«Ich möchte mein Wissen weitergeben»

Kunst & Baukultur

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Der Kurator des Kunsthauses Zug, Marco Obrist, geht vorzeitig in Pension – und blickt auf eine spannende Tätigkeit zurück.

Zug – «Es ist schön, dass ich mit der Ausstellung von Jan Jedlička aufhören kann», sagt Marco Obrist im Gespräch dieser Tage in Zug. Offiziell geht er Ende Februar. Neben einigen aktuellen Anlässen arbeitet er momentan noch an einem Buch über Jan Jedlička, dessen Werke an der von ihm kuratierten Ausstellung bis 16. April im Kunsthaus Zug zu sehen sind. «Wir sind beim Buch in den letzten Zügen. Für die Recherche habe ich seine grosse Ausstellung in Prag besucht», sagt Obrist und ergänzt, dass er Jedličkas Kunst schon lange gekannt hat. Sein Œuvre passe optimal zur Ausrichtung des Kunsthauses im Spannungsfeld zwischen der Klassischen Moderne und der Gegenwart, das sich insbesondere dem ungarisch-österreichischen Kulturkreis widme.

Heute kann der in Graubünden aufgewachsene Marco Obrist auf einen interessanten Weg zurückblicken: Neben dem Studium von Kunst- und Architekturgeschichte, Ur- und Früh­geschichte und der Promotion arbeitete der 62-Jährige in ­Museen, entschied sich jedoch nicht für die Historie. «Ich ­wollte nicht mit alten Objekten arbeiten, obwohl es spannend ist, ein Stück in der Hand zu halten, das jemand vor 5000 Jahren hergestellt hat.»

Dennoch wünschte sich Obrist damals mehr Praxisbezug mit lebenden Kunstschaffenden. «Indem ich für sie Ausstellungen organisiere, erfahre ich ihre Sicht auf die Welt, was auch mit ihrer kulturellen Geografie zusammenhängt.» Seine erste Stelle fand er Im Kunstmuseum Winterthur, wo er fünf Jahre blieb. Danach wirkte er einige Zeit als freischaffender Kurator und Kunsthistoriker beispielsweise in Mailand, Paris und Chur, wo er viele Jahre dem Vorstand des Bündner Kunstvereins angehörte, sowie als Juror an Kunstwettbewerben.

Die Sammlung bietet Möglichkeiten

«Als ich 2006 nach Zug kam, war das 1990 eröffnete Kunsthaus eine relativ junge Institution. Wichtig war schon damals die Stiftung Sammlung Kamm mit ihrem grossen Schatz an Werken der Wiener Moderne. Sie gilt als die bedeutendste Kollektion ausserhalb Österreichs in Europa», sagt Marco Obrist. Die Arbeit sei manchmal über das 80-Prozent-Pensum hinausgegangen, das habe ihn nicht gestört. Und dass er so quasi als Mädchen für alles im Einsatz gestanden sei, habe Vor- und Nachteile gehabt, denn in einer kleinen Institution könne man breiter mitarbeiten.

Die Aufgaben des Kurators sind umfangreich: Er ist für den einwandfreien Zustand der ihm anvertrauten Kunstwerke verantwortlich, muss sie katalogisieren, wissenschaftlich erforschen und präsentieren. Besonders das Mitentwickeln von Ideen für Ausstellungen hat ihm Freude bereitet. «Das ist ein wichtiger Teil, dann kommt die Frage: Wer macht was?» Vor allem die grosse Sammlung biete viele Möglichkeiten zu spannenden Ausstellungen, zusammen mit inländischen oder ausländischen ­Partnern. So habe das Lausanner Kunstmuseum dank den Leih­gaben aus Zug die erste Ausstellung der Wiener Moderne in der Romandie organisieren können. «Danach wurden hier viele Besucher aus der Westschweiz ­gezählt.» Wenn Kontakte beständen, könne man dank den gegenseitigen Ausleihen die eigenen Werke in Dialog zu den ausgeliehenen stellen und so neue Besucherströme gewinnen.

Rückblickend bezeichnet Marco Obrist die Ausstellungen über den amerikanischen Postminimalisten Richard Tuttle und die walisische Objektkünstlerin Bethan Huws als Höhepunkte seiner Zuger Zeit. «Für grosse Projekte wie die Ausstellung über die Linie haben wir auch mit externen Leuten zusammengearbeitet.» Obrist gibt zu bedenken, dass man aber nicht nur mit der Sammlung, den Werken der Schweizer Surrealisten und Fantasten sowie den Plastiken arbeiten könne, sondern dem Publikum immer wieder Neues bieten müsse. «Doch es gibt in der Sammlung so viele Orte, wo man thematisch ansetzen kann.»

Das Kunsthaus hat Potenzial

«Seit ich hier bin, ist das Kunsthaus Zug gewachsen, und zwar in allen Bereichen. Es hat grosses Potenzial», ist Obrist überzeugt. Ihm ist bewusst, dass sich die Museen dem Zeitgeist anpassen und offen für neue Trends sein müssen. «Das Œuvre der älteren Kunstschaffenden kennen viele junge Menschen heute nicht. Wir sollten sie auch den neuen ­Generationen vorstellen und ihnen ihre Geschichte vermitteln. Dafür gilt es, neue Formen zu finden.» Die Coronazeit, ­Digitalisierung und Globalisierung hätten zu markanten Veränderungen geführt. «Das ­beschert uns heute zwar viele virtuelle Techniken, diese Eindrücke sind aber flüchtiger, als wenn man einem Kunstwerk direkt gegenübersteht.»

Wie Marco Obrist betont, habe die Ausrichtung des Kunsthauses vieles ermöglicht: «Das war auch der Grund, dass ich so lange geblieben bin.» Er nennt private Gründe für den Weggang. Auch wenn er jetzt geht, wird er sich weiterhin mit Kunst beschäftigen: «Die Zwänge des Alltags fallen weg. Ich möchte mein Wissen weitergeben und künftig schaffen, was ich will.» (Text von Monika Wegmann)

Hinweis

«Einblicke», Gespräch mit Manfred Eicher, Musikproduzent ECM Records, Manfred Papst, Kunstkritiker NZZ, und Marco Obrist über die Zusammenarbeit mit Jan Jedlička, seine Kunst und die von ihm entworfenen Plattencover: Montag, 20. Februar, 19 Uhr, Kunsthaus Zug.