Das Wahrzeichen eines Quartiers

Brauchtum & Geschichte

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Die Uhr mit Geläut an der Albisstrasse 1 ist ein Unikum. Sie ist ein Meisterstück des vormaligen Hausbesitzers.

  • Maria Greco, heutige Hausbesitzerin, hat Freude an der Uhr von Fritz Krähenbühl am alten Waschhaus. (Bilder Mathias Blattmann)
    Maria Greco, heutige Hausbesitzerin, hat Freude an der Uhr von Fritz Krähenbühl am alten Waschhaus. (Bilder Mathias Blattmann)

Baar – Seit 45 Jahren – mit Unterbruch – bimmelt an der Albisstrasse in Baar täglich ein Glockentrio im Takt der Zeit. Alle im Quartier kennen dieses einzigartige Schmuckstück am ersten Haus an genannter Strasse respektive am dazugehörigen Waschhaus: eine grosse, bemerkenswert gestaltete Uhr mit Viertelstundenschlagwerk. Die drei Glocken hängen gut sichtbar über der Uhr am Dachgiebel.

Beim aufmerksamen Hin­sehen erkennt man auch die besondere Gestaltung der Ziffern: Anstelle von Zahlenangaben liest man hier die zwölf Sternzeichen ab. Als schmiedeeisern gerahmte Tondi sind die Symbole aus geschnittenem und behauenem Blech gearbeitet. Weiter zeigt ein dritter Zeiger die jeweilige Jahreszeit an, sie lässt sich an den Buchstaben F(rühling), S(ommer), H(erbst) und W(inter) ablesen.

Eine zuverlässige Konstruktion

Das wirklich Besondere an dieser ungewöhnlichen für viele Vorbeikommende nützlichen Fassadenzier jedoch ist für die Allgemeinheit nicht sichtbar, sondern findet sich im Inneren des einstigen Waschhauses: ein grosses mechanisches Uhrwerk, wie man es nur bei einer Turmuhr erwarten würde. Es ist eine faszinierende Präzisionsarbeit und stammt nicht etwa aus der Werkstatt einer Uhrenmanufaktur, sondern ist wie das Zifferblatt mit Geläut eine eigenhändige Anfertigung des einstigen Hausbesitzers Fritz Krähenbühl-Utiger.

Krähenbühl hatte 1957 die gleichnamige Schlosserei im Baarer Lättich gegründet. In seiner Freizeit fertigte er fleissig diverse Schlosserarbeiten an, wovon in Baar noch weitere zu sehen sind, unter anderem der originelle, zweistrahlige Brunnen im Fellmannpark oder das eindrückliche barockisierende Eingangstor zum Haus mit der Uhr. Letztere ist anno 1978 entstanden und war zweifelsohne eines von Krähenbühls Meisterstücken, insbesondere hinsichtlich des Uhrwerks, das seinen Namen trägt.

Die Baarer Kulturfrau Maria Greco, welche gemeinsam mit ihrem Mann das 1899 erbaute Haus Albisstrasse 1 im Jahre 2011 mitsamt Waschhaus erworben hat, erinnert sich, dass die Uhr damals seit mindestens einem Jahr verstummt und mit wild wachsenden Pflanzen überwuchert war. In einem Kraftakt haben sie und ihr Mann Zifferblatt und Glocken freigelegt und aufgefrischt. Und das stillgestandene Uhrwerk im Innern – siehe da, es lief an, als wäre nichts gewesen. Ein Zeugnis davon, wie hochwertig und qualitätvoll Fritz Krähenbühls Arbeit ist. Der 2012 im hohen Alter von 99 Jahren Verstorbene hat eine ausführliche Bedienungsanleitung für das Uhrwerk hinterlassen, demnach bedarf das Uhrwerk kaum Wartung. Es reicht, wenn es gelegentlich mit etwas Petrol besprüht wird.

Glocken mit persönlichen Widmungen

Wie bei Turmuhren werden die Zeiger über ein Drehgestänge gesteuert. Mittels Drahtseilen werden die drei Glocken angeschlagen. Sie haben die Tonarten Dis, Fis und H, besitzen keine Klöppel und sind eine Spezialanfertigung der bekannten Aarauer Glockengiesserei Rütschi. Auf ihren Wolmen sind je die Widmungsträger mit eingegossen: Fritz Krähenbüls Schwiegereltern, seine fünf Söhne und schliesslich seine Frau und er selbst.

Es handelt sich bei der Fassadenuhr an der Albisstrasse um ein einzigartiges, personifiziertes Gesamtkunstwerk mit sehr individuellem Charakter. Maria Greco freut’s: «Die Uhr gehört einfach zu diesem Haus, an die Glockenschläge hat man sich schon lange gewöhnt, ja man orientiert sich sogar daran. Auch die Nachbarn möchten die Uhr nicht mehr missen, und viele Vorbeikommende bleiben gwundrig stehen und betrachten das Kunstwerk. Manche warten sogar extra, bis die Glocken schlagen.» (Text von Andreas Faessler)