Als Zuger Geistliche einen Handstreich vollführten

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Der Kulturkampf im 19. Jahrhundert dauert im Kanton Zug sehr lange. Der ehemalige Zuger Nationalrat Josef Lang hat mit Pirmin Meier ein Buch über diese bewegte Zeit geschrieben.

Zug – An den passenden Ort, nämlich in den 1903 durch Karl Peikert erstellten Kapellenanbau zum Knabenpensionat St. Michael, lud der Historische Verein des Kantons Zug zum Referat des alt Nationalrats Josef Lang, welcher zusammen mit Pirmin Meier, beide wurzelnd im katholischen Milieu, mit Innerschweizer Leidenschaft in Buchform einen frischen und originellen Blick auf ein faszinierendes Thema wirft. Er sieht im schweizerischen Kulturkampf im Kern schwergewichtig eine innerkatholische Auseinandersetzung.

Die Grundüberzeugung der Konservativen beider Konfessionen hiess: Nur ein gemeinsamer Glaube kann einem Gemeinwesen «Dauer und Haltung, Ruhe und Sicherheit» gewähren. Die Liberalen hingegen propagierten ein Staatswesen ohne religiöses Fundament. Mithin wandte sich laut Lang der Zuger Klerus als erstes geistliches Kantonalkollektiv bereits in den 1830er-Jahren gegen die Bundesurkunde der Regeneration, welche diese Grundlegung nicht mehr vorsah. Diese seelsorgerliche Kampagne gipfelte in der Ausbootung des Zugers Georg Joseph Sidler als Tagsatzungsdeputierter nach 23 Jahren und als Landammann. Sidler zählte zu den vier Urhebern der gescheiterten Bundesurkunde und stieg zu einer nationalen Lichtgestalt auf.

Zuger Kirchenmänner orientieren sich nach Rom

Ein Jahrzehnt darnach eskalierte der Hader in der Sonderbundsfrage mit anfänglicher Ablehnung eines Beitritts seitens der Zuger Behörden. Die Wende, so der Historiker, leitete die erste überregional inszenierte Gubelfeier 1843 mit führenden Köpfen des kommenden Sonderbunds und den ultramontanen Zuger Geistlichen Melchior Schlumpf und Thomas Stocker ein, welche sich nach Rom orientierten.

Aufgrund einer Eingabe des Landkapitels stellte sich die konservative Mehrheit der Behörden den Anschluss an den Sonderbund her, weil sie sich neben der angeblichen Religionsgefährdung gegen Niederlassungsfreiheit und Mischehen wandte. Zuger Geistliche eroberten im Handstreich die Luzerner Kantonsschule und pflügten diese zu einer ultramontanen Hochburg um. Für die Zurückhaltung der Politiker macht der Experte die Nähe zu Zürich und dem Aargau, das erzzentralistische Projekt des Sonderbunds, die Furcht vor den Luzerner Radikalen namhaft.

Nach 1848 kehrte zunächst Ruhe ein, ehe sich neue Streitentwicklungen beidseits einstellen: Die Fundamentalisierung des römischen Katholizismus mit der Speerspitze des Unfehlbarkeitsdogmas von 1871 und die Geisselung des Liberalismus und des Sozialismus sowie die neue Linkskraft der Arbeiter­bewegung, welche sogar den durch den Liberalen Rudolf Virchow geprägten Begriff «Kulturkampf» durch Ferdinand Lassalle übernimmt! Hierzu gerät noch die Diskriminierung der ­Juden durch die Bundesverfassung 1848.

Wenn Versammlungen mit einem Tumult enden

In Zug radikalisierte sich die Lage zusehends. Der scharfe Ultramontanist Oswald Dossenbach konnte mitsamt dem Piusverein den Einzug der Industrie zumal in Baar nicht verhindern. Es setzte erbitterte Kämpfe zwischen ihm und Pfarrer Caspar Moritz Widmer gegen den Oberradikalen Xaver Schiffmann und Pfarrhelfer Alois Andermatt ab. Hauptpunkte bildeten Stimm- und Wahlrecht, die Gemeinwesen und Gemeindegüter und das Schulwesen, hier vornehmlich ein Prestige-Schulhausbau der Liberalen. Mehrfach sprach Lang von tumultuösen Versammlungen, welche nicht selten zu wüsten Schlägereien ausarteten! Dieser Kulturkampf im gespaltenen Dorf Baar betraf dann noch die Ausdehnungen der ultramontanen Pfarrwohnung und der liberalen Pfarrhelferwohnung sowie die Eigentümerschaft eines Kelchs.

Einen weiteren Zankapfel, die Säkularisierung der Friedhöfe, handelte der Historiker im Ägerital ab. Das Seilziehen um Bestattungen Reformierter auf katholischen Gottesäckern beendigte erst die Bundesverfassung von 1874 mit deren Neutralität. Die konfessionelle Gleichstellung der ortsüblichen Geläute der Kirchenglocken bei Beerdigungen bedurfte einer obrigkeitlichen, übergreifenden Durchsetzung seitens des Zuger Regierungsrates.

Für den Historischen Verein des Kantons Zug: Jürg Johner