Kulturstrategie wird lebendig

Dies & Das

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Eineinhalb Jahre hat die Stadt Zug an einer Kulturstrategie gefeilt. Nun ist das 84 Seiten starke Dokument fixfertig. Ein Papiertiger? Nicht doch. Am 30. März wird aus Theorie Praxis, und alle dürfen mitreden.

  • Das Team hinter der Kulturstrategie: Eva Kasser, Karl Kobelt, Kathrin Spross, Iris Weder. (Bild: Nora Nussbaumer)
    Das Team hinter der Kulturstrategie: Eva Kasser, Karl Kobelt, Kathrin Spross, Iris Weder. (Bild: Nora Nussbaumer)
Zug – Dieser Text ist in der April-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Auf dem Tisch, an dem Iris Weder sitzt, liegt eine Menge Arbeit. Viel davon ist bereits getan, einiges liegt noch bevor. Beim umfangreichen Werk, das Weder in mehrere Stapel gegliedert hat, handelt es sich um die brandneue Zuger Kulturstrategie der nicht mehr ganz so neuen Abteilung Kultur der Stadt, welche Weder seit Juli 2020 leitet.
Die Abteilung Kultur ersetzt die bisherige Fachstelle Kultur mit dem Ziel, dem Wachstum der Stadtbevölkerung, respektive den damit einhergehenden steigenden Anforderungen im kulturellen Bereich, gerecht zu werden. Mit der Professionalisierung im Kulturbereich geht auch besagte Kulturstrategie sowie ein Kulturreglement einher, welches im Auftrag des Stadtrats entstand ist und mitunter für Transparenz sorgen soll.
Dass sich in Sachen Kultur so viel bewegt, ist kein Zufall. Iris Weder sagt dazu: «Es ist bekannt, dass in der Vergangenheit nicht alles perfekt war und einiges schiefgelaufen ist. Daraufhin hat der Stadtrat reagiert und die Abteilung Kultur umorganisiert. Wir lassen Vergangenes ruhen und schauen vorwärts.»

Es ist die Reaktion der Stadt auf Ungereimt­heiten, die sich in den vergangenen Jahren in der Kulturkommission und der damaligen Kulturstelle ereignet hatten. So wurde zunächst bekannt, dass die Kulturkommission 2019 ein Atelierstipendium an ein Mitglied aus den eigenen Reihen vergeben wollte. Dies unter Ausstand des betreffenden Mitglieds. Später kamen ungenaue Protokollierungen und intransparente Buchungen zutage. Der Grosse Gemeinderat erteilte dem Stadtrat daraufhin den Auftrag, bei der Kulturförderung genauer hinzuschauen. Womit wir wieder bei den Stapeln vor Iris Weder wären.

Strukturiert die Zukunft gestalten
Eineinhalb Jahre Arbeit stecken in der 84 Sei­ten starken Kulturstrategie 2022–2032. Darin haben die Projektbeteiligten zurückgeblickt auf die vergangenen Jahre, den Ist-Zustand analysiert und festgelegt, in welche Richtung sich die Stadt Zug in Zukunft bewegen soll.
Um zu verhindern, dass das Ganze zum Papiertiger verkommt, wurde ein Massnahmenkatalog für die kommenden vier Jahre erstellt.
Bei der Erarbeitung des Projekts war neben der Abteilung Kultur unter anderem eine Steuergruppe involviert, bestehend aus Stadträten c
und Verwaltungsmitarbeitenden. Zudem eine Spurgruppe aus Vertretern der Interessens- und Anspruchsgruppen. Auch die Haltung der Zuger Bevölkerung wurde bei Foren und Online-Mitwirkungen abgeholt.

Bedürfnisse greifbar machen
Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Kulturstrategie, so erzählt Iris Weder: «Was die Zugerinnen und Zuger gemäss unseren Erkenntnissen umtreibt, ist das Thema der zugänglichen Kulturräume.» Am 30. März wird darum in der Chollerhalle nicht nur die neue Kulturstrategie vorgestellt, sondern auch gleich eine Werkstatt zum Thema durchgeführt. «Wir möchten herausfinden, welche Erwartungen und Bedürfnisse die Kultur- und Kunstschaffenden sowie die Bevölkerung an Räume für die Kultur haben. Damit soll dieses Bedürfnis für uns fassbarer gemacht werden», erklärt Weder. «Was seitens der Kulturszene jedoch bereits klar kommuniziert wurde ist, dass es in der Stadt Zug keinen geeigneten Saal für akustische Musik gibt.»

