Eine Messe mit Italien-Flair

Musik

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Der Zuger Singkreis feierte, mit Instrumental- und Vokalsolisten und unter der Leitung von Dirigentin Daniela Brantschen, sein 40-Jahre-Jubiläum mit Gioachino Rossinis «Messe Solennelle».

  • Der Auftritt zieht viele Besucherinnen und Besucher an.
    Der Auftritt zieht viele Besucherinnen und Besucher an.

Oberwil b. Zug – Die Oberwiler Kirche Bruder Klaus füllte sich am Samstagabend fast ganz. Um Schlag acht betraten die etwa 35 Sängerinnen und Sänger des 40-jährigen Zuger Singkreises die Podien im Altarraum, stellten sich auf und blickten erwartungsvoll ins Publikum. Stille. Erwartung. Es waren sie, die an diesem Abend vor allem gefeiert wurden – sie hatten während vier Jahrzehnten über Stock und Stein und viele Wechsel zusammengehalten. Gegründet und lange geleitet von Markus Etterlin, mauserten sie sich von «Amor-Sängern» am Chrööpfelimee zu einem anspruchsvollen Chor, der sich jährlich ein Programm vornimmt, das mal weltlich, mal geistlich ist.

Die Liste der bisher gesungenen Werke auf der Chor-Website zählt alle klassischen Komponistennamen auf, von Palestrina, Bach, Händel, Buxtehude, über Haydn, Beethoven, Mozart, Brahms, Verdi, Schubert, bis zu Dvořák, Janáček, Orff, Fauré, Hindemith, und so fort. Es gab aber auch Programme mit Renaissance-, Volks- oder Liebesliedern, mit Ukraine-Weihnachtsliedern oder English Christmas Carols, mit Songs aus Jazz, Swing oder Latin; dafür arbeitete der Chor mit Instrumental-Formationen und Solokünstlern zusammen. Zu Jubiläen kreierte er spezielle Projekte, wie 1994 «zu-ge-hört», eine Begegnung von Musik (Mani Plazer) und Text (Max Huwiler), oder 2004 «Elementarfantasien» von Paul-André Läng.

Der Zuger Singkreis beeindruckt also durch ein lustvolles Hin und Her zwischen Sparten und Stilen, Heiligem und Profanem, Hier und Dort. Was passt da besser als Gioachino Rossinis «Petite Messe Solennelle» (1863), um den 40-jährigen Chorgeburtstag feierlich-heiter-dramatisch zu begehen?

Ungetrennte Ebenen

Denn dass die «kleine Messe» des Opera-buffa-Komponisten Rossini sehr viel Weltlichkeit und menschliche Herzenserregungen mit geistlicher Ergriffenheit und Frömmigkeit verbindet, wurde im Oberwiler Konzert gut herausgearbeitet. Halb Messe, halb Oper, so dachte man beim Zuhören immer wieder. Mensch und Gott, das Erhabene und das Irdische – ungetrennt. Sehr römisch-katholisch, mit italienischem Temperament. Dafür standen gleichsam die beiden Instrumente: das Harmonium (Riccardo Quadri), das mittels seiner vielen Register wie eine Mini-Orgel funktionierte und mit langgezogenen Akkorden feierliche ­Majestät und tiefinnere Mystik zelebrierte, und das Klavier ­(Ismaele Gatti), das virtuos perlend oder hüpfend den Solostimmen fröhliche oder romantische Gefühle unterlegte, aber auch mit gewaltigen Akkorden Seelenstürme illustrierte.

Die beiden Organisten aus Como passten zu ihren Instrumenten: Quadri ernst und tief und sehr sensibel, und Gatti mit hochschäumender Energie, die einerseits mitriss, andrerseits lautstärkenmässig gelegentlich zu stark dominierte. Dirigentin Daniela Brantschen hatte eine Bewegung ihrer linken Hand parat, um diese Italianità im Zaum zu halten.

Überhaupt der «Hände-Tanz» der Dirigentin, die sowohl Chor- als auch Orchesterleitung beherrscht. Ihre Bewegungen schienen weniger dazu da, den Takt anzugeben, als die musikalischen Emotionen einzufangen und für ihr Ensemble sichtbar zu machen. Mit oft offenen Handflächen «strich» oder «streichelte» sie den Ton, hob ihn hoch, besänftigte ihn wieder. Hände wie Wellen – mit ausgestreckten Armen an den grandiosen Stellen, mit zurückgenommener, minimaler Gestik in intimen Momenten oder bei solistischen Einsätzen. Musikalische Empfindungen empfindsam in Dirigat umgesetzt.

Brantschen setzte sich zur Seite, wenn die vier Gesangssolisten ihre Solopartien darboten. Das «Domine Deus» des Tenors von Remy Burnens, einer sehr schönen Stimme, klang ein wenig wie ein romantisches Liebeslied oder die Arie eines Liebhabers in der Oper, fast fröhlich-dramatisch auf dem emotionalen Höhepunkt.

Dramatische Glanzlichter

Im Dialog mit dem Klavier, über seinen hüpfenden Arpeggi, spiegelte Flurin Caduffs warmer Bassbariton die Majestät des Allerhöchsten im «Tu solus altissimus». Der timbrierte, vibrierende Sopran von Anika Defuns und die samtenere Altstimme von Anna Nero ergänzten einander perfekt im Duett «Qui tollis». Defuns brillierte gegen Schluss nochmals allein im «O salutaris hostia» mit einem intimen, geheimnisvollen, fast dolorösen Vortrag mit dramatischen Glanzlichtern im Mittelteil.

Das Geburtstagskind, der Chor, folgte der anspruchsvollen Partitur Rossinis und Brantschens Dirigat beweglich und mit innerem Feuer. Schöne, überzeugende Vielstimmigkeit. Am Ende stand das Publikum auf und klatschte stürmisch. (Text von Dorotea Bitterli)