Beats, Ballermann und etwas Balkan

Musik

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Die Zuger Stubete Gäng vermengt auch auf dem dritten, morgen erscheinenden Album zahlreiche Genres. Das ist spassig und bedient die Erwartungen der Fans. Doch steht «Hoodie Gääggeler» auch für künstlerischen Stillstand.

  • Machen weiterhin einen (etwas erweiterten) Stilmix, welcher den bisherigen Erfolg ausmachte: die Stubete Gäng. (Bild PD)
    Machen weiterhin einen (etwas erweiterten) Stilmix, welcher den bisherigen Erfolg ausmachte: die Stubete Gäng. (Bild PD)

Zug – Die Eröffnung haut schon mal rein. Da erklingt die Handorgel in lautstarker Unterstützung eines Kinderchors, der sogleich verrät, wie die Stubete Gäng sich die nächsten rund 30 Minuten in Szene zu setzen gedenkt. Die erste Songzeile des neuen Albums der Zuger Band um die Brüder Aurel und Moritz Hassler lautet nämlich so: «Das het vor eus no niemert gmacht», schallt es uns entgegen, und nimmt aus Kindermund Bezug auf die aussergewöhnliche Mischung, mit der die sechs Musiker seit 2019 beachtliche Erfolge feiern. Der kurze, beschwingte Volksmusik-Prolog wird sehr bald mit ordentlichen Hip-Hop-Beats unterlegt. So weit, so gut – das kennen wir ja bereits aus den ersten zwei Alben.

Nun geht es im Longplayer «Hoodie Gääggeler» also munter weiter mit dem Genre-Potpourri. Und man zelebriert sich ein wenig selbst, wenn man zu Beginn genüsslich ausbreitet, welche Pioniertat das eigene Schaffen darstellt. Hier muss man jedoch relativieren: Erstens schwingt bei der Stubete Gäng stets ein ironisches Augenzwinkern mit. Der Band Selbstherrlichkeit zu unterstellen, ginge deutlich zu weit. Zweitens haben schon ganz viele und ganz andere Hip-Hop-Bands genau gleich auf ihr Vorreitertum hingewiesen. Das braucht man ganz generell nicht allzu ernst nehmen.

Ein bisschen wie bei Jay-Z

Man denke zum Beispiel an die Fantastischen Vier, die einst auf dem Album «Lauschgift» betont haben, wer denn nun als Erster im Plattenladen unter dem Label Deutscher Sprechgesang zu finden war. Allerdings ist anzunehmen, dass es gleichzeitig irgendwo in den Weiten Deutschlands auch andere Rapper gab, die (zunächst) einfach nicht so erfolgreich waren wie die «Fantas». Die mussten ihrerseits zu einem albernen Song wie «Die da?!» zurückgreifen, um richtig durchzustarten und im kollektiven Bewusstsein ihrer Landsleute anzukommen.

Ähnlich machte es auch die Stubete Gäng. Mit «Göschene Airolo» hat man 2019 eine Duftmarke gesetzt, die der ganzen Schweiz eröffnete, dass hiesiger Ländler mit Hip-Hop in Verbindung treten kann. Der Unterschied zu den Fantastischen Vier ist freilich, dass die Zuger danach stets dem zu Beginn eingeschlagenen Weg treu blieb. Umgesetzt auf den Fanta-4-Vergleich hätte das bedeutet, die Stuttgarter hätten danach drei Platten lang die «Die da?!-Schiene» weiter bedient – haben sie aber nicht. Das Basis-Erfolgsrezept der Stubete Gäng ist jedoch nur auf den ersten Blick eine überraschende Symbiose zweier Genres. Fakt ist, dass man coole Hip-Hop-Beats fast allem unterlegen kann – ausser Klassik oder Speed-Metal vielleicht.

Aber zurück zur neuen Platte und zum ersten Song. Dieser erinnert tatsächlich ein wenig an das berühmte Stück «Hard Knock Life» von Jay-Z. Wegen des Kinderchors selbstverständlich. Sonst eher weniger. Denn die Machart ist wie gehabt: eingängige Songstrukturen mit unbedarften, witzigen Texten. Meist taucht auch in den folgenden Songs immer mal wieder ein hymnischer Refrain auf. Nein, eine Offenbarung ist das alles nicht. Aber es kann Spass machen, sofern man dem Leicht-Verdaulichen zugeneigt ist.

Den Ska-Punk sucht man vergeblich

Natürlich, da sind auch ein paar kleine Brechungen und reizvolle Arrangements, die aufhorchen lassen. So zum Beispiel in «Ursula», einem Lied, das beim Einstieg mehr an einen Balkan-Beats-Song erinnert. Leider flacht das schon sehr bald in einen schmissigen Ländler ab. Das klingt dann deutlich mehr nach Ballermann-Party als nach ausgeklügeltem Genremix. Dasselbe gilt für «Richi». Dort geht es einfach mehr in Richtung Schlager-Gassenhauer.

In «Verloh und ledig» reihen sich lateinamerikanische Elemente im Stile des Reggaeton mit in die Vibes. In «Halblang» wird es poppig, in «Schön esch es gsi» ein wenig folkig. Und festzuhalten gilt es: Die instrumentalen Beiträge der zwei älteren Bandmitglieder (Vater und Onkel des Brüderpaars) haben Qualität. Aber das geht halt irgendwie unter im offensichtlichen Wunsch, dem bisherigen Erfolgskonzept treu zu bleiben. Auch wenn man wie im Pressetext zum Album betont, Musikstile zu vereinen, «die so zuvor noch nie zusammenfanden». Wo dann allerdings der dabei ebenso aufgezählte Ska-Punk rauszuhören sein soll, bleibt das Geheimnis von Moritz Hassler und Co.

Klamauk ist stets dabei

Ganz eigenständig und ruhig präsentiert sich wiederum das Schlussstück «Du» – eine melancholische Hommage an Sehnsuchtslieder, die man doch eher in norddeutschen Hafenkneipen verortet. Allerdings kratzt man hier ordentlich nah am Kitsch.

«Hoodie Gäaggeler» ist sehr solide und mit Blick auf das bereits eroberte Publikum produziert. Insgesamt ist die Platte genau genug experimentell, um in der Fangemeinde hier und dort ein Schmunzeln zu erzeugen, und gleichzeitig zu wenig anspruchsvoll, um sich künstlerisch auf ein neues, höheres Level zu hieven. Aber das will die Stubete Gäng wohl gar nicht. Hier geht es immer auch ums Spasshaben. Und ein wenig Blödeltum und Klamauk ist ja stets dabei. Das geht alles in Ordnung und bedient die breite Masse. Und doch wird man den flüchtigen Gedanken nicht los, dass hier eigentlich mehr ginge, wenn man denn wollte. (Text von Stefan Welzel)