Von «Suufludis und Bundesfusel»

Theater & Tanz

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Die Historische Sammlung Risch mit ihren rund 3000 Objekten wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

  • Theaterführung durch die Historische Sammlung Risch: Judith Stadlin in der Rolle der «Lindenwirtin» Martha Holzgang hatte wenig Freude an den «scheinheiligen Schnapsvögten». (Bild Mathias Blattmann)
    Theaterführung durch die Historische Sammlung Risch: Judith Stadlin in der Rolle der «Lindenwirtin» Martha Holzgang hatte wenig Freude an den «scheinheiligen Schnapsvögten». (Bild Mathias Blattmann)

Rotkreuz – Ja, es geht – auch – um Alkohol und Schnapsgeschichten: So jedenfalls kündigte sich die erste Führung durch die Historische Sammlung Risch an. Sie wurde 2002 vom privaten Sammler Jakob Meierhans der Gemeinde geschenkt und ab 2014 in der umgenutzten Zivilschutzanlage neben der Bibliothek Rotkreuz gelagert. Die Sammlungskuratorin Iris Blum ist seit 2020 dabei, die circa 3000 Objekte aus Haus- und Landwirtschaft der Zeitperiode 1850 bis 1950 zu inventarisieren und digitalisieren.

Im Foyer der Bibliothek Rotkreuz trafen sich am Sonntagmorgen etwa 25 Interessierte. Sie wurden begrüsst von Philipp Suter, verantwortlich für die Abteilung Bildung/Kultur der Gemeinde, und von Iris Blum, die neben ihrer Tätigkeit als Kuratorin auch einen Vermittlungsauftrag hat, nämlich die Sammlung einem grösseren Publikum zugänglich zu machen – als Schaudepot.

Schnaps – ein guter Aufhänger

Das Thema «Schnapsgeschichten» eigne sich als Aufhänger für die ersten Führungen im Herbst-Winter 2023-2024 sehr gut, so Blum, denn in der Sammlung gäbe es viele Objekte, die mit der bäuerlichen Schnapsbrennerei zu tun haben. «Zwischen Schnapsfässern und Alkoholspindeln werden uns auch leibhaftige Figuren aus der Region Ennetsee begegnen, die Geschichte und Geschichten um den Alkohol geschrieben haben», verhiess Suter eine weitere Attraktion der Führung.

Und so begann eine circa einstündige Reise in die Vergangenheit eines ländlichen Risch – halb wissenschaftlich, halb theatral. In einem kleinen Eingangsraum ging es zunächst darum, dem Publikum die kuratorischen Aufgaben nahezubringen: Ein «Abc» an den Wänden zählte Fachbegriffe wie etwa «Akzession, Flickwerk, Handschuhe, Inventarnummer, Provenienz, Restaurierung, Schadstoffe, Transport oder Zinnpest» auf; in den Vitrinen darunter lagen als handgreifliche Zeugen geflickte Objekte und Flickwerkzeuge.

Im Herz der Ausstellung, einem weiten Raum, fasste Blum die Geschichte der Sammlung kurz zusammen, erwähnte Marie Kuster-Durrer, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Seehof betrieb und das «Rössli» führte, 1943 aber an den Meisterknecht Otto Meierhans verkaufte, dessen Sohn Jakob später die Sammlung begründete. Dann aber tauchte neben Blum plötzlich eine Putzfrau mit riesigem, farbigem Staubwedel auf – die Schauspielerin Judith Stadlin als «Frau Beerli». Eifrig und handfest belehrte sie die Zuhörenden: Wie wichtig das «Klima» in einer Sammlung sei; unter 13 Grad gäbe es die Zinnpest, das Publikum dürfe keine Motten hereintragen, und der Holzwurm sei ein Problem! Iris Blum ergänzte mit wissenschaftlichen Facts.

Im dritten Raum durfte das Publikum staunen über alte Haushaltsgeräte: Kaffeemühle, Butterfässli, Reisekoffer, Spazierstöcke und – den ersten gebührenpflichtigen Abfallsack. Blum schilderte, wie man von einigen Objekten sehr viel Information habe – beispielsweise von einer alten Schnapsflasche von der Landi 1939 –, von anderen nur wenige oder keine.

«Volkspest» und «Elendstrinkerei»

Im vierten Raum wurde das Theaterelement zentral: Breitbeinig, in Knickerbockers und roter Mütze, las Stadlin alias der junge Hugo Durrer aus einem Brief vor, den er aus «Mostindien» Ennetsee an die Eltern in Luzern schrieb. Seine Erinnerungen an die Sommerferien auf dem Hof seiner «Tante Marie» sind voller Bilder – Heumahd, Mäuse und Ringelnattern, Apfel- und Birnensorten, Tresterstöckli und betrunkene Hühner.

Zurück im grossen Zentrumsraum, stand das Thema «Schnapsgeschichte» im Zentrum. Blum erzählte von der «Volkspest» Alkohol, der «Elendstrinkerei» der Schweizer Landbevölkerung im 19. Jahrhunderts, der Gründung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung 1887 zur Bewältigung der «Alkoholfrage», von Aufklärungskampagnen, Mässigkeits- und Abstinenzvereinen. Stadlin aber schlüpfte in die Rolle der «Lindenwirtin» Martha Holzgang, die an den «scheinheiligen Schnapsvögten» des Bundes keine Freude hatte.

In dieser wissenschaftlich-theatralen Kombination – zwischen Objektivität und Stellungnahme – wurde lokale Vergangenheit auf einmalige Art und Weise erinnert, wiederbelebt und hautnah erfahrbar gemacht. (Text von Dorotea Bitterli)

 

Hinweis Weitere Führungen: Freie Plätze hat es noch für Samstag, 13. Januar, 10.30 Uhr, und Samstag, 27. Januar, 10.30 Uhr. Eintritt frei. Anmeldung erforderlich: administration@schulerisch.ch. Fragen und telefonische Anmeldung: Fabienne Buser, 041 798 09 20.