Auf den Spuren eines Baarer Missionars

Brauchtum & Geschichte

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Der Jesuit Pater Martin Schmid (1694-1772) hat in der Ferne ein reiches kulturelles Erbe hinterlassen. In seiner Zuger Heimat jedoch ist er weitgehend vergessen. Mit einem grossen Vermittlungsprojekt soll das Wirken des Baarers nun in Erinnerung gerufen werden.

  • Bild oben: Die erhaltenen, von Schmid erbauten Kirchen weisen den typischen Kolonialbarock auf. Bild unten: Gedenktafel für Martin Schmid in der Luzerner Jesuitenkirche. Bilder: Andreas Faessler/zvg
    Bild oben: Die erhaltenen, von Schmid erbauten Kirchen weisen den typischen Kolonialbarock auf. Bild unten: Gedenktafel für Martin Schmid in der Luzerner Jesuitenkirche. Bilder: Andreas Faessler/zvg

Baar – In der Kirche von San Rafael im östlichen Tiefland Boliviens hat der Architekt und ehemalige Jesuit Hans Roth (1934-1999) in den 1970er-Jahren uraltes Notenmaterial entdeckt. Roth war damals für die Restaurationen der dortigen Kirchengebäude verantwortlich. Urheber der Musiknoten war der Baarer Jesuitenpater Martin Schmid (1694–1772). Der Fund erwies sich als Sensation, zumal es sich um ein bedeutendes Werk des Missionars aus dem Zugerland handelte, dessen Name in seiner Heimat nur wenigen bekannt ist. In der Geschichte des Jesuitenordens und ganz besonders in derjenigen Boliviens ist Martin Schmid sehr wohl ein Bekannter.

Der einer Baarer Rats- herrenfamilie entstammende Schmid trat nach seiner Gymnasialzeit in Luzern – eine Gedenktafel in der Jesuitenkirche erinnert an ihn – und seinem Studium dem Jesuitenorden bei. Wegen seiner künstlerischen Fertigkeiten, unter anderem auf dem Gebiet der Architektur und der Musik, wurde Schmid als Missionar anno 1730 ins heutige Bolivien geschickt. Den Einheimischen vermittelte er Wissen und brachte ihnen diverses Handwerk bei, darunter Instrumentenbau. Er gründete Siedlungen, entwarf Pläne zu mehreren Kirchenbauten und schrieb fleissig Sakralmusik, und zwar in anspruchsvoller, ausgereifter Form. Der Baarer war bei den Einheimischen beliebt und angesehen, sie nannten ihn liebevoll «Esmid».

1767 wurden er und weitere Jesuitenmissionare des Landes verwiesen. Er verliess Südamerika, verbrachte ein Jahr in Spanien, ehe er sich in Luzern im Jesuitenkolleg niederlassen konnte. Im März 1772 starb Martin Schmid an einem Schlaganfall.

Aufschlussreiche Briefe an die Heimat

Über das Leben von Martin Schmid wüsste man heute nur wenig, hätten nicht 37 handgeschriebene Briefe von ihm an seine Familie in Baar die Zeiten überdauert, welche Aufschluss über sein Wirken in den südamerikanischen Jesuitenreduktionen geben. Acht von ihnen schrieb er während seines Aufenthaltes in Südamerika. Fünf davon erzählen ausführlich von der Zeit in der Region Chiquitania, wo er am Kirchenbau beteiligt war und die Bevölkerung in Musik unterwies.

Jetzt soll der illustre Geistliche anlässlich des 250. Todesjahres in seiner Heimat neu auferstehen – in Form eines Vermittlungsprojektes mit Rahmenprogramm. Das Projekt umfasst einerseits einen geschichtlichen Rundgang im öffentlichen Raum von Baar, welcher die Besucherinnen und Besucher auf die Spuren von Schmids kolonialem Erbe mitnimmt. Im Rahmen dessen gibt es mehrere thematische Führungen. Andererseits rückt die interaktive Ausstellung «Menschen bauen Welten!» in der Chollerhalle, die Martin Schmids Lebensweg von einst ins Heute und spürt zentralen Fragen – durchaus auch kritischen – aus Sicht der Gegenwart nach. Hier finden zudem Aktionen wie Performances oder Filmvorführungen statt (weitere Infos siehe Hinweis).

