Kunst statt Waschmaschinen

Kunst & Baukultur, Dies & Das

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Im Tech Cluster, am nördlichen Ende der Stadt Zug, entsteht ein neuer Kulturraum. Über die Existenz des KunstClusters ist nicht nur die Gemeinschaft des Atelier 63 äusserst dankbar.

  • Brigitte Moser ist schon eingezogen. (Bild: Nora Nussbaumer)
    Brigitte Moser ist schon eingezogen. (Bild: Nora Nussbaumer)

Zug – Dieser Artikel erschien in der Juni-Ausgabe 2024. Hier geht es zu den weiteren Artikeln. 

Ein grosses Gehege in einer noch grösseren Halle. Einige beeindruckende Holzkisten stehen mittendrin. Sie sehen aus, als würden aus ihnen demnächst exotische Tiere heraustreten. Vielleicht ein neugieriger Schimpanse, vielleicht ein ängstlicher Tiger, der alsbald beginnt, der Maschendrahtumzäunung entlangzuschlendern. Hier, an der Oberallmendstrasse in Zug, jedoch entsteht kein Zoo, sondern ein Kulturraum. Die grossen Kisten haben zwar tatsächlich die Meere überquert. Doch statt Tiere wurden darin Kunstwerke transportiert. In der ehemaligen Produktionshalle der V-Zug warten die Holzboxen nun geduldig darauf, wieder mit Kunst befüllt zu werden; etwa mit den Plastiken des Künstlers Friedrich Kiesler, die im Kunsthaus Zug gezeigt und danach wieder in die USA verfrachtet werden.

Ausstellen, Arbeiten, Begegnen
Die ästhetischen Holzkisten sind ein erstes Anzeichen dafür, dass hier, in der Halle 11 des Tech Clusters Zug, während der kommenden Jahre, ein Ort der Kultur gedeihen darf. Der Verein KunstCluster bildet die Trägerschaft dafür; bestehend aus dem Verein Atelier 63, der Stiftung der Freunde Kunsthaus Zug, dem Verein Film Zug, dem Quartierverein Guthirt sowie der Tech Cluster Zug AG. Die Aufgabe der Trägerschaft: in der Liegenschaft kulturelle, soziokulturelle und kommerzielle Veranstaltungen zu ermöglichen sowie einen kulturellen Arbeits-, Ausstellungs- und Begegnungsort zur Verfügung zu stellen.

Glücksfall und Entlastung
Im vergangenen Sommer sprach sich der Grosse Gemeinderat dafür aus, das Projekt für die kommenden vier Jahre mit jährlich 80 000 Franken zu unterstützen. Es war ein Entscheid, der auf mehreren Seiten grosse Erleichterung hervorrief. So etwa bei der Zuger Kunstgesellschaft, also dem Kunsthaus Zug, das aus allen Nähten platzt und dringenden Platzbedarf für die Sammlung hat.
«Wir wurden vom Tech Cluster vor ein paar Jahren angefragt, ob wir diesen Raum im Sinne eines Schaudepots nutzen möchten. Für uns ist es ein Glücksfall und eine riesige Entlastung, dass wir diese Chance von Kanton, Stadt und TechCluster bekommen haben», sagt Kunsthausdirektor Matthias Haldemann dazu. «Hier können unter anderem sperrige Werke, welche aus robustem Material wie Holz, Bronze oder Stein bestehen, gelagert und gezeigt werden. Ich denke da beispielsweise an eine riesige Installation von Ilja und Emilia Kabakov, in deren Besitz wir sind«, sagt Haldemann. «Für lichtempfindliche Materialien wie Papier oder Leinwand ist der Raum hingegen nicht geeignet.» Dafür lasse das Sheddach der ehemaligen Fabrikationshalle zu viel Tageslicht herein. Auch sei die Halle aufgrund der vielen Fenster grösseren Temperaturschwankungen ausgesetzt: Gift für sensible Materialien.

Frisches Umfeld, frische Pläne
Mit der Erweiterung in den KunstCluster begibt sich das Kunsthaus auf ungewohntes Territorium. «Anders als an der Dorfstrasse befinden wir uns hier nicht in der vornehmen Altstadt, sondern mitten auf einem Industrieareal, auf dem ein neuer Stadtteil entsteht. Es gibt hier keine weissen Räume, in denen man gepflegt Kunst anschauen kann, man ist vielmehr umgeben von Künstlerateliers, Industrie und einem öffentlich nutzbaren Veranstaltungsort.» Tatsächlich sollen in derselben Halle, ausserhalb der umgitterten Zone, bald Anlässe durchgeführt werden. «Dieses Umfeld ermöglicht uns entsprechende Kooperationen mit einzelnen Personen, Institutionen, Schulen oder dem Tech Cluster», freut sich Haldemann. «Auch unsere Kunstvermittlungsabteilung wird hier sicher aktiv werden und gemeinsame Veranstaltungen durchführen.» Die Pläne? «Nach der Sommerpause wollen wir im neuen Schaudepot eine Skulpturenlandschaft präsentieren.» Die Ausstellung werde zweimal im Monat jeweils sonntags kostenlos geöffnet sein.
Doch bevor hier wertvolle Kunstwerke gelagert und gezeigt werden könnten, muss die Halle gesichert werden. «Wir können die Gefahr von Vandalismus nicht ganz ausschliessen, insbesondere, da wir nicht immer vor Ort sein können, wenn gleich nebenan Veranstaltungen durchgeführt werden.» Aus diesem Grund brauche es eine entsprechende Sicherheitsanlage. Dies auch aus Versicherungsgründen.

