffiner Juden sind so den rechtmässigen Besitzern geraubt worden, viele wurden genötigt, ihre Kunst zu einem Preis weit unter Wert zu verkaufen.

Seit der sogenannten Washingtoner Erklärung von 1998 ist ein weltweiter Prozess im Gange, Raubkunst an ihre rechtmässigen Besitzer respektive deren Nachfolger zurückzuführen. So sind insbesondere Museen gefordert, entsprechend intensiv Provenienzforschung zu betreiben, deren Ziel es ist, das Vorhandensein allfälliger Raubkunst im eigenen Fundus auszuschliessen. Bekannte Beispiele solcher Aufarbeitungen in jüngerer Zeit sind die Sammlung Gurlitt im Kunstmuseum Bern oder die Sammlung Bührle im Kunsthaus Zürich. Beide Häuser erforschen die Provenienz jedes einzelnen Werkes um festzustellen, ob es sich um potenzielle Raubkunst oder «Fluchtkunst» handelt.

Auch das Kunstmuseum Luzern hat die Provenienz seiner Gemälde in den Jahren 2016 bis 2018 gründlich erforscht und das Projekt für abgeschlossen erklärt – vorläufig. Denn bei einzelnen Bildern hat deren Herkunft nicht vollends nachvollzogen werden können. Sobald entsprechende Ressourcen verfügbar seien, wolle man die Forschungsarbeit zu diesen Objekten wieder aufnehmen, wie sich das Kunstmuseum Luzern in einem Bericht im vergangenen Herbst gegenüber der «Luzerner Zeitung» äusserte.

Offene Fragen bei einzelnen Schiele-Blättern

Etwas anders verhält es sich beim Kunsthaus Zug, wie eine dortige Nachfrage ergibt. Die eigentliche Sammlung, deren Eigentümerin die Zuger Kunstgesellschaft ist, umfasst hauptsächlich Schweizer Kunst und Gegenwartskunst. «Hier stellt sich die Provenienzfrage nicht beziehungsweise die Herkunft der Werke ist bekannt», sagt Direktor Matthias Haldemann. Provenienzforschung wird für das Kunsthaus Zug höchstens zum Thema, wenn es um die Leihgaben geht. Etwa diejenigen aus der Werner-Coninx-Stiftung, wo es gewisse offene Fragen gibt. «Es betrifft einzelne Blätter, insbesondere solche von Egon Schiele», sagt Haldemann. «Da wird seitens der Stiftung im Moment untersucht, ob noch weitere Abklärungen bezüglich ihrer Herkunft notwendig sind.»

Wenn immer im Kunsthaus Zug ein Verdachtsfall auftauchte, würde der Leihgeber um Auskunft ersucht, erklärt Haldemann das Vorgehen. «Wäre diese unbefriedigend, würden wir von einer Ausstellung des Werks absehen.» Grundsätzlich verlässt sich das Kunsthaus Zug auf die Arbeit der Leihgeber – zum einen ist das die bereits erwähnte Werner-Coninx-Stiftung und zum anderen die Stiftung Sammlung Kamm, deren Anteil der grösste ist. «Für die Stiftung Sammlung Kamm hat die Gewährleistung einwandfreier Provenienzen einen hohen Stellenwert», weiss Matthias Haldemann. Deshalb habe die Stiftung seit Anbeginn eine Politik der Transparenz verfolgt. «Die Sammlung wurde unmittelbar nach Gründung der Stiftung 1998 in einem umfassenden Katalog publiziert, in welchem auch die Provenienzen der Werke aufgelistet sind», führt Haldemann dazu aus.

Bei den Werken der Stiftung sei der Erwerb bekannt und dokumentiert. «Wenn sich begründete Verdachtsmomente auf einen möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzug ergeben, werden diese im Auftrag der Stiftung vertieft abgeklärt», sagt Haldemann. «Die Kunstgesellschaft wird Einsicht in diese Unterlagen verlangen. Sollten diese unbefriedigend sein, würde das weitere Vorgehen mit der Stiftung besprochen.» In der Stiftung Sammlung Kamm existierten zwei Werke, welche Gegenstand einer Restitutionsanfrage gewesen sind, weiss Haldemann. So habe die Stiftung die Herkunftsgeschichte durch eine externe Spezialistin für Provenienzrecherchen erforschen lassen. «Aufgrund der Ergebnisse kam die Stiftung zum Schluss, dass keine erhärteten Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug vorlagen.»

Das Kunsthaus Zug ist also in der komfortablen Lage, dass es selber keine Ressourcen für Provenienzforschung benötigt, da es sich bei den Werken der hauseigenen Sammlung nicht um potenzielle NS-Raubkunst handeln kann. Und bei den Leihgaben darf sich das Kunsthaus auf die zuverlässige Dokumentation und gewissenhafte Forschungsarbeit der Leihgeber verlassen. (Text vonAndreas Faessler)