Eine Krippe aus Einsiedeln für Zug

Brauchtum & Geschichte

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Seit über 100 Jahren birgt die Zuger Pfarrkirche St. Michael ein exklusives Schaustück, das jeweils zur Weihnachtszeit im Chorraum aufgestellt ist. Aus namhafter Werkstatt stammend, verfügt es über einen besonderen künstlerischen Wert.

  • Streng symmetrisch und alle drei Teile je aus einem Guss: Die Krippe in der Kirche St. Michael in Zug ist von aussergewöhnlicher Machart. (Bild Stefan Kaiser)
    Streng symmetrisch und alle drei Teile je aus einem Guss: Die Krippe in der Kirche St. Michael in Zug ist von aussergewöhnlicher Machart. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – In zahlreichen Kirchen trifft man sie bereits in der Adventszeit an, die Weihnachtskrippen in all ihrer Mannigfaltigkeit. Vielerorts ist das Jesuskind noch abwesend, liegt erst am Heiligtag in der Wiege. Art der Krippen und Herstellungsweise der figuralen Bestandteile zeugen häufig von grosser Kreativität. Manche Exemplare können gar als eigenständige Kunstwerke angesehen werden, erst recht dann, wenn sie nicht seriell hergestellt, sondern in ihrer Form einzigartig sind.

Ein solches finden wir in der Pfarrkirche St. Michael in Zug. Die dortige Weihnachtskrippe ist ein bemerkenswertes Schaustück innerhalb des mobilen Kulturgutes der Katholischen Kirchgemeinde Zug. Auch sie ist nun wieder in voller Grösse aufgestellt im Chor der Kirche zu sehen. Dass sie von besonderer Machart ist und sich dadurch von den meisten anderen Grosskrippen in den umliegenden Kirchen unterscheidet, erschliesst sich den Herantretenden schnell.

Halb- bis Dreiviertelrelief

An die Form eines Triptychons erinnernd, ist die Weihnachtskrippe zu St. Michael streng symmetrisch konzipiert und in sich unveränderlich, denn alle drei Teile der Krippe mit einer Gesamtdimension von 2,5 Metern Höhe und 2,8 Metern Breite sind aus Hartmasse gegossen. Im Zentrum des Mittelteils liegt das Jesuskind in der Wiege, umgeben von Maria und Josef sowie drei Engeln – allesamt mit den Händen zum Gebet gefaltet. Am Boden liegen Esel und Ochs. Putti unter und über einem Strohdach begleiten das Geschehen. Darüber hält – alles bekrönend – ein weiterer Engel den Stern von Bethlehem. Im linken Teil erscheinen die heiligen drei Könige mit ihren Gaben, und im rechten beten die Hirten mit ihren Schafen das Kind an. Einer von ihnen spielt auf seiner Schalmei. Hinter den Gruppen in den Seitenteilen fällt der Blick jeweils in eine weite Landschaft. Sämtliche Figuren der Krippe sind als Halb- bis Dreiviertelrelief ausgearbeitet und greifen den nazarenischen Kunststil des 19. Jahrhunderts mit seinen klaren Formen und seiner warmen Farbgebung auf.

Die Krippe von St. Michael in Zug stammt gemäss den dazugehörigen Kirchenarchivalien aus dem Jahr 1920, respektive ist anno dazumal von der Pfarrei für 2700 Franken angekauft worden. Der Entwurf zu diesem aussergewöhnlichen Krippenmodell stammt vom österreichischen Kirchenplastiker Alois Payer (1878–1960). Dieser führte in Einsiedeln gemeinsam mit seinem Landsmann Franz Wipplinger (1880–1953) eine Werkstatt für Sakralkunst. Zum einen stellte die Firma Payer-Wipplinger Figurenschmuck für die Benediktinerabtei sowie für zahlreiche Kirchen und Kapellen her. Zum anderen waren die Skulpteure bekannt für ihre stilvollen Krippen mitsamt Figuren aus gegossener, von Hand liebevoll bemalter Hartmasse. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrieb Rupert Wyss an der Zuger Neugasse 25 ein Geschäft, welches solchen Figurenschmuck im Sortiment führte. Viele Zuger Haushalte haben sich dort für Weihnachten eingedeckt.

Exklusive Anfertigung

Die grosse Krippe von St. Michael ist mit Sicherheit exklusiv für die Zuger Pfarrei angefertigt worden. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit ist anno 1986/87 eines der Seitenteile im Rahmen einer Krippenausstellung im Historischen Museum Luzern gezeigt worden. Eine im Zuge der Aufstellung für Weihnachten 2016 entstandene Beschädigung konnte repariert werden. 2017 und 2022 wurden Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten an der Payer-Krippe vorgenommen – Farbabplatzer wurden geflickt, die polychrome Fassung gereinigt und mit einem Schutzlack versehen.

So präsentiert sich das aussergewöhnliche Schaustück sakraler Kunst aus namhafter Werkstatt derzeit wieder in voller Schönheit im Chor der St. Michaelskirche, ehe es im Januar wieder sorgfältig an seinen Platz in der Nebensakristei verräumt wird – bis zum Advent 2024. (Text von Andreas Faessler)


Hinweis

Anlässe in der Kirche St. Michael Zug zu Weihnachten 2023: 24. Dezember, 17 Uhr Familiengottesdienst mit Krippenspiel, 23 Uhr Christmette; 25. Dezember, 10 Uhr Weihnachtsgottesdienst.