Drei facettierte Diamanten in einer menschgemachten «Wildnis»

Dies & Das

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Geometrische Unregelmässigkeit inmitten eines streng gradlinigen Baukomplexes: Barbara Jäggis «Findlinge» im alten Siemens-Areal erzeugen ein Spannungsfeld der Kontraste.

  • Das Kunstwerk im «gefluteten» Innenhof der Überbauung Opus. (Bild Matthias Jurt)
    Das Kunstwerk im «gefluteten» Innenhof der Überbauung Opus. (Bild Matthias Jurt)

Zug – Von aussen betrachtet würde es der Unkundige nicht vermuten: Das Herz des Zuger Siemens-Areals ist ein kleines Naturparadies, wenn auch ein künstliches. Die fussballfeldgrosse Parzelle, um die sich die acht fünfgeschossigen, gräulich-bläulichen Baukörper der von 2001 bis 2003 errichteten Überbauung «Opus» gruppieren, wirkt wie ein behutsam geschützter Freiraum.

Hier ist die «Wildnis» durch Menschenhand zurückgekehrt. Die gesamte Freifläche ist als eine Art Riedlandschaft gestaltet: Zur Gänze mit Wasser geflutet sowie mit schilf- und baumbestandenen Partien durchzogen, ist der Bereich mit breiten Steganlagen aus Bodengittern erschlossen und wird so zum Natur- und Erholungsraum mitten im belebten Gewerbe- und ehemaligen Industriequartier.

Visueller Fixpunkt innerhalb dieses wiedererlangten Grünraumes ist die dreiteilige Installation «Findlinge» der Luzerner Künstlerin Barbara Jäggi. Es sind drei übermannshohe, unregelmässig polyederförmige Skulpturen unterschiedlichen Volumens. Sie bestehen aus korrodierendem Stahlblech und sind mitten in die Wasserfläche gesetzt. Wie überdimensioniert-facettierte Diamanten mit variierenden Neigungen und Feldwinkeln scheinen sie dazuliegen, als wären sie zufällig hier gelandet.

Wirkung durch Farbigkeit, Licht und Schatten

Ihre archaische Prägnanz entfalten die drei Objekte nicht nur durch die je nach Tageszeit und Wetterverhältnissen intensiv leuchtende Farbigkeit, sondern genau so durch ihre an sich zwar geometrische, aber von unterschiedlichen Winkeln geprägte Formgebung. Dadurch stehen sie in einem krassen Kontrast zu den streng rechtwinklig definierten, formal reduzierten und regelmässig angeordneten Gebäudesolitäre rund um sie herum.

Licht und Schatten sind weitere Aspekte, auf welchen Jäggi ihr Augenmerk legt: Die Unregelmässigkeiten der Findlingsoberflächen erzeugen im Licht jeweils wechselnde Schattenwürfe, was die Wahrnehmung der Objekte zuweilen kontinuierlich verändert. Und wenn die Wasseroberfläche still und ruhig ist und das Schilf nicht zu üppig wuchert, tragen Spiegelungen das ihrige zur Wirkung bei.

Die Wissenschaft definiert Findlinge als erratische, mindestens einen Kubikmeter grosse Steinbrocken, welche die eiszeitlichen Gletscher mit sich transportiert und danach liegen gelassen haben. Barbara Jäggis Stahlfindlinge leiten sich davon ab und stehen symbolisch für die ausgeprägten Verschiebungen und Veränderungen innerhalb der modernen Gesellschaft. Ferner können sie auch als Inbild für die bauliche und nutzungstechnische Entwicklung des industriegeschichtlich bedeutenden Areals, in dem sie platziert sind, interpretiert werden. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.