Die Bibliothek Zug zeigt ihre Video-Schätze
Film & Multimedia
200 Videokassetten mit Zuger Inhalten sind digitalisiert worden – manches sorgt für Staunen. Nächstens findet ein Filmabend dazu statt.
Jugendunruhen in den 1980er-Jahren: In Zürich, klar – aber in Zug? Tatsächlich herrschte vor über 40 Jahren auch hier eine aufgeheizte Stimmung. Im Zentrum stand der Neubau eines Jugendzentrums. Die Stimmenden nahmen diesen im Herbst 1980 deutlich an. Doch bis zur Eröffnung dauerte es, und die Jugendlichen pochten auf eine Übergangslösung. Über deren Ausgestaltung herrschten unterschiedliche Auffassungen: Der Stadtrat wollte möglichst kontrollierte Bedingungen, die Jugendlichen möglichst autonome. In der Folge kam es sogar zu Hungerstreiks und der Besetzung der ehemaligen Kaserne an der St. Oswalds-Gasse.
Dort ist heute die Bibliothek Zug untergebracht. Und so schliesst sich ein Kreis. Denn im Auftrag der Bibliothek wurden im vergangenen Jahr VHS- und U-matic-Kassetten mit Zuger Inhalten digitalisiert. Ziel des Projekts war es, die Beiträge vor altersbedingtem Verfall zu bewahren und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darunter finden sich mehrere Sendungen des «Zuger Kabelfernsehens», das sich auch besagten Jugendunruhen widmet.
Bewegtbilder sind einprägsamer als Fotos
Das «Zuger Kabelfernsehen» gab es von 1980 bis 1981 sowie von 1984 bis 1986. Verschiedene Moderatorinnen und Moderatoren versuchten sich im Medium Video. Sie wurden assistiert von einem Redaktor des «Zuger Tagblatts», der einen Nachrichtenblock verlas. So staubtrocken das klingt, so ist die Präsentation auch tatsächlich; manche der Themen der zunächst wöchentlich ausgestrahlten Sendung waren deshalb aber nicht minder kontrovers und gesellschaftskritisch. «Haben Realschüler wirklich eine Chance?», lautet etwa der Titel eines Beitrags – eine Frage, die sich noch heute stellt.
Die Historikerin Kathrin Moeschlin (kleines Bild) hat im Auftrag der Bibliothek Zug 200 Videokassetten gesichtet und erschlossen und stellt ihre Entdeckungen am 20. November vor (siehe Hinweis). Sie sei überrascht gewesen, dass es auch in Zug Jugendunruhen gab, sagt sie. «Ich bin in den 1980er-Jahren geboren und hatte mich als Historikerin kaum mit der jüngsten Geschichte befasst», sagt die Ostschweizerin und ergänzt: «Das Bewegtbild vermittelt Geschichte anders als Fotos – sozusagen noch realer.»
Das gilt insbesondere für den ältesten Beitrag. Jener zeigt eine waghalsige Autofahrt von 1937: Die Zuger Garage Johann Kaiser organisierte zu Werbezwecken die Fahrt eines Opel Olympia von Weggis nach Rigi Kulm. Einen Haken gibt es allerdings: Die VHS-Technik kam erst 40 Jahre später auf den Markt. Kathrin Moeschlin zufolge war auf einer der Kassetten eine Schmalfilmkopie dieser Fahrt; so schaffte es dieses Werk in die Sammlung.
Bekannte Filmemacher vertreten
Unter den gesammelten Beiträgen finden sich auch Amateuraufnahmen, professionelle Dokumentationen sowie Spielfilme. Der Chamer Tausendsassa Charly Werder ist mit mehreren Videos vertreten. Oder der heute in Los Angeles tätige Urner Regisseur Claudio Fäh mit dem im Strandbad Unterägeri spielenden Kurzfilm «Strandsonntag: Die sanfte Rache einer Frau» von 1996.
Auch der schweizweit bekannte Regisseur Erich Langjahr aus Zug darf nicht fehlen. Dessen Film «Männer im Ring», der die Annahme des Frauenstimm- und Wahlrechts in Appenzell Ausserrhoden im Jahr 1989 thematisiert, geht Moeschlin persönlich nah: «Ich bin dort aufgewachsen und schäme mich ein wenig, wenn ich die Enttäuschung mancher Leute sehe.» Der Anlass am 20. November sei kein spröder Vortrag, sondern «ein Filmabend mit hohem Nostalgiefaktor», sagt Moeschlin, «mit Lustigem und Überraschendem und wahren Perlen». Doch kann sie als Auswärtige überhaupt wissen, was für Zugerinnen und Zuger erinnernswert ist und was nicht? «Die Aussensicht ist möglicherweise von Vorteil, da ich wertfrei an Themen herangehe», sagt die Historikerin.
Das sieht auch Leonie Fritz (kleines Bild) so. Sie ist bei der Bibliothek Zug Projektleiterin der Zuger Sammlung und Dokumentation und hat die Verantwortung für das Digitalisieren der Videokassetten, deren Erschliessung und Vermittlung inne. «Ab 1983 sammelte die Bibliothek systematisch Videos mit zugerischen Inhalten sowie von Zuger Autorinnen und Autoren.
Ab 1986 waren alle Filmschaffenden, deren Projekte von der Stadt unterstützt worden waren, zudem verpflichtet, eine Kopie des Produkts an die Bibliothek abzuliefern», erklärt sie das Zustandekommen eines Teils der Sammlung. Auch auf anderen Wegen hätten Beiträge den Weg zur Bibliothek gefunden. 14 Kassetten sind laut Fritz bereits in einem so schlechten Zustand gewesen, dass man Spezialisten beauftragen musste, um die Inhalte zu retten.
Auch DVDs und CDs werden digitalisert
Heute ist das einfacher. Dank Smartphones und sozialer Medien wird bereits digital aufgezeichnet. Weil die Menge an Beiträgen unüberschaubar ist, ist das seriöse Sammeln und Verschlagworten von Inhalten aber wohl aussichtslos. «Das ist bei Fachkonferenzen durchaus ein Thema», sagt Leonie Fritz. Darüber muss sie sich noch nicht den Kopf zerbrechen. Gegenwärtig würden nämlich weitere physische Medien mit Zuger Inhalten digitalisiert: DVDs und CDs. Darauf dürfte sich noch manches Staunenswerte entdecken lassen.
HinweisDer Anlass «Bewegte Bilder aus Zug» findet am Donnerstag, 20. November, von 19.30 Uhr bis 21 Uhr in der Bibliothek Zug statt. Er ist kostenlos, eine Anmeldung ist jedoch erforderlich:
www.bibliothekzug.ch/
veranstaltungen.
Alle archivierten Beiträge sind zudem digital zu finden:
https://lesesaal.stadtzug.ch.
(Text: Raphael Biermayr)
