Die Fürbitte des heiligen Wendelin

Dies & Das

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Ein vielschichtiges Altargemälde in der Chamer Pfarrkirche St. Jakob ist dem bedeutendsten Heiligen der Landleute gewidmet. Es ist 1793 von einem einheimischen Künstler geschaffen worden.

  • Das Gemälde am Seitenaltar ganz rechts stammt von Kaspar Bütler. (Bild Matthias Jurt)
    Das Gemälde am Seitenaltar ganz rechts stammt von Kaspar Bütler. (Bild Matthias Jurt)

Cham – Im weiten hellen Raum der ­barock-klassizistischen Chamer Pfarrkirche St.Jakob fallen als Erstes die fünf Altäre aus schwarzem Stuckmarmor ins Auge. Unser Interesse soll hier einem Gemälde an einem der Seitenaltäre zuteilwerden. Es ist derjenige auf der Evangelienseite, also rechts vom Hochaltar, ganz aussen. Dieser dem heiligen Wendelin geweihte Seitenaltar zeigt ein beeindruckendes, vielfiguriges Gemälde, dessen Detailreichtum zur eingehenderen Betrachtung lädt.

Die Signatur am Gemälde verweist auf den einheimischen Kunstmaler Kaspar Bütler von der Chämleten. Über ihn ist leider so gut wie gar nichts bekannt. Er zeichnet auch verantwortlich für die farbliche Fassung des Orgelgehäuses von 1806. Auf der Rückseite des bekrönenden Wappens von Cham und Hünenberg hat er seine Signatur hinterlassen: Caspar Bütler, Mahler zu Kam, hat die Orgel gefast im Iahr anno 1806. Unser Altargemälde hat Bütler zuvor gemalt, im Jahre 1793. Wir sehen viel Bewegung und Gestik: Am unaufgeregtesten von allen ist die stehende Figur am rechten Rand, die den Betrachter anschaut. Es ist der Landespatron Niklaus von Flüe, er scheint innerhalb des Gemäldes etwas deplatziert. Der Längsstreifen links von ihm lässt vermuten, dass er ursprünglich nicht dazu gehört hat. Hoch über seinem Kopf sind zwei Puttenköpfe.

Zu Bruder Klaus’ Rechten kniet – von ersterem abgewandt – der Altarpatron St.Wendelin. Obschon der Heilige im 6. und 7. Jahrhundert hauptsächlich im Raum Trier gewirkt hat, ist er hierzulande einer der wichtigsten und meistverehrten Schutzpatrone. Wendelin soll als Königssohn dem Reichtum entsagt haben, Wandernder geworden sein und bei einem herrischen Edelmann seine Dienste als Hirte angeboten haben. Der Gebieter erkannte in seinem gottesfürchtigen und frommen Hirten einen Heiligen und liess für ihn bei einem nahen Mönchskloster eine Zelle erbauen. Nach dem Tod des Abtes wählten ihn die Mönche zum Nachfolger. Wendelin gilt als bedeutendster Schutzpatron für die Bauern, Hirten und Schäfer. Entsprechend wird er ikonografisch nicht als Gottesmann dargestellt, sondern als Hirte mit Hirtenstab und Tieren. So auch hier im Gemälde von Kaspar Bütler. Auf der Weide hinter dem Heiligen ruhen drei Schafe. Dahinter ist entfernt die Chamer Pfarrkirche erkennbar.

Symbole des Unheils

Bewegung herrscht vor allem in der himmlischen Szenerie über dem heiligen Wendelin, welcher er nach oben blickend gewahr zu werden scheint: Über Wendelins Haupt steht der auferstandene Christus, über diesem wiederum die Heilig-Geist-Taube. Christus hält mit seiner linken Hand das Kreuz, mit seiner rechten reicht er seiner knienden Mutter Maria einen Pfeil. Pfeile symbolisieren seit der Antike das göttliche Eingreifen in das menschliche Dasein, sei es im Positiven (Liebe, Glück) wie im Negativen (Krankheit, Unglück). Im Mittelalter war der Pfeil vor allem Symbol für die Pest. Der Pfeil im Bütler-Gemälde ist im Kontext mit dem Wirken Wendelins wohl als Inbild für Tierseuchen zu verstehen. Jesus übergibt den unheilbringenden Pfeil in die Obhut der Muttergottes, damit er nicht die Herde trifft.

Weitere Symbole apokalyptischen Unglücks sehen wir bei den beiden Engelsfiguren hinter der Muttergottes – der eine hält sie in den Händen, Totenschädel und Schwert. Auch hier ist eine Gestik der Unheilsabwendung erkennbar: Der Engel rechts zeigt Richtung Himmel, der andere scheint Schädel und Schwert fest an seinen Körper zu halten, damit sie ihm nicht entgleiten und Schaden anrichten. Zusammenfassend kann das Gemälde als Fürbitte des heiligen Wendelin interpretiert werden, auf dass seine Tiere vor Unglück verschont werden.

Dieses eindrucksvolle Stück sakraler Kunst lenkt mit seiner kompositorischen Opulenz vom Obblatt ab, welches hier noch erwähnt sein will: Das kleinere Rundgemälde über dem Hauptblatt stammt ebenfalls von Kaspar Bütler. Es zeigt den heiligen Karl Borromäus. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.