Baugeschichte musikalisch erzählt

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte, Musik

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Das Baarer Kammerorchester präsentierte Werke aus vier verschiedenen Stilepochen. Dabei wurde auch die Baugeschichte der Kirche St. Martin Baar nachgezeichnet.

  • Kunsthistoriker Oliver Tschirky (Bildmitte) begleitete mit Ausführungen zur Kirchengeschichte den Auftritt des Baarer Kammerorchesters. (Bild Matthias Jurt)
    Kunsthistoriker Oliver Tschirky (Bildmitte) begleitete mit Ausführungen zur Kirchengeschichte den Auftritt des Baarer Kammerorchesters. (Bild Matthias Jurt)

Baar – Ein erfreulich zahlreiches Publikum erlebte das Baarer Kammerorchester mit an die dreissig Mitwirkenden unter der Leitung von Manuel Oswald. Das gut vorbereitete Programm reichte unter dem Motto «1243» (Jahrzahl der ersten urkundlichen Erwähnung der Baarer St.Martinskirche) bis ins Mittelalter zurück. Es mischten sich Originalkompositionen mit verschiedenartigen Formen von Bearbeitungen.

Sein Singspiel «Le Jeu de Robin et de Marion» – eine Art Vorläufer der Oper – komponierte Adam de la Halle vermutlich 1284. Die Bearbeitung für Streicher auf modernen Instrumenten liess die zunächst vom Cembalo (Yvonne Ritter) einstimmig vorgetragene Melodie mit dem Einsatz des Orchesters zu einer Art Fuge anschwellen, allerdings einer recht eigenartigen Vielstimmigkeit mit zahlreichen Quart- und Quintparallelen. Auch das «Ave Maria» von Tomás Luis de Victoria (1548–1611) war Bearbeitung des Originals für gemischten Chor. Ein kurzes Solo für Violine und Kontrabass (Susanna Meierhans und Nina Langer) markierte wohl die Einleitungssequenz des gregorianischen Chorals, an welchen sich ein homogener und intonationssicherer Klang des Orchesters anschloss.

Werke von Geminiani und Respighi

Erst mit dem Concerto grosso Opus 3, Nr. 3, von Francesco Xaverio Geminiani (1687–1762) wurde eine Originalkomposition erreicht. Im Gegensatz zum Trio in den viel bekannteren Concerti grossi von Corelli und Händel wurde hier durch den Beizug der Viola ein Concertino-Quartett gebildet, das teilweise solistisch hervortrat und zum Teil sich eng mit den Tutti-Stimmen verflocht. Transparent gelangen die ruhigeren Sätze, während die forsche Tempowahl im Allegro neben vielen schönen Passagen auch zu einzelnen Ungenauigkeiten führte.

Als umfangreichstes Werk erklang «Antiche danze ed arie per liuto». Bearbeitung oder nicht? Der gespielte Notentext stammte vollumfänglich von Ottorino Respighi (1879–1936); dieser stützte sich mit seinem 1931 entstandenen Opus 172 aber auf alte Sätze des 16. und 17. Jahrhunderts, die er als «freie Transkriptionen» für Streichorchester überarbeitete. Die Laute als Original-Instrument wurde durch relativ viele Pizzicati angedeutet. In der Gesamtstimmung und bei einigen harmonischen Details brach aber doch der Spätromantiker durch, wie es auch die Interpretation mit dem Überwiegen des Fortebereichs unterstrich.

Interessantes zur Kirchengeschichte

Nachdem schon Oswald Iten bei der Begrüssung auf die Baugeschichte hingewiesen hatte, wurden die historischen Erläuterungen durch den Kunsthistoriker Oliver Tschirky von der Kantonalen Denkmalpflege vertieft. Nach Grabungen zu schliessen, existierte am heutigen Standort mindestens seit dem 9. Jahrhundert eine Kirche, also schon lange vor 1243. Möglicherweise blieb sogar ein dort liegender römischer Siedlungsplatz seit der Antike stets bewohnt. Durch zusätzliche Beleuchtung hervorgehoben erlebte das Publikum die gut 500 Jahre alten Fresken der Nordwand (mit der Barockisierung von 1767–1771 leider teils zerstört), den Altar der Rosenkranz-Brüder (zweiter von rechts beim Betrachten aus dem Kirchenschiff), sowie das vordere der Deckengemälde, die eine Hälfte mit den Gläubigen von Antoni Schuler (1775), der obere Teil mit der Segen spendenden Maria 1885 neu übermalt.

Wegen der Coronarestriktionen konnte das Publikum nicht beliebig herumgehen, sodass nur ein kleiner Teil der Malereien gezeigt wurden. Trotz des kräftigen Schlussapplauses gab es keine Zugabe. Das nächste Konzert des Baarer Kammerorchesters findet am 14. Mai im «Dreiklang» Steinhausen statt. (Jürg Röthlisberger)