Kinder miteinbeziehen
Ein weiteres Thema, das die Stadt stärker angehen möchte, ist die kulturelle Teilhabe von Kindern. Weder führt aus: «Kinder sollen ab Geburt Zugang zur Kultur haben. Für Kleinkinder sind Sinneswahrnehmungen wie Musik oder Lichtspiele geeignet. Schon die allerkleinsten Kinder können selber kreativ werden und bestimmte Aufgaben lösen.» Die ausgebildete Kulturmanagerin weiter: «Vielen Kindern wird vorgegeben, nach welchem Schema sie etwa einen Schneemann zeichnen sollen. Jedoch müsste die Kreativität offen gefördert werden.»

Wo sind die Künstler:innen?
Wie die kulturelle Teilhabe bei Kindern konkret umgesetzt werden soll? «Die Stadt will zwar selber nicht Veranstalterin werden, doch möchten wir innovative Formate ausschreiben, welche zum Beispiel explizit von Kulturschaffenden mit Kitas konzipiert wurden.» Soweit der Plan. Das letzte Wort bezüglich der Finanzierung solcher Projekte liegt jedoch bei der Politik.
Darauf angesprochen, was Iris Weder bei der Betrachtung der aktuellen städtischen Kultur­landschaft überrascht habe, erläutert sie: «Wir haben festgestellt, dass es extrem wenige bildende Künstler:innen, Theaterschaffende und Tänzer:innen gibt, die in der Stadt Zug bleiben. Dies wiederum dürfte mit dem bereits angesprochenen Thema Raum in Verbindung stehen.» Es ist ein Umstand, den Weder unbedingt ändern möchte, denn: «Ich glaube, jede Gesellschaft braucht Kulturschaffende in ihrer Mitte.» Sie hat denn auch Lösungsansätze parat, wie man dem Problem entgegentreten könnte. «Früher haben Zuger Kulturhäuser stark auf Produktionen gesetzt, die nicht hier entstanden sind. Mit dem Engagement der neuen Intendantin Ute Haferburg beim Theater Casino Zug wurde nun ein Schritt in Richtung vermehrter lokaler Produktionen gemacht.» Sie nämlich setze vermehrt auf hiesige Co-Produktionen. Auch andere Häuser würden sich in diese Richtung bewegen.

Chancen der Vernetzung nutzen
Zugängliche Räume, die Teilhabe von Kindern, lokale Produktionen. Sind die genannten Punkte in der Szene überhaupt ein Thema?
Durchaus, wie Madeleine Flury und Giannina Masüger, die beiden Leiterinnen des Theater im Burgbachkeller, betonen. Flury liefert gleich ein Beispiel: «Wir haben tolle Räume hier. Nur hatten wir bisher das Problem, dass wir unser Büro – dieses hatten wir im Foyer des Theaters eingerichtet – nur nutzen konnten, wenn niemand gleichzeitig auf der Bühne geprobt hat. Sonst wären wir uns ständig in die Quere gekommen.» Nun habe man kürzlich einen ex­ternen Büroraum gefunden. «Jetzt können wir unsere Räume beispielsweise Schulen tagsüber für Projekte zur Verfügung stellen.»

Doch genau für solche Nutzungen bedürfe es der städtischen Unterstützung. «Wir allein können nicht sehr viel ausrichten. Will man das Angebot auf alle Altersgruppen ausweiten, Workshops und ein Rahmenprogramm gestalten, braucht das extrem viele Ressourcen. Diese haben wir schlicht nicht», so Flury. «Dafür braucht es ein solches städtisches Konzept. Nur so können wir uns sinnvoll mit anderen Häusern und Leuten vernetzen.»
Die beiden Theaterleiterinnen sind sich einig: «Die neue Kulturstrategie ist wichtig, weil sie die Professionalisierung und das Netzwerk fördert. Zwar gibt es bereits einen Austausch mit Veranstaltern und Künstlern.» Doch könne dies mithilfe der Strategie nun gezielter gemacht werden. «Wenn die Stadt den Lead hat, weiss man, wo ähnliche Interessen liegen und wen man wie zusammenführen könnte. Das eröffnet uns viele Möglichkeiten.»

Jetzt geht es erst richtig los
Das ausgearbeitete Konzept ist nun also fixfertig und noch quasi warm vom Druck. Madeleine Flury sagt dazu: «Viel Arbeit wurde bereits geleistet. Doch eigentlich fängt es erst jetzt richtig an.» Dem pflichtet Iris Weder bei. Vielversprechend ihre Aussage dazu: «Man wird merken, dass sich mit der neuen Kulturstrategie einiges verändern wird.» Neben den genannten Punkten hegt sie ausserdem noch einen weiteren, grossen Wunsch: Zug als Kulturstadt soll stärker in den Fokus gerückt werden. Nicht nur hier, sondern auch in den umliegenden Städten. Dieses Selbstbewusstsein fehle der Stadt bislang. Zu Unrecht, wie Weder findet.
 
(Autorin: Valeria Wieser)