Eine Zuger «Oral History»

Literatur & Gesellschaft

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Andreas Bossard, ehemaliger Zuger Lehrer und Stadtrat, hat in der Kolumne Mundartecke der «Zuger Zeitung» über 100 Mundartgeschichten publiziert. 45 davon erscheinen jetzt im Buch «Bigoscht».

  • Ist in seinem Element: Autor Andreas Bossard. (Bild Matthias Jurt)
    Ist in seinem Element: Autor Andreas Bossard. (Bild Matthias Jurt)

Zug – In einer globalisierten Welt, in der Mehrsprachigkeit und Übergewicht des Anglofonen (wer weiss das in Zug nicht) die Wahrnehmung von Mensch und Welt zunehmend prägen, ist die Pflege der Mundart umso wichtiger geworden. In ihr ist lokale Eigenart lebendig aufbewahrt; sie übermittelt als immaterielles Kulturerbe Traditionen, verbindet und verwurzelt Gemeinschaft und Gesellschaft und garantiert historische Kontinuität und Identität.

Aus Geschichten wird Geschichte

Erzählt man alte Geschichten in Mundart, ist das aber noch mehr. Denn Geschichte wird heute nicht mehr als Aufzählung von «berühmten» Ereignissen und Persönlichkeiten begriffen, sondern als eine Selektion aus unendlich vielen kleinen Geschichten, die man in der Histo­riografie auch mittels mündlicher Überlieferung – «Oral His­tory» – sicherzustellen versucht.

Die über 100 Geschichten in Zuger Mundart, die Andreas Bossard seit 2014 in loser Folge als «Mundartecke» der «Zuger Zeitung» publiziert hat, sind also so etwas wie eine schriftliche «Oral History» Zugs. Der bekannte Politiker und ehemalige Stadtrat fand seine Themen und Sujet ortsgebunden, «Rund um d Stadt», «Uf em Bäärg und i de Umgäbig», «A de Schanz» oder «Z Oberwil»; oder an «Persönlichkäite» geknüpft; er berichtet aber auch «Us Verwaltig und Politik» und schildert alte «Tradizioone».

45 dieser Geschichten erscheinen nun als Buch: «Bigoscht». Geschichten in Zuger Mundart.

Eine literarische Familientradition

In Anwesenheit der Bossard-_Familie, einer literarisch interessierten Öffentlichkeit und der am Buchprojekt Mitarbeitenden, und umrahmt von Jazz- und Klezmerklängen aus dem Akkordeon von Pascal Bruggisser und dem Saxofon von Christine Kessler, feierte es am Donnerstagabend im Rathaus seine Vernissage.

Der Germanist und Ortsnamenforscher Beat Dittli, der die Idee zum Buch hatte und zusammen mit dem Zuger Sprachwissenschafter Peter Ott und dem Autor selbst die Geschichten ausgewählt und überarbeitet hat, stellte in seiner Begrüssungsrede fest, dass das neue Buch «der dritte Streich» in einer Art Familientradition sei: 1962 hatte Grossonkel Hans Bossard bereits das «Zuger Mundartbuch für Schule und Haus» herausgegeben, 1994 war die Sammlung «Bimäich» mit Erzählungen von Hans Bossard und Andreas’ Vater Carl Bossard erschienen.

Die Laudatio hielt die aus Zug stammende emeritierte Linguistikprofessorin Annelies Häcki Buhofer. Humorvoll und mit einer gewissen Lust enthüllte sie, was hinter Zuger Kraftausdrücken wie bigoschtgoppelsappermänt und sapperlot steckt und wie diese Wörter durch einen Prozess von Verballhornung «etymologisch verdunkelt» und salonfähig gemacht wurden.

Sie wies darauf hin, dass in Bossards Buch alte Mundartbegriffe, die vielleicht nicht allen vertraut sind, in einem Wörterverzeichnis übersetzt seien, erklärte ihre Vorliebe für die Wörter aamächeligöppis boosge und kurlig und lobte die optische Aufmachung des 150-seitigen hellgrünen Bändchens, die Zeichnungen von Laura Ulrich und die Fotografien von Benni Weiss und Regine Giesecke.

«Bigoscht» versammelt liebenswerte Erzählungen aus Kindheit und Jugend des Autors, verknüpft sie mit der politisch-wirtschaftlichen und sozialen Kantonsgeschichte, zeichnet verschwundene Bräuche nach und kramt Erinnerungen an nicht mehr vorhandene Orte hervor. Anekdotisch, oft mit Augenzwinkern, zuweilen mit einer gewissen Nostalgie. So wird Heimatkunde auf neue Weise zugänglich: durch die Brille eines Menschen, der sie erlebt und mitgeprägt hat. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis

Das Buch ist im Buchhandel oder beim Verlag (Kalt Medien AG, Zug) erhältlich, die ISBN lautet 978-3-85761-342-5. Es kostet 27 Franken.