Bei ihr stimmt jedes Detail

Brauchtum & Geschichte

,

Hanny Carlen ist eine leidenschaftliche Puppenmacherin. Besonders die Trachten haben es ihr angetan.

  • Rund 100 Stunden investiert die Chamerin Hanny Carlen in jede ihrer Trachtenpuppen. (Bild Stefan Kaiser)
    Rund 100 Stunden investiert die Chamerin Hanny Carlen in jede ihrer Trachtenpuppen. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Hanny Carlen steht in einem Raum voller Puppen, die mit wunderschönen Trachten angezogen sind. Man sieht ihr an, dass dies ihre Leidenschaft ist. Ihre Augen leuchten vor Freude, wenn sie von den Puppen erzählt. «Jede Tracht ist ein Teil der Schweizer Geschichte. Und jeder Kanton hat seine eigenen Vorschriften, wie die Tracht aussehen soll. Dabei ist meistens ausschlaggebend, wo der Kanton liegt und wie wohlhabend er war», erklärt Carlen. Und so sind einige Trachten schmuckvoll verziert und andere sehen viel schlichter aus.

Carlen besitzt von jedem Kanton mindestens eine Puppe, manchmal sogar mehrere. Was sie speziell macht: Die Chamerin fertigt jede Puppe von Hand, angefangen mit den Köpfen. Sie gibt jedem eine eigene Form, giesst sie selber, brennt das Porzellan und bemalt die Köpfe sorgfältig. Das gleiche mit den Gliedmassen. «Ich habe mir alles selber beigebracht. Ich las Bücher und probierte aus. Ich habe viele Fehler gemacht am Anfang, aber ich habe auch viel aus den Fehlern gelernt», erzählt die 65-Jährige.

Eine Tüftlerin

Hanny Carlen hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Angefangen habe sie mit gewöhnlichen Puppen. Dann habe ihr eine Freundin vor 35 Jahren gesagt, sie solle doch Trachtenpuppen fertigen. «Meine erste Trachtenpuppe trug eine Gotthelftracht, da die viele kennen. Danach war mein Interesse geweckt und seither habe ich nichts anderes gemacht», schwärmt Carlen.

Jede der Figuren ist in einem Massstab 1:3 gemäss der Masse eines Menschen gefertigt. Das heisst, auch alle Accessoires und Kleidungsstücke sind dem Original nachempfunden. Sogar die Unterwäsche. «Ich versuche, alle Materialien originalgetreu einzusetzen und herzustellen», berichtet sie. Manchmal müsse sie auch improvisieren. «Dann nehme ich beispielsweise statt Holz Karton, trotzdem sieht es echt aus.» Das, was ihr am besten an ihrer Arbeit gefällt, ist das Tüfteln. Immer wieder muss sie neue Wege finden, die Puppen so echt wie möglich aussehen zu lassen. Aber auch die Hintergründe der Trachten findet sie interessant. «Jede Tracht hat ihre eigene Geschichte, und ich liebe es, diese zu ergründen», sagt Carlen.

Sie scheut keinen Aufwand

Ihre Ideen nimmt Hanny Carlen dabei aus Trachtenbüchern, die im ganzen Atelier verteilt sind. Wenn sie eine Tracht interessant findet, dann wird ein Modell aufgesucht, das das Original trägt. Anschliessend wird die Tracht ausgemessen gemäss Massstab verkleinert. Die Grösse 42 sei ideal dafür. Als nächstes folgt die Materialsuche. «Manchmal bin ich Jahre damit beschäftigt, die spezifischen Materialien für die Puppen zu finden», erklärt sie. Und ganz egal, ob es bestimmte Perlen oder Stoffe sind, die Chamerin spürt sie irgendwann auf. Und dabei scheut sie keine Kosten. Da sind beispielsweise handgefertigte Knöpfe, die sie speziell bestellen musste. Ein Knopf ist etwa so gross wie der Nagel des kleinen Fingers. Insgesamt braucht sie 16 Stück. Der Preis: 68 Franken. Wieder andere haben Schmuck auf den Kleidungsstücken, der aus echtem Silber und Gold ist.

Wie finanziert sie diese kostspielige Tätigkeit? «Ich verkaufe nicht viele Puppen», sagt sie. Nur ein ganz kleiner Kreis sei interessiert an einem Kauf. «Früher habe ich viele Kurse gegeben und meine Arbeit damit finanziert», berichtet Carlen. Damals arbeitete sie rund 70 Stunden pro Woche an den Puppen und unterrichtete andere. Daneben hat sie noch einen Haushalt mit zwei Töchtern geführt.

Ausstellung in der Bibliothek

Doch die Arbeit ist ihre grosse Leidenschaft, und das sieht man jeder Puppe an. Eine Lieblingspuppe hat sie nicht. «Jede ist meine Lieblingspuppe, wenn sie fertig ist», sagt Carlen schmunzelnd. Dabei braucht sie für die einzelnen je nach Tracht unterschiedlich lang. «Aber mindestens 100 Stunden investiere ich immer», ergänzt sie.

Wenn die Puppen dann fertig sind, werden sie im Atelier ausgestellt. Doch im Moment sind viele der Werke sorgfältig in Kisten verpackt. Denn in der Stadt- und Kantonsbibliothek Zug findet von heute an bis zum 7. November eine Ausstellung mit den Puppen statt. Diese ist nicht die erste Ausstellung von Carlen. Doch sie ist trotzdem aufgeregt: «Ich freue mich darauf, dieses Handwerk Leuten, die damit nicht so vertraut sind, näherzubringen und sie hoffentlich auch dafür begeistern zu können.» (Aline Zengaffinen)