Eine Reise rund um die Welt – per Bild
Kunst & Baukultur
Es braucht Mut, sein Wunschbild öffentlich vorzustellen. Das Kunsthaus bietet die Chance, Menschen und ihre Kulturen zu verbinden.
Zug – In fünf Räumen des Zuger Kunsthauses reiht sich Bild an Bild. Sie sind derzeit voll behängt mit Werken aus verschiedenen Epochen und Stilen. Es braucht etwas Zeit, wenn man die teilweise selten oder nie zu sehenden Exponate der «Sammlung auf Wunsch» genauer ansehen möchte. Besonders interessant ist es, wenn Gäste der Kunstvermittlerin Sandra Winiger ihr Lieblingswerk vorstellen oder erzählen, warum ein Bild besonderen Eindruck auf sie macht. So wie am Dienstagabend, als mehrere fremdsprachige Schüler des Zuger Integrationsbrückenangebotes IBA 20+, dem Publikum ihr ausgewähltes Bild präsentierten. Ein solcher Auftritt ist nicht einfach. Darum muss man den Schülerinnen und Schülern ein grosses Kompliment aussprechen für ihren Mut, dass sie trotz mehr oder weniger guten Deutschkenntnissen die Herausforderung gewagt haben. Sandra Winiger betonte: «Hier geht es nicht nur um Kunst, sondern um die Menschen, ihre Kulturen und Geschichten. Die Kunst hat die Chance, Menschen zu verbinden.»
Herausforderung gewagt
Axelle Kalenda aus Belgien hat die «Erdtreppe» von Karl Joller aus dem Jahre 1984 ausgewählt. Die dunklen Farben wirken auf sie geheimnisvoll und erinnern sie an eine Legende aus der Heimat Gabun: «Sie handelt von Frauen, Geistern und Tod.» Sie zeigt das Foto einer Göttin mit Fischschwanz, die angeblich Fischer töten kann. «Als Kind traute ich mich nicht ins Meer. Für mich gehören Tiere, Menschen und Natur zusammen», sagt sie.
Striche in kräftigen Farben zeigt das Bild ohne Titel von Josef Herzog. «Ich habe mich dafür entschieden, weil es mich an die erste Zeichnung meines Sohnes erinnert», sagt Seyed Sadad aus Afghanistan und erntet ein Schmunzeln, als er das Foto davon hochhebt.
Zusammen mit seiner kleinen Tochter stellt Alaa Eddin Kabani aus Syrien ein Foto im Miniformat vor, das eine einzelne Rose im Wasserglas zeigt. «Die Natur gefällt mir, die Rose ist ein Symbol dafür, gleichzeitig sieht man im dunklen Hintergrund einen Sonnenstrahl», meint er. Das Foto stelle das Leben dar, weil es alle wichtigen Elemente wie Wasser und Licht enthalte. Er betont: «Wenn wir sie haben, dann haben wir alles.»
Schlimme Erinnerungen
Nabiullah Alizada aus Afghanistan stellt ein düsteres Werk von Karl Friedrich Schobinger vor. Es zeigt einen Gehängten und am Boden zwei traurige Hunde. «Bei diesem Bild fühlte ich mich nicht gut», gesteht er. Vielleicht habe der Mensch Probleme gehabt und Selbstmord begangen. Warum, wisse man nicht. Alizada: «Der Tod ist keine Lösung. Im Leben gibt es Enttäuschungen, Probleme muss man lösen.»
Sein Kollege Antonio Tesfaghabir erinnert Schobingers «Starke Faust» an den Widerstand in Eritrea. Dort sei das Leben ohne Frieden eine Katastrophe. Er habe wegen des Bildes einige Tage nicht schlafen können. «Die Leute auf dem Bild laufen weg. In meinem Dorf konnten vor einigen Jahren die Bewohner nicht davonspringen und sind erschossen worden. Darum geniessen Sie die Freiheit», sagt er nachdrücklich.
Im Untergeschoss hängt Helmut Boeckls «Berlinerin». Lobsang Kangsar aus Tibet hatte das Bild ausgewählt, obwohl er das Sujet «komisch und sogar hässlich» fand. Vielleicht habe der Künstler zur Entstehungszeit 1921 einen negativen Eindruck von Deutschland erhalten oder Wut auf die Frau gehabt. Eigenartig findet er, dass es nirgends eine Beschreibung des Werkes gebe. Und voller Schalk stellt er das Bild auf den Kopf. «Ich kann eine Landschaft darin erkennen. Das ist meine Version, sie drückt Liebe und Kraft aus», meint er heiter. Stephanie Gegenheimer aus Nigeria gefällt der Entwurf für eine Zigarrendose von Carl Krenek von 1910. Inmitten eines Musters ist auf dem Deckel eine Frau erkennbar. «Sie ist schön, ungestört und sieht aus, als könnte sie über ihr Leben bestimmen», findet sie. Die beiden Entwürfe für Teekannen von Josef Hoffmann erinnern Namkha Tsepa aus Tibet an die Heimat. Dort werde viel Tee getrunken. Eine Kanne sehe aus wie die Zauberlampe des Aladin. «Welche Wünsche haben Sie?», fragt er in die Runde. Ein Zuschauer wünscht Frieden, ein anderer Freiheit für Tibet. «Die Blumenwiese mit Bäumen von Richard Gerstl macht mich fröhlich», sagt Paphawarintra Christen. Dabei denke sie gerne an den Sommer in ihrer Heimat Thailand. «Jetzt geniesse ich die blühenden Wiesen in Menzingen.» Auch Leldja Schmid aus Brasilien hat ein Bild mit Blumen entdeckt, nämlich Gustav Klimts «Italienischer Garten» von 1913, «weil es mich an das Haus meiner Grossmutter erinnert».
Herzlicher Applaus
Es war eindrücklich, wie es den von Bernadette Ammann, Remo Felix und Erich Hagenbüchli betreuten IBA-Schülern gelang, in wenigen Sätzen etwas über ihre Herkunft und die persönliche Situation in der Schweiz einzuflechten. Alle stellten sich zuerst in der Muttersprache vor, bevor sie auf Deutsch über ihr aus dem riesigen Fundus des Kunsthauses ausgewählten Bildes sprachen. Die Zuhörer, welche die Vorträge mit herzlichem Applaus verdankten, konnten ahnen, dass hinter manchem jungen Menschen ein schweres Schicksal steckt.
Zwei Jubiläen
Das besondere Projekt läuft im Rahmen der Jubiläen: 25 Jahre Kunsthaus Zug und 20 Jahre Kunstvermittlung. Die «Sammlung auf Wunsch» hat Sandra Winiger, Leiterin Kunstvermittlung, lanciert. Begeistert sagte sie: «Das ist keine Ausstellung, sondern eine Vorstellung. Rund 130 Personen haben sich gemeldet, vom Vierjährigen bis zum Senior. So vielfältig wie die Werke, sind auch die Menschen, die sie präsentieren.» (Monika Wegmann)
HinweisNoch bis 13. Juni stellen Gäste im Kunsthaus Lieblingswerke vor. Informationen und Daten unter www.kunsthauszug.ch