Der Dorfplatz ist auch eine Strasse

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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In der Gemeinde am Berg, wie Menzingen früher auch genannt wurde, gibt es Adressen mit der Bezeichnung Dorfplatz. Wer dort jedoch einen Platz im herkömmlichen Sinn sucht, geht enttäuscht von dannen.

  • Erstes Bild: historisches Bild vom Dorfplatz Menzingen, abfotografiert aus dem Buch «Menzingen – Die Gemeinde am Berg» von Alois Staub. Auf dem zweiten Bild der heutige Dorfplatz. (Bilder Matthias Jurt)
    Erstes Bild: historisches Bild vom Dorfplatz Menzingen, abfotografiert aus dem Buch «Menzingen – Die Gemeinde am Berg» von Alois Staub. Auf dem zweiten Bild der heutige Dorfplatz. (Bilder Matthias Jurt)

Menzingen – Ein Platz ist gemäss Duden eine grössere freie Fläche. Laut dem Herkunftswörterbuch hat dieses Wort französische Wurzeln und geht auf das lateinische «platea» zurück. Dieser Ausdruck wiederum übersetzt sich als «breite, öffentliche Strasse». Der Dorfplatz in Menzingen entspricht also genau der ursprünglichen Wortbedeutung. Ob die Römer einen solchen Platz wie aktuell in Menzingen gestaltet hätten, ist zu bezweifeln. Der Dorfplatz lebt höchstens an seinen Rändern, denn wer will schon an einem Ort lustwandeln, durch den sich pro Tag rund 7900 Fahrzeuge zwängen?

Der Kanton Zug hat eine «Optimierung der Menzinger Ortsdurchfahrt» in die Wege geleitet. Kostenpunkt: rund 2,3 Millionen Franken. Auf der Website der Baudirektion heisst es vollmundig: «Das Ziel der Sanierung ist es, das Zentrum gestalterisch aufzuwerten und für Fussgängerinnen und Fussgänger attraktiver auszugestalten.» Das Projekt soll nun – nach langer Planungszeit – endlich umgesetzt werden.

Der Verkehr durch Menzingen war nicht immer so stark, wie das historische Bild aus der Zeit um 1900 im Buch «Menzingen – Die Gemeinde am Berg» von Alois Staub zeigt. Für welche Veranstaltung sich die Gemeinde vor mehr als einem Jahrhundert aufgehübscht hat, muss Spekulation bleiben. Fakt ist: Das Bild wäre aktuell nicht mehr möglich. Die Zuger Polizei würde das Werk als Verkehrshindernis einreissen.

Das Tram aus Baar als Individualverkehrsbremse

Auch das Tram, das zwischen 1913 und 1953 die Berggemeinde mit der Lorzenebene verband, könnte längst nicht mehr verkehren, da es die Verkehrsfläche ja mit dem Individualverkehr teilen müsste. Die halbstündlich verkehrenden ZVB-Busse halten heute noch beim ehemaligen Bahnhof auf dem Dorfplatz an und schleppen oftmals eine lange Autoschlange hinter sich her.

Es wäre interessant, wenn sich Hinweise zum Menzinger Dorfplatz aus der Zeit des Untergangs der Alten Ordnung nach dem Einmarsch der Franzosen im Zuge des Zweiten Koalitionskriegs (1798–1802) in die Schweiz finden liessen. In dieser Zeit war die Gemeinde am Berg einer der Brennpunkte einer aufrührerischen Aktion in der Zentralschweiz. Das Ereignis ist denn auch als «Hirthemmli-Aufstand» in die Geschichte ein­gegangen. In Menzingen war der Zimmermann Josef Röllin (1744–1802) ein Kopf der heterogenen Bewegung. Dieser Strömung gehörten, wie Lukas Vogel im Buch «Gegen Herren, Ketzer und Franzosen» herausarbeitet, vor allem Individuen von abseits des Dorfes Menzingen liegenden Gehöften an.

Das Feuer des Aufstands loderte nur einen Tag lang

Der Aufstand in Menzingen fand am 28. April 1799 statt und endete am gleichen Tag im dortigen Rathaus. Einige der Aufrührer flüchteten in Richtung Einsiedeln und in Richtung Schwyz. Die Teilnehmer der Tumulte über den gleichen Kamm zu scheren, wäre jedoch falsch. Ihnen gemein war, dass sich die Aufständischen gegen die Helvetische Republik wehrten. Lukas Vogel schreibt in seinem Buch: «Die starken, aber in ihrer Stossrichtung diffusen Spannungen 1798, die Menzingen durchzogen, erzeugten im günstigen Augenblick ein eher konfuses Geschehen, das entsprechend schnell wieder in sich zusammenfiel.»

An anderen Orten in der Zentralschweiz verliefen die Aufstände nicht immer ohne Schaden. Dass über den Aufstand in Menzingen relativ viel bekannt ist, verdankt die Forschung dem Vorhandensein des Verhörprotokolls von Josef Röllin. Die Helvetische Republik war bereits im Jahre 1803 Geschichte. (Marco Morosoli)

Hinweis
In dieser Serie stellen wir Dorfansichten aus Zuger Gemeinden und ihren Wandel über die Zeit vor.