Sie wollte fliegen und schreiben

Literatur & Gesellschaft

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Die Autorin Trudi von Fellenberg-Bitzi aus Cham veröffentlichte 50 Jahre nach dem Marsch der Frauen auf Bern eine Biografie über dessen Galionsfigur Emilie Lieberherr. Die Autorin selbst führt ein Leben, wie es der Frauenrechtlerin gefallen würde.

  • Die Autorin Trudi von Fellenberg-Bitzi in ihrer Wohnung in Cham. (Bild Stefan Kaiser)
    Die Autorin Trudi von Fellenberg-Bitzi in ihrer Wohnung in Cham. (Bild Stefan Kaiser)

Cham – Als Journalistin traf sie die Frauenrechtlerin Emilie Lieberherr in deren Funktion als Stadträtin an Presseempfängen. Persönlich kennen lernte Trudi von Fellenberg-Bitzi die engagierte Politikerin jedoch an der Hochzeitsfeier von deren Nichte Christina, zu der beide Frauen eingeladen waren. «Die Familie von Emilie Lieberherrs Schwester Lina Bürgi lebte in Zug», erzählt die Autorin. Mit einer ihrer Nichten drückte von Fellenberg-Bitzi gar die Schulbank. «Ihre Biografie würde ich gerne schreiben», sagte sie an der Feier zu Lieberherr. Es sollten jedoch noch viele Jahre vergehen, bis es schliesslich dazu kam.

Dies ist bereits die vierte Biografie, welche von Fellenberg-Bitzi schrieb. Die Weltenbummlerin, die bereits als Kind wusste: «Ich will fliegen und schreiben», ist seit Jugendjahren als Lyrikerin und Autorin von Kurzgeschichten tätig. Die erste Biografie war eine Auftragsarbeit des Arztes und Politikers Guido A. Zäch. Es folgten weitere Werke über die Ingenbohler Ordensfrau und Krankenschwester Liliane Juchli und die Tellerwäscherkarriere des weltweit erfolgreichen Schweizer Industriellen Fritz Bösch. Das Buch über Lieberherr sollte zum 50-Jahr-Jubiläum von deren Protestmarsch nach Bern am 1. März 1969 erscheinen. Das nahm sich die Autorin im Januar 2018 vor (siehe Box). Was sie damals noch nicht wusste, war, dass der Nachlass der Politikerin 92 Kartons füllt, die im Stadtarchiv Zürich untergebracht sind.

Drei Monate Archivarbeit

Statt des geplanten einen Monats verbrachte sie schliesslich deren drei mit der Sichtung sämtlicher Unterlagen in Zürich, studierte Hunderte von Briefen, Reden, Fotografien, Zeitdokumenten und reduzierte die Unterlagen schliesslich auf 32 Ordner. «Oft arbeitete ich zu Hause noch bis zwei oder drei Uhr nachts daran, die Dokumente, die ich tagsüber ausgesondert hatte, zu ordnen», erzählt sie. Die 245-seitige Biografie über die berühmte Frauenrechtlerin schrieb die Autorin anschliessend vorwiegend in der Stille ihres «Hexenhäuschens» in Grü­ningen ZH, welches ihr als Schreibklause diente. Im Buch schildert sie die ­einzelnen Lebensstationen der charismatischen Politikerin chronologisch. Zahlreiche Zeitzeugen, Mitarbeiter, Freunde, aber auch politische Gegner kommen zu Wort. «Es zeigte sich mir das Bild einer sehr selbstbewussten, resoluten, impulsiven und äusserst gutherzigen Frau», stellt von Fellenberg-Bitzi fest. Lieberherr habe alle Bittsteller zu sich ins Büro eingeladen, sodass diese sich oft in einer langen Reihe angestellt hätten. «Niemanden hat sie abgewiesen.» Ihre authentische, mutige, zielgerichtete Art, frei von jeglichen Konventionen und Vorurteilen, habe ihr viele treue Anhängerinnen und Anhänger eingebracht und ihr den Weg in die Politik geebnet. Das Titelbild einer strahlend und ein wenig keck lachenden Lieberherr könnte typischer nicht sein. «Als ich dieses Bild sah, wusste ich sofort, das muss auf den Umschlag.»

Selbst keine ausgesprochene Frauenrechtlerin

Obwohl selbst ein Kind dieser Aufbruchsgeneration, bezeichnet sich von Fellenberg-Bitzi nicht als streng politischen Menschen, auch nicht als Frauenrechtlerin. «Ich hatte nie wirklich Zeit für Politik, habe aber die Frauenrechte als Selbstverständlichkeit gelebt», betont sie. «Als Journalistin begegnet man auch prominenten Menschen auf Augenhöhe.» Dazu gehörten unter anderen der Dalai Lama und der ehemalige Staatspräsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow.

Trudi von Fellenberg-Bitzi sammelte erste journalistische Erfahrungen 1968 während eines Praktikums auf der Redaktion der «Zuger Nachrichten». Anschliessend absolvierte sie eine Handelsschule und mehrere Sprachaufenthalte in Frankreich und England. Gut gerüstet nahm sie eine Stelle als Stewardess bei der Balair an. Die Geschichte dieser Fluggesellschaft zeigte sie 2017 im Buch «Balair – als Fliegen noch Fliegen war» auf. «Ich tat genau das, was ich immer wollte. Ich schaute mir die Welt an, fotografierte, schrieb Geschichten und Gedichte.» Nach einem Lehrgang am Medien-Ausbildungs-Zentrum (MAZ) arbeitete von Fellenberg-Bitzi als Redaktorin und Journalistin bei den Publikationsorganen «Crosstalk», «Annabelle» und der Konzernzeitung der Swissair. Hautnah erlebte sie das Grounding der Fluggesellschaft mit und verlor in dessen Folge ihre Stelle. Auch diese Erlebnisse verarbeitete die Autorin und Journalistin in einem literarischen Werk, in dem sie unter dem Titel «Off Duty – Leben nach Swissair» ehemalige Flight Attendants und Piloten der Swissair porträtierte.

In Zug aufgewachsen, blieb Trudi von Fellenberg-Bitzi ihrer Heimat während ihres turbulenten Lebens stets verbunden. Mit Blick auf den Zugersee vom Fenster ihrer Wohnung im Chamer Alpenblick sagt sie: «Im Herzen bin und bleibe ich immer Zugerin.» (Cornelia Bisch)