Poetische Bruchstücke von Berg und Tal

Literatur & Gesellschaft

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Als Gast der Literarischen Gesellschaft las Andreas Grosz im Gotischen Saal aus dem neuen Buch «Zwei gottlos schöne Füchslein» – und begeisterte.

  • Autor Andreas Grosz (61) las im Gotischen Saal aus seinem neuen Buch. (Bild Christian H. Hildebrand)
    Autor Andreas Grosz (61) las im Gotischen Saal aus seinem neuen Buch. (Bild Christian H. Hildebrand)

Zug – «Das Buch von Andreas Grosz ist alles andere als ein Roman, man kann die Erzählungen auch abschnittsweise lesen», sagte Adrian Hürlimann von der Literarischen Gesellschaft Zug bei der Vorstellung des Autors am Dienstagabend im Gotischen Saal. Viele Besucher kannten Andreas Grosz (61), weil er lange Zeit in Zug gelebt hatte. Heute ist er in Wädenswil daheim und führt dort einen Verlag.

Sein Buch «Zwei gottlos schöne Füchslein» ist das Resultat des Zuger Werkjahrs für Literatur 2015. Es basiert auf den Aufzeichnungen von April 2000 bis März 2010, als Andreas Grosz und seine Partnerin Beatrice Maritz im Urner Bergdorf Unterschächen lebten. Entstanden ist eine Sammlung aus insgesamt zwölf Abschnitten, die jeweils einem Monat zugeordnet sind – beginnend mit April bis September.

Kleine Szenen und Erinnerungen

Adrian Hürlimann erklärte, das Werk sei weder Taschenbuch noch ethnische Studie, Autobiografie oder Lokalgeschichte – und doch alles zusammen. Andreas Grosz hörte der Einführung schmunzelnd zu und sagte: «Sie erleichtert meine Arbeit. Ja, man kann das Buch auf verschiedene Arten lesen, aufpicken oder ganz von vorn beginnen. So lassen sich spezielle Effekte auf direkte Art erfahren.» Dies setzte er um und begann am Anfang – im April – mit der Ankunft in Unterschächen und der ersten Begegnung mit einem Bauern. Splitterartig folgten kleine Szenen, wie das Schädelbrummen am nächsten Tag durch das Anstossen des Kopfes an den niederen Türstürzen, die bewussten Wahrnehmungen der Jahreszeiten, der Witterung und der Berglandschaft sowie ihrer Menschen und Tiere. Dazwischen sind Episoden aus der Kindheit, mit Erinnerungen an die geliebte Grossmutter, einer Maikäfersammlung oder von Ausflügen und Reisen mosaikartig eingeflochten.

Es sind vertraute Heimatbilder, die Grosz mit feinem Humor zeichnet, und doch wird spürbar, dass er sich in «dieser befremdenden Welt» selbst nach Jahren noch als Fremder gefühlt hat. Die fast fotografische Erzählweise des Autors ist aussergewöhnlich, dennoch stecken die Aufzeichnungen vom Versuch, in der kleinen Dorfgemeinschaft Fuss zu fassen, voller Poesie.

Grenzen zwischen Traum und Wachsein

Das Gespräch zwischen Andreas Grosz und Adrian Hürlimann brachte weitere interessante Aspekte zutage, die das zahlreich erschienene Publikum gespannt verfolgte. Für Andreas Grosz ist das Buch kein Selbstporträt, sondern eine Weltschau, die sich aus vielen kleinen Elementen zusammensetzt: «Diese sind durch wiederkehrende Wörter ineinander verzahnt.»

Weil das Buch keine chronologische Abfolge enthält, fragte Hürlimann nach dem Konzept. «Es ist wie ein Bild, im Buch sind Lebensabschnitte durcheinandergeschüttelt. Es basiert ganz auf Auszügen aus dieser Zeit, die ich bearbeitet, gekürzt, analysiert und verändert habe. Man kann es als fiktives Werk betrachten.» Er lote gerne die Grenze zwischen Traum und Wachsein aus: «Ich kann mich schnell zwischen Bewusstem und Unbewusstem bewegen. Das gehört zu meinem Leben.»

Als «Fremder» ständig unter Beobachtung

«Romantisch war der Aufenthalt nicht, eher eindrücklich», wertete Andreas Grosz die Zeit in den Bergen. Aufgefallen ist ihm insbesondere die soziale Kontrolle: «Wir fühlten uns ständig unter Beobachtung.» Das Wohngebäude sei wurmstichig gewesen und doch Geborgenheit schenkend. Weil es verkauft werden sollte, seien sie nicht länger geblieben. «Ich habe eine Übergangszeit erlebt.» Und obwohl er im Dorf ein «Fremder» war, wollte er einmal dort begraben werden. Bei einer Frau im Publikum waren an der Lesung Kindheitserinnerungen aufgestiegen: «Ich bin in diesem Dorf in der Nähe des Gebäudes aufgewachsen. Sie haben es richtig erkannt, dass es als Fremder enorm viel braucht, um Anerkennung zu erhalten. Doch inzwischen hat sich auch dort oben vieles verändert.» (Monika Wegmann)