Spiralentanz, Oud-Spieler, verletzter Orient

Theater & Tanz, Musik

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Die Ausgabe 2022 der 3KlangTage Zug im Burgbachkeller stand unter dem Titel «Patterns Of Light».

  • 3KlangTage im Zuger Burgbachkeller. Im Bild die Tänzerin Ayako Kato. (Bild Matthias Jurt)
    3KlangTage im Zuger Burgbachkeller. Im Bild die Tänzerin Ayako Kato. (Bild Matthias Jurt)

Zug – «Im fiktiven und realen Raum, im Zwischenraum, begegnen und widerspiegeln sich unterschiedliche Stimmen und Perspektiven.» So waren die 3KlangTage Zug 2022 auf der Website des Burgbachkellers angekündigt. Das Programm, das dieses Jahr unter dem Motto «Patterns Of Light» stand, wollte das Publikum mitnehmen in ein künstlerisches Netzwerk, das vor allem von Frauen geknüpft sei.

Die Begegnung zwischen «Ort» und «Ferne» sind den 3KlangTagen immanent: Ob Installationen oder Videos, Malerei oder Elektronik, Saxofon-, Klavier-, Akkordeon-, Kontrabass- oder Posaunenklänge, Tänze oder Performances, es trafen sich damit zirka 15 Künstlerinnen und Künstler aus Kroatien, Tschechien, Griechenland, Syrien, Palästina, Japan, den USA und der Schweiz.

Flucht und Elend und die Musik

Nach vier Jahren Pause sei das neue Programm «langsam und aus der Stille» entstanden, erzählte Hildegard Kleeb, die Initiantin und Projektleiterin, im Foyer des Burgbachkellers dem Publikum am letzten Abend, der stark auf die Migrationsthematik im Mittelmeer fokussiert schien. In der Pause sollte es zu arabischem Gebäck und Tee Oud-Melodien geben, und für nach den Vorführungen wurde den Interessierten eine syrische Linsensuppe versprochen. In einer Foyerecke stimmte der Oud-Spieler Qais Mohammad Al Yousef bereits sein Instrument, umgeben von Mutter, Bruder und Schwester. 2013 musste der jetzt 26-Jährige wegen des Kriegs Syrien verlassen, seit zwei Jahren lebt er mit seiner Familie in der Schweiz und bringt sich seither autodidaktisch das Oud-Spiel bei.

Sofort entstand eine Stimmung, die zärtlich, tastend, unsicher, melancholisch war, so wie die Suche des Spielers nach den ersten Tönen. So wie seine «Suche nach einer Melodie», wie Kleeb es nannte. Später in der Teepause würde sich diese Atmosphäre noch vertiefen: Welche Musik stellt sich ein, wenn man Krieg und Flucht erlebt hat? Die Verwundung hing im Raum.

Zunächst aber ging es ins Schwarz-Weiss des Burgbachkellers, dessen Auftrittsfläche stark vergrössert und im Hintergrund durch eine Leinwand begrenzt war, vor der ein kreisrundes metallenes Wasserbecken lag. Sieben gefüllte Wasserflaschen und eine silberne Teekanne schimmerten, verteilt über den Boden, in den weissen Lichtstreifen, die das Dunkel nur spärlich aufhellten. «Patterns Of Light», Lichtmuster.

Dann dreiteilte sich der Raum: Während der Posaunist Roland Dahinden (CH) und der Saxofonist Radim Hanousek (CZE) an den beiden Seitenwänden Platz nahmen, legte sich die japanische Choreografin Ayako Kato in die dunkle Mitte.

Dort begann die gemeinsame Improvisation «Thoughts Of Spirals» (Spiralengedanken). Mit atmenden Geräuschen aus der Posaune, langen feinen Tonfäden aus dem Saxofon und einem zarten Händespiel der auf dem Rücken liegenden Frau. Immer wieder Pausen, viel Zeitraum, viel Stille. Die 50-minütige Performance entwickelte tatsächlich Spiralen – in den Körperbewegungen der Tänzerin, im Wechsel zwischen gesammelter Introvertiertheit und veräussernden Schwüngen, in den sich hoch- und niederschraubenden Geräuschen und Klängen, im glitzernd tröpfelnden Wasser aus den Flaschen, die Ayako Kato nach und nach ins Metallbecken leerte, in den auf die Leinwand projizierten Wellenkreisen. Am Ende sank die Spirale dorthin zurück, wo sie begonnen hatte.

Der zweite Teil des Abends war dem Film «Chronicles Of That Time» von Maria Iorio und Raphaël Cuomo (CH) gewidmet. Er verfolgt die Spur einer arabischen Melodie, die Abdelhamid, ein tunesischer Saisonarbeiter, für die beiden Filmemacher vor 15 Jahren gesungen hat.Der Film lebt vom «Dazwischen»: zwischen damals und heute, zwischen dem einst blühenden mittelmeerischen Kultur- und Wirtschaftsraum und dem aktuellen Migrationselend, zwischen der nordafrikanischen Küste und den süditalienischen Flüchtlingscamps. Ein wunderschönes antikes Mosaik mit mediterranen Fischermotiven aus dem archäologischen Museum in Sousse (Tunesien) war Vorbild für eine aus Erinnerungsscherben zusammengesetzte Chronik der Zeit. (Text von Dorotea Bitterli)