 

Initiiert wurde das Projekt von Pater Martin Schmids Ururururur-Grossnichte Franziska Schmid aus Baar. 2019 reiste sie – organisiert vom Lassalle-Haus – mit einer Gruppe nach Bolivien und besuchte unter anderem die von ihrem Vorfahren erbauten Kirchen. Es sei bald die Diskussion entstanden, anlässlich seines 250. Todesjahres etwas zu organisieren, rekapituliert Franziska Schmid. «Ich schlug bei uns im Kirchenchor vor, zu diesem Anlass Werke von Pater Martin Schmid zu singen. Daraus hat sich dann eine Gruppe Interessierter an Musik und Kultur formiert, welche noch weitere Ideen hatte.» Per 1. Januar 2022 wurde schliesslich der Verein Pater Martin Schmid gegründet. Sein Zweck: eine öffentliche Veranstaltung zur Erinnerung an den Baarer Jesuiten organisieren.

In Bolivien bekannt, nicht aber in der Heimat

Auf ihrer Reise nach Bolivien hat Martin Schmids Nachfahrin erstaunt festgestellt, wie bekannt der Jesuit dort immer noch ist. Auf der Zufahrtsstrasse zur Chiquitania – die Region, in welcher Schmid hauptsächlich wirkte – steht eine Tafel mit Bild und Text zu Pater Martin Schmid, erinnert sich die Baarerin. In Concepción sei eine Musikschule und eine Strasse nach ihm benannt. Die Musik werde dort von Orchestern und Chören vorgetragen. «Bei uns jedoch ist Pater Martin Schmid wenig bekannt. Sein 250. Todestag ist somit Anlass, dieser Baarer Persönlichkeit zu gedenken», so Franziska Schmid.

Die Nachfahrin ist berührt davon, wie der Pater die Menschen über die Musik zum christlichen Glauben führen wollte – denn so geht es aus den Briefen an seine Familie hervor. «Ich glaube, das ist ihm gelungen. Ansonsten wäre die Musik in dieser Region wohl nicht so stark präsent. Es gibt diverse Musikschulen und eine Werkstatt, in der Streichinstrumente hergestellt werden und das Spielen erlernt wird. Ausserdem findet alle zwei Jahre ein Musikfestival statt», führt Franziska Schmid aus.

Für die Koordination und Entwicklung des Projektes mit starker personeller Beteiligung hat der Verein die Zuger Agentur Gäggeligääl gewonnen. Geschäftsführerin Laura Hürlimann, selbst Baarerin, freut sich über die breite Unterstützung, die sie in den vergangenen eineinhalb Jahren des aufwendigen Planens erfahren hat. Gönner des Projektes sind vor allem die Katholische Kirchgemeinde der Stadt Zug und diejenige von Baar sowie weitere Zuger Kirchgemeinden, Stadt und Kanton Zug, die Gemeinde Baar und zahlreiche private Sponsorinnen und Sponsoren. Selbst das Bistum Basel beteiligt sich.

«Wir möchten den Zugerinnen und Zugern ein neues Ausstellungserlebnis bieten», sagt Laura Hürlimann. «Mit Interaktionen und Komponenten wie derjenigen des Theaters soll es auch einen gewissen emotionalen Aspekt erhalten.» Wichtig ist der Veranstalterin, dass sie selbst hinsichtlich Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen, welche sich im Zusammenhang mit Martin Schmids Tätigkeiten vor fast 300 Jahren in Südamerika aus heutiger Sicht stellen, keine Position bezieht. Laura Hürlimann: «Jede Besucherin, jeder Besucher soll sich seine eigenen Gedanken machen.» (Text von Andreas Faessler)

Hinweis

Der Rundgang in Baar kann vom 5. bis 25. September gemacht werden. Die Ausstellung «Menschen bauen Welten!» in der Chollerhalle dauert vom 26. September bis 1. Oktober. Detaillierte Informationen zum Projekt und zum Rahmenprogramm unter www.patermartinschmid.ch