Klischees – auf Herz und Nieren geprüft
Dies & Das
Dass sich ein Kanton gern von der Sonnenseite zeigt, ist klar. Die Sonderausstellung «Kirschen, Krypto und Klischees» macht es anders und stellt sich den Vorurteilen.
Zug – Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe 2025. Hier geht es zu den weiteren Artikeln.
«Du bist sicher reich.» Wer kennt sie nicht, die unaufgeforderte Antwort auf die Aussage, dass man aus dem Kanton Zug komme. Es ist eines der Klischees, die den meisten nur noch ein müdes Lächeln entlockt. Auch die Haltung, dass in Zug nie was los sei, dürfte den meisten Einwohner*innen vertraut sein. – Vielleicht sogar von sich selbst. Während der diesjährigen Zuger Messe werden solche Vorurteile an der Sonderausstellung «Kirschen, Krypto und Klischees» ausgebeinelt. Fahren hier wirklich alle Porsche? Zahlt man Gipfeli tatsächlich in Bitcoin? Und stimmt es, dass in Zug mehr Briefkastenfirmen als Wohnungen existieren? Und falls ja: Wie kam es dazu? Die Ausstellung entstand im Rahmen des Zürcher Sechseläutens, bei dem Zug 2025 Gastkanton war. Nun erlebt sie in Zug ein Revival, denn, so finden ihre Macher*innen, es wäre doch schade, sie der Zuger Bevölkerung vorzuenthalten.
Die Projektleiterin Nicolette Theiler sowie die Kommunikationsverantwortliche Laura Hürlimann sprachen mit uns über vermeintliches Bashing und persönliche Lieblingsklischees.
Die Ausstellung «Kirschen, Krypto und Klischees» wird im Oktober an der Zuger Messe als Sonderausstellung gezeigt. Ursprünglich stand sie in Zürich im Rahmen des Sechseläutens. Wie kam es dazu?
Nicolette Theiler: Volkswirtschaftsdirektorin und OK-Präsidentin Silvia Thalmann hat mich damals angefragt, ob ich Interesse hätte, die Verantwortung über das Projekt «Gastkanton Zug» beim Sechseläuten zu übernehmen. Ich sagte gleich zu. Den Kanton in einem anderen Kanton zu vertreten, empfinde ich als grosse Ehre. Also begann ich, ein möglichst vielfältiges Team zusammenzustellen. Bewusst wählte ich auch Leute, mit denen ich in der Vergangenheit bereits gut zusammengearbeitet hatte. Neben Laura Hürlimann und Rafael Casaulta von der Agentur Gäggeligääl kamen Remo Hegglin hinzu, der sich um den «Zug zum Feuer»-Umzug sowie um Texte und Moderation kümmerte, zudem Anja Hartmann für die Organisation des Kinderumzugs und Martin Himmelsbach für die Musik-Programmation. Die Koordination mit den kantonalen Stellen übernahm Alexander Kyburz. Es ist ein kleines Team, aber ein sehr professionelles. Die Konstellation hat sich bewährt.
Die Ausstellung beleuchtet nicht nur die Seiten Zugs, die man gerne präsentiert, sondern auch Vorurteile über den Kanton und seine Bewohner*innen. Dieser Ansatz behagte nicht allen. Im Frühjahr äusserte ein SVP- Kantonsrat in einem Vorstoss die Befürchtung, dass der Gastauftritt zum «Zug-Bashing» verkomme. Ist das passiert?
Theiler: Absolut nicht. Wir haben genau das Gegenteil von Zug-Bashing gemacht. Wir haben die Klischees aufgenommen, um sie zu hinterfragen, und diesen, zumindest zum Teil, entgegenzuwirken. Gewisse Dinge hingegen sind, wie sie sind. Die lassen sich nicht schönreden.
Laura Hürlimann: Der Titel mag zwar vielleicht auf den ersten Blick nach Bashing klingen. Doch warum sollten wir Zug negativ darstellen wollen? Dafür gibt es keinen Grund. Dazu kommt: Wir alle aus dem OK wohnen und arbeiten hier. Uns allen liegt Zug am Herzen.
Theiler: Vielmehr gründete die Idee, mit Klischees zu arbeiten, auf einer Diskussion während der Konzeptionsphase. Wir sprachen darüber, wie unfair Zug von aussen oft dargestellt wird, meist hört man ja nur Negatives. Was Zug hingegen wirklich ausmacht, wird selten in den Medien thematisiert. Das hat uns gestört, denn wir sehen den Kanton ganz anders. Also nahmen wir all unseren Mut zusammen und widmeten uns ganz bewusst diesen Vorurteilen.
