Die Kunst der Fuge in Kammerbesetzung

Musik

,

Das Ensemble Montaigne liess in Hünenberg die «Kunst der Fuge» von Johann Sebastian Bach erklingen.

  • Das Ensemble Montaigne spielte im Reformierten Kirchenzentrum Hünenberg. (Bild Stefan Kaiser)
    Das Ensemble Montaigne spielte im Reformierten Kirchenzentrum Hünenberg. (Bild Stefan Kaiser)

Hünenberg – Das Ensemble Montaigne bestand aus 14 überwiegend in der Zentralschweiz wohnhaften technisch souveränen und stilsicheren Berufsmusikern; im Saal des reformierten Kirchenzentrums Hünenberg sassen ungefähr 30 Leute als Publikum, alle mit Gesichtsmaske. So hat sich das Kulturleben verändert, wenn es überhaupt noch stattfindet.

Obwohl sich die Entstehungszeit über fast zehn Jahre erstreckte, gilt «Die Kunst der Fuge» als Abschlusswerk des bedeutendsten Barock-Komponisten Johann Sebastian Bach. Alle hinterlassenen Sätze – je nach Zählweise 14 bis 19 – folgen dem gleichen Thema mit Quint­sprung nach oben oder in der «Inversion» nach unten. Von Bach selber gibt es keine Angaben betreffend Instrumentierung. Die Vierstimmigkeit lässt sich bei ausreichendem pianistischem Können auf einem Tasteninstrument realisieren; für diese Form gibt es auch am meisten Einspielungen auf dem Klavier oder auf dem Cembalo.

Instrumentierung orientiert sich an Anton Webern

Die Bearbeitung des Holländers Jan van Vlijmen (1935–2004) verteilte den Notentext auf 6 Bläser, 5 Streicher und 3 Zupfinstrumente. Thematik, Durchführung und Akkordfolgen blieben praktisch unangetastet. Nur bei der Instrumentierung war feststellbar, wie stark sich van Vlijmen für seine eigenen Kompositionen an der kurzatmigen Atonalität von Anton Webern (1883–1945) orientierte. Schon der allererste Themeneinsatz wurde von der Oboe nur zur Hälfte ausgeführt und dann gleich nahtlos weitergegeben. Auch durch den weiteren Verlauf erfolgten immer wieder abrupte, manchmal schwer nachvollziehbare Instrumentenwechsel, was selbst auf professionellem Niveau einen Dirigenten (Andreas Brenner) erforderte und prompt zu einzelnen Unsicherheiten führte.

Der Eigenname des Ensembles bezieht sich auf den französischen Philosophen und Politiker Michel de Montaigne (1533–1592), der mit seiner Skepsis gegenüber der menschlichen Natur und seinem Willen zur Toleranz in den damals wütenden Hugenotten-Kriegen die Sympathie einiger Ensemble-Mitglieder fand. Johann Sebastian Bach rund 150 Jahre später hat ihn zwar kaum gekannt; aber die Veranstalter haben jedem Fugensatz ein ihnen passend scheinendes Montaigne-Zitat angefügt. Bei einmaligem Anhören war es natürlich kaum möglich, einen Bezug zwischen Musik und Text zu finden: Aber vielleicht veranlasst dies einzelne Leute dazu, im Nachhinein noch einmal gedanklich auf das Konzert-Erlebnis zurückzukommen. Ein weiteres interessantes Detail: 1585 ist Montaigne aus der Stadt Bordeaux geflohen, wo er vorher Bürgermeister war. Grund war die Angst vor einer beginnenden Pestepidemie; die Covid-leeren Konzertsäle der Gegenwart lassen grüssen.

Moderne Instrumente – teilweise barock gespielt

Generell entschied sich der Dirigent für mässige und ausgleichende Tempi. Die Verteilung auf verschiedene klanglich gut unterscheidbare Instrumente erleichterte den Nachvollzug der komplexen Satzstruktur. Aber auch so war für das innerliche Mitgehen innerhalb des stets gleichen Themenkreises Ausdauer gefordert. Dies vor allem in der zweiten Hälfte, als sich das Thema mit seinen Umkehrungen in mannigfaltiger Weise erweiterte. Alle musizierten auf modernen Instrumenten, die Streicher allerdings mit Anklängen an die barocke Spielweise und mehrheitlich ohne Vibrato. Besonders bei Parallelführung wurden sie daher manchmal von den Bläsern übertönt.

Während der Niederschrift des letzten Satzes verlor Johann Sebastian Bach plötzlich den Rest seines Augenlichts und kurze Zeit später starb er. Das erhaltene Original-Manuskript wurde auch so zu Ohren gebracht: Eine Mittelstimme spielte noch wenige Töne, und dann war Stille – einfach plötzlich, ohne Überleitung zu einem Schluss-Akkord. (Jürg Röthlisberger)