Schiffskurs ins Jenseits
Kunst & Baukultur
Das Gemeinschaftsgrab auf dem Menzinger Friedhof ist ein friedvoller Ort des Abschiedes.
Menzingen – Für den Rotkreuzer Bildhauer Daniel Anderhub (1967–2023) war das Schiff stets ein aussagekräftiges Symbol und fand wiederholt Einzug in seine Grabgestaltungen. Das Element des Schiffes war für ihn zum einen Inbild für die Reise durch die Erinnerungen an ein gelebtes Leben, eine Reise durch die letzten Gedanken vor dem Tod. Zum anderen verstand er das Schiff auch als Symbol für den Übertritt der verstorbenen Menschen in die Ewigkeit. Besonders stark kommt Letzteres im 2008 angelegten Gemeinschaftsgrab von Risch zum Ausdruck, wo ein Schiff die steinerne Umrandung durchbricht und mit den Seelen an Bord das Irdische verlässt.
Zwei Jahre früher als das Gemeinschaftsgrab von Risch ist dasjenige von Menzingen entstanden – ebenfalls nach einem Konzept der Bildhauerei Anderhub. Dies im Rahmen einer Umgestaltung des Friedhofes, um den Bedürfnissen der Bevölkerung nach alternativen Bestattungsmethoden nachzukommen – die Kremation war schon lange vorherrschend geworden, Erdbestattungen waren kaum mehr gewünscht. Ohnehin hatte sich der Erdboden als so übersättigt erwiesen, dass im Falle von Erdbestattungen der Zersetzungsprozess nicht mehr richtig stattfinden konnte.
Westlich vom grossen Friedhofskreuz wurde im Zuge der Sanierung und Umgestaltung Raum für ein neues Gemeinschaftsgrab geschaffen. Den dafür ausgeschriebenen Künstlerwettbewerb hatte Daniel Anderhub mit seinem Projekt für sich entschieden.
In einem begrünten Kreis, der von einem Weg aus Pflastersteinen umfasst wird, steht eine abstrahierte Bootsskulptur. Die mittig durchbrochene, ergo zweigeteilte Basis besteht aus glatt geschliffenem Granit aus dem Onsernonetal.
Der Tod – eine Kluft
Auf dem konkaven Bootsrumpf sind querliegende Stelen aus grob behauenem Granit aus Andeer regelmässig angeordnet. Sie symbolisieren die Bootsoberfläche, welche die Seelen trägt. Die raue Oberfläche steht für die Hürden des Lebens – für Schicksale, Ängste, mit denen jeder Mensch irgendwann, irgendwie konfrontiert wird.
Die Zweiteilung der Schiffsbasis, eine tiefe Kluft, steht für den Tod als Moment des Übergangs vom Leben ins Jenseits, ins Licht, in die Ewigkeit, ins Reich Gottes – je nach Auffassung oder Glaube. Das Menzinger Gemeinschaftsgrab ist bewusst konfessionsneutral an-gelegt; das war auch die gemeindliche Auflage. Einzig ein Granitblock mit einer Weihwasservertiefung weist auf die katholische Tradition hin.
Vom Pflastersteinring um die Bootsskulptur führen vier Arme weg zu einem weiteren kreisförmig angelegten Weg. In den begrünten Feldern dazwischen finden die Verstorbenen ihre letzte Ruhe. Auf Granitblöcken sind Namen und Lebensdaten eingraviert.
Daniel Anderhub ist es in Risch wie in Menzingen gelungen, der Endlichkeit mit natürlichen Materialien und einem stark symbolhaften Gesamtkonzept ein versöhnliches, friedvolles Gesicht zu geben. (Text: Andreas Faessler)