Es wird umgezogen
Während die Holzkisten in der grossen Halle aktuell noch leise vor sich hindösen, scheppert es im Nebenraum gewaltig. Gerade werden die schweren, massgefertigten Eisenregale von Brigitte Moser an die richtige Stelle gerückt. Während die Mietflächen um sie herum noch ziemlich leer sind, nimmt die 30 Meter grosse Atelierfläche der Goldschmiedin bereits Form an. Mosers Partner hat die schweren Gegenstände gemeinsam mit drei Freunden von der Hofstrasse hierher verfrachtet. Allen steht der Schweiss auf der Stirn. «Vorhin haben sie mir gesagt, dass dies das letzte Mal sei, dass sie diese Möbel zügeln», sagt Moser mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Es ist nicht das erste Mal, dass die 78-Jährige ihren Arbeitsplatz verlegt. Viele Jahre betrieb die Goldschmiedin ein Atelier inklusive Geschäft und Galerie in Baar und Zug. 50 Jahre lang war sie selbstständig, bevor sie 2019 Teil des Atelier 63 an der Hofstrasse wurde.
«Einen Laden zu führen, ist aufwendig. Die Präsenzzeiten sind hoch, ich musste stets rumtigern, Ausstellungen organisieren und gleichzeitig schauen, dass genügend Geld reinkommt. Heute habe ich weniger Action, und das ist gut so», sagt Moser, auf einem Stapel Europalletten sitzend. Umgeben von der Ateliergemeinschaft fühlt sie sich wohl. «Man begegnet sich gegenseitig mit Respekt, ist im regelmässigen Austausch.» Und auch ohne Laden kommt Moser ab und zu mit der Bevölkerung in Kontakt: «An der Hofstrasse organisierten wir regelmässig öffentliche Podien, auch führten wir eine Workshopreihe durch. Diesen Austausch mit Interessierten geniesse ich sehr. Auch finde ich ihn wichtig, damit das Atelier 63 lebendig bleibt und seine Aussenwirkung behält.» Der KunstCluster ist prädestiniert für öffentliche Veranstaltungen und interessante Zusammenarbeiten. Darauf freut sich Moser. Sehr bewusst hat sich Moser entschieden, ihr Atelier, und damit auch ihre schweren Metallmöbel, in den KunstCluster zu zügeln. «Ich freue mich sehr über diese Möglichkeit und bin der öffentlichen Hand wahnsinnig dankbar. Zwei Jahre lang war für uns Mieter*innen unklar, wie und ob es überhaupt weitergehen würde mit dem Atelier 63. Das war etwas blockierend.» Gerade weil es in Zug nicht gerade von freien Ateliers wimmelt, war die Erleichterung der zehn Kunstschaffenden über die mehrjährige Zwischenlösung im KunstCluster gross. Während des Gesprächs rücken die Männer Regale, Poliermaschine, Arbeitstische und Stelen an den gewünschten Ort. Ist das vollbracht, kann Moser mit dem Einräumen beginnen. Die Vorbereitungen für kommende Ausstellungen müssen in diesen Tagen warten. Tragisch findet das Moser jedoch nicht. Im Gegenteil. Sie freut sich, dass es überhaupt weitergeht mit dem Atelier 63.

Strukturenwandel am neuen Ort
Mitten in der Umzugsphase steckt auch der Verein Film Zug, der seine Büroräumlichkeiten in den KunstCluster verlegt. Der physische Tapetenwechsel passt zum Transformationsprozess, in dem sich der Verein seit einiger Zeit befindet. «Wir bewegen uns vom klassischen Filmfestival hin zu einer ganzjährigen Anlaufstelle für Film und dessen Vermittlung in der Region Zug», erklärt Eveline Stalder von den Zuger Filmtagen. «Das heisst, in den kommenden zwei Jahren werden die Strukturen nachhaltiger gestaltet. Zudem wird das Vermittlungsprogramm für Kinder und Jugendliche ausgebaut. Selbstverständlich bleiben daneben die fünftägigen Zuger Filmtage im Herbst bestehen.»
Der kleine «Hub», der nun im KunstCluster entstehe, käme den Verantwortlichen sehr gelegen. Stalder dazu: «So haben wir bald einen eigenen Raum voller Möglichkeiten, den wir als kreative Arbeitsplätze für unser Team nutzen können, aber auch für Workshops, Filmvorstellungen oder Events aller Art.» Wie auch die anderen Parteien freut man sich auch beim Verein Film Zug auf Kooperationen und Synergien zwischen den Mitgliedern der Trägerschaft.

 

Text: Valeria Wieser