Das Eigene im Mittelpunkt

Kunst & Baukultur

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Was ist eigentlich unser «Eigenes»? Das Kunsthaus Zug lädt zu einer Exkursion und wirft nicht nur Fragen auf, sondern beantwortet sie auch.

  • Werke von Frotz Roth und Hannah Villiger treten miteinander in einen Dialog. Viele weitere Exponate mit Bezug zu Zug bespielen derzeit das Kunsthaus. Olafur Eliassons Analemma ist in einem besonderen Prozess entstanden (Bild rechts). (Bilder Stefan Kaiser)
    Werke von Frotz Roth und Hannah Villiger treten miteinander in einen Dialog. Viele weitere Exponate mit Bezug zu Zug bespielen derzeit das Kunsthaus. Olafur Eliassons Analemma ist in einem besonderen Prozess entstanden (Bild rechts). (Bilder Stefan Kaiser)

Zug – Faszinierend, wenn Kunst – sofern sorgfältig kuratiert – in entsprechenden Kontext gestellt wird. Dann nämlich werden beispielsweise aus vermeintlich banalen Filzstift-Zeichnungen tragische, berührende Geschichten. In einem konkreten Fall die Lebensgeschichte von Philipp Anton Etter (1920–2012) mit der Sammlung «Blick aus der Ägeristrasse 82». Der Sohn des Bundesrates Philipp Etter schien viel Zeit, am Fenster seiner Parterrewohnung verbracht zu haben – denn alleine die 15 Blätter der Serie zeigen, dass der Mann sich Tage, wenn nicht Wochen oder Monate mit seiner direkten Umgebung beschäftigt hatte. Und genau hier setzt die aktuelle Ausstellung «BeZug» an: die Auseinandersetzung mit Zug im Fokus.

Kunsthausdirektor Matthias Haldemann erklärte am hervorragend geführten Medienanlass, dass auch er und sein Team sich während des Lockdowns mit den Themen «Heimat» und «Umgebung» auseinandergesetzt haben: «Ein Virus hat unsere Wahrnehmung der Welt und alles, was wir für selbstverständlich hielten, verändert. Wir waren plötzlich gezwungen, zu Hause zu bleiben, in die Enge unserer Heimat und unserer näheren Umgebung zurückzukehren. Diese ungewöhnliche Situation lädt uns ein, kritische Fragen über unser Verhältnis zu uns selbst, zu unserer Umgebung und zur Welt zu stellen», so Haldemann.

Fritz Roth (1945–2016) aus Cham ist prominent vertreten. Bei seinen «Holzköpfen» ist schön ersichtlich, wie der verstorbene Bildhauer Material, Form und letztendlich auch den Raum in seine Werke mit einbezog. Er tritt dabei durch die Setzung im Kunsthaus in den Dialog mit seinen ehemaligen Mitbewohnerinnen Rut Himmelsbach und Hannah Villiger. Solche Beispiele würden sich noch lange weiterführen lassen, daher ist es ratsam, wenn man sich direkt der Führung heute Abend um 20Uhr anschliesst.

Sonnen in einer Achteranordnung

Die aktuelle Ausstellung vereint Zeichnungen, Gemälde, Videoarbeiten und Werke aus experimentellen Materialien. Die Besucherinnen und Besucher finden beim Rundgang Bekanntes und Vertrautes, aber auch Neues. Manches erheitert und erfreut, manches regt zum Nachdenken an: Die Installation «Kinder nicht zu lange draussen spielen lassen» aus dem Jahr 1989 von Romuald Etter thematisiert eindrücklich das Ozonloch. Selbstverständlich sind nicht alle ausgestellten Werke «schwer», manche sorgen für mehr als nur ein Schmunzeln, manche verblüffen: etwa das Analemma von Olafur Eliasson. Eliassons Kunst übersetzt komplexe theoretische Überlegungen in räumliche Werke; im Fall vom Kunsthaus Zug nahm eine Kamera auf dem Milchsuppenstein in Zug eine Reihe von Fotos auf, die immer aus der gleichen Position und aus dem gleichen Winkel und zur gleichen Tageszeit fotografiert wurden. Das resultierende Bild zeigt ein solches Analemma – eine Anordnung von mehreren Sonnen in einer länglichen Achteranordnung. Die Verzerrung der acht spiegelt die Neigung der Erdachse und die Veränderung ihrer Umlaufbahn wider.

Selbst wer die Namen hinter den Werken nicht kennt, wird begeistert sein. Denn die verschiedenen Stilrichtungen und die unterschiedlichen Impulse, welche übrigens oft allein durch die Setzung der Werke entsteht, berührt. Und wenn man sich im Rahmen der Werke mit seiner eigenen Definition von «Heimat» auseinandersetzt, dann kann es mitunter richtig spannend werden: Schliesslich gibt es ja kein einheitliches Verständnis von dem, was «Heimat» sein soll, dieser Begriff hat während des Lockdowns jeder für sich neu definiert.

Zurück zu den Wurzeln

Haldemann bringt es im Programmheft auf den Punkt; «BeZug führt uns zu unseren eigenen Wurzeln zurück: Die Anfänge der modernen Kunst im Kanton Zug werden hier in Werken von Louis Amann, Armin Haab, Walter F. Haettenschweiler, Maria Hafner, Eugen Hotz, Hans Potthof, Christian Staub und Alex Stocker erforscht. Beim Betrachten dieser Werke, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs entstanden sind, spürt man, dass die Schweiz vom Rest der Welt abgeschnitten war. Gibt es hier vielleicht eine Parallele zu unserer heutigen Situation?» (Haymo Empl)

Hinweis
BeZug – Werke der Sammlung, Eröffnung der Ausstellung und Zuger Kunstnacht heute Samstag, 19.September, ab 17Uhr, (Türöffnung). www.kunsthauszug.ch