Die stinkenden Strassenlaternen

Dies & Das

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Einst sorgte Feuer in sogenannten Pechpfannen für die Beleuchtung von Gassen und Plätzen. Neuerungen verdrängten sie aus dem Stadtbild. In Zug ist der Überrest einer solchen Vorrichtung noch erhalten.

  • An diesem Gestänge am Zuger Rathaus war eine Pechpfanne befestigt. (Bild Matthias Jurt)
    An diesem Gestänge am Zuger Rathaus war eine Pechpfanne befestigt. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Angesichts der reich gegliederten Schaufassade des Zuger Rathauses mit seinem charakteristischen Staffelgiebel entzieht sich einem wohl ein kleines, interessantes Detail – ein übrig gebliebenes Fragment einer seit dem Mittelalter bis teils ins 19. Jahrhundert hinein gängigen Vorrichtung: An der seeseitigen Gebäudeecke auf Höhe des ersten Obergeschosses ist ein feingliedriges Gestänge in der Quaderung und am Gesimse fixiert. Es ist beweglich, sprich schwenkbar und dürfte wohl aus der Bauzeit des Rathauses kurz nach Beginn des 16. Jahrhunderts stammen. Es ist die Halterung einer sogenannten Pechpfanne. Diese historischen Vorrichtungen dienten zur Beleuchtung von Gassen und Plätzen.

Aussehen und Beschaffenheit dieser Pfannen waren unterschiedlich: Einige waren in Form von eisernen, korbartigen Gefässen konzipiert, welche an einer Stange hingen. Andere wiederum waren als flache Schalen direkt an der auskragenden Stange befestigt. Um ein solches Modell hat es sich auch bei unserem Beispiel in Zug gehandelt, denn angeblich soll die Pechpfanne noch bis in neuere Zeit vollständig erhalten gewesen sein. Das Gefäss selbst ist heute aber verschollen. Eine vom Einsiedler Historiker Linus Birchler (1893–1967) angefertigte Skizze der von ihm als «Unikum in der Schweiz» bezeichneten Zuger Pechpfanne zeigt ­diese als einfache, mit einer Kuchenform vergleichbaren Schale von knapp 30 Zentimetern Durchmesser mit Dorn in der Mitte und einer (Fackel?-)Halterung. Sie wird von einer gedrehten Stange aus Schmiedeeisen gehalten. Bedient worden ist sie wohl vom nächst gelegenen Fenster aus: Dank der Schwenkvorrichtung liess sich die Pechpfanne heranziehen und direkt von Hand bedienen.

Brennstoff aus Schlachtabfällen

Als Brennstoff für die Pech­pfannen hat man – zumindest im Mittelalter – eine Talgmasse ­verwendet, welche aus dem ­sogenannten Unschlitt, also Schlachtabfall, gewonnen wurde. Durch den hohen Fettgehalt brannte die Flamme hell und lang. Man kann sich allerdings ausmalen, dass dies der Nase nicht grad schmeichelte, erst recht in engen Altstadtgassen, wo die Luft wenig zirkulierte und Gerüche konzentriert hängen blieben. Dies und die erhöhte Brandgefahr durch offene Feuer innerhalb der Stadt waren Gründe, warum Pechpfannen allmählich nicht mehr verwendet wurden, sondern fortschrittlicheren Beleuchtungsmethoden weichen mussten. 1662 machte es London vor, als die Stadt als erste überhaupt Öllaternen im öffentlichen Raum aufstellte. Paris, Berlin, Hamburg, Kopenhagen und Wien folgten Londons Beispiel wenige Jahre später.

Im Jahre 1808 war es wiederum London, das ein neues Zeitalter der öffentlichen Beleuchtung einläutete – mit der Installation der ersten öffentlichen Gaslaternen. Auch diese neue Technik fand dank ihrer verbesserten Eigenschaften und Vorzüge schnell Verbreitung in Europa und weltweit. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Gaslaternen in vielen Städten allmählich von elektrisch betriebenen Leuchten abgelöst.

So ist unsere Pechpfanne in Zug, oder was davon übrig geblieben ist, ein einzigartiger Zeuge aus der Frühzeit öffentlicher städtischer Strassenbeleuchtungen. Eine der letzten – wenn nicht die einzige – vollständig erhaltenen Pechpfannen im öffentlichen Raum ist in der Altstadt von Chur zu finden, an einem Haus in der Süsswinkelgasse. Es ist eine sehr einfach konstruierte Vorrichtung mit flacher Rundschale. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.