Wilde Weihnachten mit Kim

Musik

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Mit Akustikband und ohne grosses Brimborium schuf Popstar Kim Wilde am Freitag in der Chollerhalle eine Vorweihnachtsfeier.

Zug – Wer hätte das gedacht! Kim Wilde sitzt mit Bruder Ricky Wilde und Nichte Scarlett Wilde in weihnachtlichem Dekor auf der Bühne und singt Weihnachtslieder. So banal das klingt, so spektakulär ist es: Denn die (einstige) britische Popikone, die Millionen Fans mit «Kids in America» oder «Keep Me Hanging On» begeisterte, schliesst mit der aktuellen Konzerttour den musikalischen Kreis. Einst begann ihre kometenhafte Karriere genauso im Kreis der Familie. Vater, Bruder und Kim machten schon immer Musik. Bruder Ricky war seit Kindesbeinen auch derjenige, der hinter Kim stand (am Konzert am Freitagabend nannte er sie liebevoll Kimmy) und die ersten Hits schrieb. Das ist alles lange her. Und natürlich war man am Freitagabend in der Chollerhalle gespannt, wie denn nun Kim Wilde im Jahr 2019, kurz vor ihrem 60. Geburtstag, sein würde. Um es kurz zu machen: auf eine rührende Art spektakulär!

Die familiäre Intimität am Freitag, die akustischen Versionen, welche eine unerwartete Zerbrechlichkeit ausstrahlten und keine Stimmfehler zuliessen, diese Kim faszinierte. Kim Wilde nahm die selbstgestellte Herausforderung von «Wilde Winter Acoustic – An Evening Of Hits And Xmas Songs» an und meisterte diese grossartig. Beinahe. Aber der Reihe nach:

Kaum eine Kompilation oder Party-Hit-List, auf der nicht mindestens ein Hit von Kim Wilde vertreten ist. New Wave light mit einem Schuss Rock und ganz viel «nanana» und «ohohoh» Mitsingpotenzial, dafür stand ihre Musik in den 1980er-Jahren. Dazu eine unglaubliche Frisur, atemberaubende Outfits und bombastische Synthie-Beats. Nun sind die Haare kürzer, der Sex-Appeal ist weniger geworden, dafür das Charisma grösser. Zwischen «nanana» und «ohohoh» lassen sich retroperspektiv gesehen teilweise grossartige Texte finden. «View From A Bridge» beispielsweise geht mutig das Thema Suizid an. Kim sang es am Weihnachtskonzertabend taktvollerweise nicht.

Ein gutgelaunter Popstar

Kim Wilde kommentierte jeden ihrer Songs, schäkerte mit dem Publikum sowie Bruder Ricky und schmetterte so ganz nebenbei auch die grossen Hits. Auftakt bildeten ausgewählte Songs aus ihrem 2013er-Album «Wilde Winter Songbook», welches Neuauflagen bekannter Weihnachtshits enthält und diesen Herbst erneut erschienen ist. Von den Kritikern hochgelobt, von den Fans kaum bemerkt – gut, kann man das jetzt noch nachholen.

Dazwischen immer wieder Kim, die erzählt, wie sehr sie Weihnachten liebt, wie sie am Nachmittag am Zugersee spazierte und dass sie Christmas-Shopping mag. Nichte Scarlett – als Backgroundsängerin und zweite Stimme – pflichtet der Tante bei, und so kam es zum lockeren familiären Dialog. Stellenweise hatte man am Konzert effektiv das Gefühl, bei den Wildes im Wohnzimmer zu sitzen. Diese Intimität war aber auch eine Herausforderung für das Publikum, denn stellenweise verspürte man den unbändigen Drang, einfach auf die Bühne zu springen und selbstgemachte Guetsli überbringen zu wollen.

Natürlich durfte auch der Wham-Knaller «Last Christmas» nicht fehlen, das Publikum liebte den Song in der Kim/Ricky-Wilde-Version und sang kräftig mit. Dazwischen immer wieder Perlen, die nie für Hitparadenplatzierungen geschrieben wurden. «New Life» etwa, welches im Jahr 2013 ein Gruss ans noch nicht geborene Kind war. Kim Wilde schaffte es problemlos, auch den alten Klassikern wie «Hey Mr. Snowman» eine zeitgemässe Leichtigkeit zu verpassen, ihre unverkennbare Stimme war dabei immer noch so einzigartig wie damals. Kurz vor der Pause heizten dann Kim und Familie dem ­Publikum so richtig ein: Das düstere, mysteriöse «Cambodia» funktionierte auch ohne dramatische Beats.

Auch die Hits wurden gesungen

Nach der Pause dann weniger Weihnachten und mehr Hits und noch mehr Interaktion, Kim entschied sich, kurzerhand mal im Publikum zu schauen, «wer denn alles so hier ist», und bedankte sich dabei bei allen Fans, die irgendwann mal eine Kim-Wilde-Platte gekauft hatten. «Denn ihr habt dadurch möglich gemacht, dass ich heute hier mit meiner Familie sitzen kann.» Effektiv sass die Familie Wilde praktisch das ganze Konzert hindurch, erst am Schluss, als die Knaller «You Came» und «You Keep Me Hanging On» in neuen Versionen folgten, sang die 59-Jährige stehend, was sich allerdings sofort stimmlich bemerkbar machte; ausgerechnet bei «You Came», einem ihrer grössten Hits, brach die Stimme stellenweise ein. Das Publikum verzieh ihr diesen kleinen Patzer und bedankte sich mit frenetischem Applaus. (Haymo Empl)