Die Kurgäste verändern das Tal

Brauchtum & Geschichte

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Ende des 19. Jahrhunderts entstehen in Unter- und Oberägeri eine touristische Infrastruktur und viele Erholungsanstalten. Der Wandel hat auch Konflikte zur Folge.

  • Das 1908 gebaute Morgartendenkmal (hier auf einer Postkarte von 1918) zieht viele Touristen an. (Bild ETH-Bildarchiv)
    Das 1908 gebaute Morgartendenkmal (hier auf einer Postkarte von 1918) zieht viele Touristen an. (Bild ETH-Bildarchiv)

Unterägeri – «Subalpines Gersau» – mit dieser Bezeichnung macht das Ägerital um die Jahrhundertwende Werbung in eigener Sache. Es ist die Zeit, in der nach der Positionierung als «Kinderparadies» mit der Kinderkuranstalt Hürlimann auch erwachsene Kurgäste und Touristen angelockt werden. Was das Tal natürlich stark verändert. In Ober- und Unterägeri entstehen neue Hotels, die Erschliessung verbessert sich, das Morgarten-Denkmal wird gebaut und auf dem See verkehrt ein Dampfschiff.

Unterägeri soll ein Ferienidyll auch für die Erwachsenen sein. Das schreibt sich der 1884 gegründete Verkehrsverein auf die Fahne. Hoch über dem Dorf thront damals das Hotel-Kurhaus Waldheim, gebaut 1899 von Leo Henggeler-Iten, Gemeindeschreiber von Unterägeri. Es ist in dieser Zeit das auffälligste Hotel im Ägerital. «Nervenschwache, Ruhe- und Erholungsbedürftige oder Rekonvaleszente» können sich hier zurückziehen.

Der Vergleich mit dem Kurort Davos

Neben den Hotels und Gaststätten bieten auch Private und Bauern ihre «Fremdenzimmer» an. Man vergleicht sich sogar mit dem Kurort Davos, der viel höher gelegen ist. Dort habe es zwar weniger Nebel, doch in Ägeri dafür «2 Stunden länger Sonnenschein als in Davos, was im Verlaufe des langen Winters manchen Vorteil einer höhern Lage ausgleicht». Es entstehen nicht nur neue Gaststätten. Der Seequai, das Birkenwäldli und das Eisfeld werden gebaut, auf dem See wird ein Dampfschiff- und Ruderbootsbetrieb eingerichtet und verschiedene Spazierwege werden geschaffen. Dies unter der Ägide von Kinderkurarzt Josef Hürlimann, der den Verkehrsverein während 25 Jahren präsidierte. Er war auch erster Präsident der 1890 gegründeten Dampfschiff-Gesellschaft.

Das Dorf Oberägeri macht in dieser Zeit eine ähnliche Entwicklung durch. 1902 entsteht der «Verschönerungsverein» Morgarten-Oberägeri, der Spazierwege und Plätze mit den wohlklingenden Namen «Paradiesli», «Plauderstübchen» oder «Friedheim» schafft. Im «Volksblatt» stellt ein Schreiber 1907 fest: «Es ist nicht mehr das alte Oberägeri von ehemals, wo man keinem fremden Bein begegnete.» Viele Ausflugstouristen zieht das 1908 gebaute Morgartendenkmal an. Der Standort auf Zuger Boden war lange umstritten: Die Schwyzer hätten das Denkmal gerne auf ihrem Grund aufgestellt. Neben den noblen Kurgästen lockt die Gedenkstätte auch weniger vermögende Reisende an – etwa Vereine, Schulklassen und Tagesausflügler. Und natürlich die Schützen, die hier jährlich zum Morgartenschiessen zusammenkommen.

Das «Ägeritram» nimmt seinen Betrieb auf

Ab 1904 verbindet der Bus «Orion» das Ägerital mit der Stadt Zug, was die Attraktivität des «Luftkurortes» deutlich steigert. Allerdings wird das Gefährt als «Rumpelbus» bezeichnet und hat nur gerade 12 Sitzplätze. Noch besser erschlossen ist das Ägerital ab 1913: Dann ist endlich das lang ersehnte Ziel einer eigenen elektrischen Strassenbahn, das «Ägeritram», erreicht. Voraussetzung dafür ist der Bau der Lorzentobelbrücke, für den die Verkehrsvereine und Touristiker aus dem Ägerital kräftig weibeln.

Bis heute besteht die Klinik Adelheid in Unterägeri, deren Geschichte 1912 mit der Eröffnung als Sanatorium beginnt. Die ausdrücklich nur für Erwachsene vorgesehene Heilanstalt ist ein Geschenk der Industriellenwitwe Adelheid Page, die sich für den Kampf gegen Tuberkulose einsetzt. Ihr Mann George Ham Page leitet in Cham die Kondensmilchfabrik.

Der Tourismusboom und die vielen Kurgäste sorgen auch für Konflikte im beschaulichen Ägerital. Zum Beispiel werden im Jahr 1912 Klagen laut über die stinkenden Güllenfuhren durch das Dorf während der Fremdenverkehrsaison. Später beschwert sich ein Kurgast über das Knallen der Peitschen und den Lärm von «Nachtbuben». Auch der zunehmende Verkehr ist einigen ein Dorn im Auge. Die viel gepriesene staubfreie Luft, so heisst es im Jahr 1914, gäbe es nur, «wenn die staubaufwirbelnden Autos nicht wären». (Rahel Hug)

Hinweis
In dieser Serie werden Geschichten des Zuger Tourismus vorgestellt. In diesem Teil lesen Sie über «Kurvereine und Kritik, Schiff und Denkmal». Quelle: «Sonne, Molke, Parfümwolke.» Text: Michael van Orsouw. 1997.