Das hat Mut gebraucht?
Theiler: Ja. Die meisten Gastkantone beim Sechseläuten präsentierten sich sehr klassisch. Wir hingegen wollten modern, fröhlich und frisch daherkommen, sowohl inhaltlich als auch vom Design her. Ebenso war uns wichtig, dass die Ausstellung niederschwellig wird. Ob das bei der Zuger Regierung gut ankommen würde, wussten wir jedoch nicht. Das Thema hätte Bedenken hervorrufen können im Sinne von: «Lieber keine schlafenden Hunde wecken». Doch dem war überhaupt nicht so. Wir erhielten freie Hand. Dieses Vertrauen schätze ich sehr.
«Kirschen, Krypto und Klischees» will Vorurteile über den Kanton Zug euren Angaben zufolge mit «einem Augenzwinkern» beleuchten. Inwiefern spielt darin Humor eine Rolle?
Hürlimann: Humor ist immer eine Gratwanderung. Wir wollten nicht, dass das Projekt ins Lächerliche kippt. Darum benutzen wir lieber den Begriff «mit einem Augenzwinkern». Wir nehmen den Kanton Zug ernst. Doch er darf auch über sich selbst lachen. Ich sah auf dem Lindenplatz bei der Ausstellung sehr viele Leute, die schmunzeln mussten. Es ist ja beispielsweise schon schräg, dass der Rötel, also ein Fisch, früher in Zug als Zahlungsmittel verwendet wurde, während man mittlerweile an gewissen Orten mit Bitcoin zahlen kann. Es ist doch spannend, wie sich das verändert hat.
Die Ausstellung wird in derselben Form wie in Zürich bald auch an der Zuger Messe gezeigt. Warum hat man sich für dieses Revival entschieden?
Hürlimann: Wir haben bereits früh beim Konzeptuieren gemerkt, dass das ein Thema ist, das längst nicht nur Auswärtige interessieren dürfte. Wir fanden deshalb: Das müssen auch die Zuger*innen sehen! Und weil wohl nur wenige von ihnen den Weg auf den Zürcher Lindenhof gefunden haben, zeigen wir die Ausstellung nun auch noch an der Zuger Messe. Wie beim Sechseläuten ist auch hier Zug Tourismus wieder mit im Boot. Die Ausstellung passt thematisch sehr gut und es gibt viele Synergien, die man nutzen kann. Sie sind die besten Ansprechpartner, wenn es um stimmungsvolle Orte, gute Restaurants, Geheimtipps und Ausflugsideen geht.
Theiler: Die Nachhaltigkeit ist ein weiterer Grund, warum wir die Ausstellung sehr gerne noch einmal zeigen wollen. Dieses Thema beschäftigte uns schon bei der Konzeptuierung von «Gastkanton Zug». Dass wir die Ausstellung nun noch einmal verwenden können, noch einmal zeigen können, entspricht diesem Gedanken sehr. Ein neues Element wird es bei der Ausstellung an der Zuger Messe jedoch auch noch geben.
Ja?
Hürlimann: An der kommenden Ausstellung können sich die Zuger*innen aktiver einbringen, indem sie über gewisse Aussagen abstimmen können. Zum Beispiel: Ich fahre Velo, oder, ich fahre Porsche. Die eigene Antwort darf mit einem Button angebracht werden, sodass am Schluss ein – nichtrepräsentatives – Bild der Gesellschaft abzulesen ist.
Apropos Porsche-Fahren: Welches ist euer Lieblingsklischee über Zug?
Hürlimann: Für mich ist es jenes, dass in Zug nie was los ist. Schlicht, weil es nicht zutrifft. Es ist ein Thema, das mir äusserst wichtig ist. Mit meiner Arbeit und verschiedenen weiteren Engagements versuche ich, alles dafür zu tun, dass dieses Denken endlich aus den Köpfen der Leute verschwindet.
Theiler: Mein Lieblingsklischee ist: «In Zug schwimmen sie im Geld.» Ich habe früher bei der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug (GGZ) gearbeitet. Ich weiss also sehr gut, dass es sehr viele Leute gibt, auf die dieses Klischee nicht zutrifft. Ein grosser Teil der Zuger*innen gehört dem Mittelstand an, ausserdem gibt es durchaus Menschen, die am Existenzminimum leben. Die Wohnungssituation in Zug stimmt mich entsprechend nachdenklich.
Text: Valeria Wieser