Gläserne Erinnerung ans alte Waldheim

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Zwei farbige Fenster an einer Aussenwand an der Zuger Waldheimstrasse erinnern an den Vorgängerbau – und an einen illustren Künstler.

  • Die zwei hochrechteckigen Glasfenster von Edy Renggli erinnern an das alte Waldheim. (Bild Matthias Jurt)
    Die zwei hochrechteckigen Glasfenster von Edy Renggli erinnern an das alte Waldheim. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Der gradlinige Eingangsbereich der neuen Siedlung Waldheimstrasse 39 und 41 oberhalb der Stadt Zug mit 48 Alterswohnungen wird architektonisch von Sichtbeton dominiert. Ein ausladendes, schweres Vordach überspannt die Vorhalle. Hier fällt einem ein Stück Kunst-am-Bau ins Auge: An der Wand links vom Eingang sind zwei knapp 2,70 Meter hohe Objekte montiert mit je fünf übereinander gestaffelten Glasfeldern. Sie nehmen fast die gesamte Raumhöhe ein. Die zwei Objekte sind eng mit der Geschichte dieses Ortes verbunden: Es handelt sich um die beiden Fenster aus dem Andachtsraum des ehemaligen Altersheimes Waldheim, dem Vorgängerbau der modernen Wohnüberbauung schräg gegenüber vom Zuger Friedhof. Am 1. Januar 1965 wurde das Waldheim als erstes städtisches Altersheim eröffnet.

Für die Gestaltung der Fenster in der Hauskapelle hatte man den renommierten Luzerner Glasmaler Edy Renggli (1922–2017) beauftragt. Renggli entstammte einer seit Mitte des 19. Jahrhunderts aktiven Luzerner Glasmalerfamilie, welche es zu beachtlicher Bekanntheit gebracht hatte. Sein Grossvater Eduard Johann hatte die Familientradition etabliert und sie seinem Sohn Eduard Friedrich weitergegeben. Dessen Sohn Edy führte das Handwerk schliesslich weiter.

Ein Erneuerer des Handwerks

Sein Hauptstudium absolvierte er an der École des beaux-arts in Paris. Nach wiederholten Studienreisen war er in der Heimat an mehreren Ausstellungen präsent und leitete ab 1854 das Atelier der Luzernischen Glasmalerei – als Nachfolger seines Vaters. Unter Edy erfuhr das Atelier eine Modernisierung hinsichtlich Stil und Technik. War die Werkstatt bislang traditionellen Darstellungen in der Glasmalerei verpflichtet, so hielt unter Edy Renggli vermehrt Abstraktion Einzug. Er machte die bisher als Handwerk angesehene Glasmalerei zur Kunst.

Er vereinte eine farbliche Vielfalt mit formaler Strenge und legte dabei stets grosses Augenmerk auf die qualitativ hochwertige Verarbeitung des Materials. Diese stilistische Entwicklung entsprach ganz dem Geschmack der Zeit: Edy Renggli erhielt bald eine Flut an Aufträgen für Glasmalereien hauptsächlich in sakralen, jedoch auch profanen Räumen der Zentralschweiz und über deren Grenzen hinaus. Ein Auftrag kam sogar aus Washington D.C. für die dortige National Cathedral.

Die Fenster für das Waldheim in Zug gehörten zu den «kleineren» Herausforderungen. Jedoch ist den beiden schön erhaltenen Fenstern anzusehen, dass hier ein Künstler am Werk war, der es mit der hochwertigen Umsetzung sehr ernst nahm.

2011 zogen die Bewohnerinnen und Bewohner des sanierungsbedürftig gewordenen Waldheims um ins neu erbaute Alterszentrum Frauensteinmatt. Der Stadtrat hatte entschieden, anstelle des Waldheims einen Neubau zu errichten, der letztendlich kostengünstiger im Unterhalt sein und mehr Menschen Platz bieten sollte.

Restauriert und aufbereitet

Die Stiftung Alterszentren Zug sowie die Bürgergemeinde Zug als Bauherrinnen liessen die beiden Renggli-Glasfenster aus dem Andachtsraum behutsam entfernen und beauftragten ein Fachunternehmen mit der Restauration und Aufbereitung für die Installation an der Aussenwand. Die zwei stattlichen hochrechteckigen Fenster bestehen ausschliesslich aus geradlinigen Feldern – hauptsächlich Vier- und Dreiecke, punktuell sind es mehreckige Felder. Das eine Fenster ist farblich grün-blau akzentuiert, das andere gelblich. Das abstrakte Sujet lässt sich unterschiedlich interpretieren. Während die einen solide Baumstämme erkennen mögen, sehen andere darin vielleicht eine Ähre oder ein anderes Motiv aus Gottes Schöpfung.

Hier neben dem Eingang der neuen Siedlung erinnern die zwei kunstvollen Fenster bis heute an das alte Waldheim – und auch an Edy Renggli, der nicht nur ein vorzüglicher Handwerker und Künstler war, sondern einen wesentlichen Teil seines Privatlebens dem Fussball verschrieben hatte: Von 1969 bis 1975 war er Präsident des FC Luzern. Während seiner Amtszeit schaffte es der Club zweimal in die Nationalliga A. Rengglis Nachfolger als FC-Luzern-Präsident war Romano Simioni. (Text von Andreas Faessler)