Wie Zug den eigenen Stil fand

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Die Stadt im Wandel:Die Zuger Neustadt veränderte sich in der Nachkriegszeit grundlegend.

  • Die Zuger Kantonalbank gilt als Startschuss der Zuger Nachkriegsmoderne. Auf dem ersten Bild sieht man den Bau 1974. (Bilder ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Matthias Jurt)
    Die Zuger Kantonalbank gilt als Startschuss der Zuger Nachkriegsmoderne. Auf dem ersten Bild sieht man den Bau 1974. (Bilder ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Matthias Jurt)

Zug – Viele auswärtige Besucher der Stadt Zug gehen davon aus, dass die Bahnhofstrasse irgendwie einen Bezug zum Bahnhof hat. Das war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts so. Noch seltsamer ist, dass die Adresse Bahnhofstrasse 1 am Postplatz liegt, der heute auch noch ohne Post ist. An der oben genannten Adresse steht der 1958 bezogene Hauptsitz der Zuger Kantonalbank. Diesen errichteten die Zuger Architekten Leo Hafner (1924–2015) und Alfons Wiederkehr (1915–1985).

In der Festschrift zum 125-Jahre-Jubiläum der Zuger Institution schreibt der ehemalige Zuger Denkmalpfleger Georg Frey, dass «dieser Neubau einen prägnanten Punkt in der Baugeschichte der Stadt Zug im Allgemeinen und am Postplatz im Speziellen» markiere. Frey sieht den Kantonalbank-Neubau zudem «als Startschuss für die Zuger Nachkriegsmoderne».

Ein Hort der Zweckbauten

Das vom Zuger Bauforum 2019 herausgegebene Buch «Bewahrt, erneuert, umgebaut» schreibt zum Bau der Zuger Bank an bester Lage: «Die fast identisch gestalteten Fassaden bringen zugleich Repräsentation, Geschäftigkeit und Zurückhaltung zum Ausdruck.» Das Zuger Architektenduo überarbeitete sein 1949 präsentiertes Projekt nochmals, nachdem es der Bank gelungen war, durch Zukauf ihr Grundstück zu vergrössern.

Der durch das Regierungsgebäude (Bezug 1873) und die Hauptpost (1902) westlich und östlich begrenzte Postplatz erhielt so noch eine Repräsentationsbaute gegen Norden hin. Vom Architekten Leo Hafner ist noch eine sehr schöne Skizze zum Hauptsitz der Zuger Kantonalbank überliefert. Die Zeichnung zeigt viele Fussgänger und gerade mal ein Auto.

Eine Vision, ein Traum? Aktuell ist der Postplatz durch zwei Verkehrsstränge zerschnitten. Der obere Teil des Postplatzes hat den Charakter einer gestalteten Ödnis, die nur im Sommer etwas bevölkerter ist; der untere Teil bleibt weiterhin durch den Segen des Volkes mit Autos überstellt. Vom Hauptgebäude der Zuger Kantonalbank aus haben die Erneuerer innerhalb von nur gerade mal einem halben Jahrhundert ganze Arbeit geleistet. In der nordwärts verlaufenden Bahnhofstrasse ohne direkten Bezug zum Bahnhof ist in dieser Phase praktisch ein ganzes Jahrhundert ausgeräumt worden.

Wie ein Streifzug durch das Portal www.zugmap.ch zeigt, steht nur noch ein Gebäude, welches laut Registereintrag aus dem Jahre 1913 stammt. Es gehört zu einer auf dem westlichen Teil der Bahnhofstrasse gebildeten Häuserzeile zwischen der Gartenstrasse und dem Bundesplatz. Verschwunden ist neben Häusern auch das Grün. Auch die Fussgängerinnen und Fussgänger fühlen sich nicht selten an den Rand gedrängt. In seinem Buch «Wir Mobilitätsmenschen» schreibt der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel, dass der Faktor Fussverkehr nach dem Siegeszug des Autos «allmählich aus dem Bewusstsein der Menschen, der Gesetzgeber und der Verkehrsplaner verdrängt» worden sei.

Es gibt Versuche, die Bahnhofstrasse wieder zu beleben. Es gibt denn immer wieder Stimmen, welche den Geschäfte-Mix auf der vorerwähnten Strasse in Neu-Zug beklagen.

«Keiner Ideologie gehuldigt»

Leo Hafner, einer der beiden Architekten des Hauptgebäudes der Zuger Kantonalbank, sagte etwas verklausuliert zu ihrem Werk am Postplatz: «Es war einfach eine Befindlichkeit einer Periode, in der man sich befand, die sich ausgewirkt hat. Wir haben keiner Ideologie gehuldigt und uns nicht um Trends gekümmert.» Es gibt also neben dem «Zuger Finish» – immer etwas teurer als normal – noch einen «Zuger Baustil». (Marco Morosoli)

Hinweis
In dieser Serie stellen wir Dorfansichten aus Zuger Gemeinden und ihren Wandel über die Zeit vor.