«Was ging da wohl mit uns ab?»
Theater & Tanz
Sie gewannen soeben einen Preis und stehen kurz vor dem Auftritt im Hallenstadion: Jonny Fischer und Manu Burkart über ihre Männerfreundschaft und die Lust am «Verkleiderlis».
Zug – Wir treffen uns für dieses Gespräch auf dem Zuger Stierenmarktareal, wo Sie im Januar bei «Das Zelt» auf der Bühne stehen werden. Was haben Sie für einen Bezug zu diesem traditionellen Landwirtschaftsanlass?
Manu Burkart: Wir haben beide einen Hang zum urtümlich Schweizerischen. Wir sind zwar in der schnelllebigen, trendigen Welt aufgewachsen, aber wir sind von Berufes wegen, und auch privat, interessiert an den Schweizer Traditionen.
Jonny Fischer: Ja, der Stierenmarkt ist der Knüller! Ich gehe jedes Jahr hin. Dass wir hier in der Wirtschaftsmetropole Zug, wo in den Restaurants über Mittag nur noch Englisch gesprochen wird, so was wie den Stierenmarkt haben, ist doch super. Dort hast du das Gefühl, du seist irgendwo auf der Schwägalp oder auf dem Urnerboden. Für uns ist es natürlich ein gefundenes Fressen. Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn sechs gestandene, bärtige Männer das glänzend gestriegelte Hinterteil eines Stiers betrachten und zu fachsimpeln beginnen ...
Jetzt bin ich beruhigt. Wenn man ein Komikerduo interviewt, besteht im Vorfeld ein gewisser Druck, dass das Interview aber auch ja lustig werden sollte. Kennen Sie diesen Stress?
Fischer: Früher war der Druck extrem. Wir dachten damals, wir müssen jedes Mal beweisen, dass wir lustig sind. Heute ist das weniger so. Wir wissen, dass wir auf der Bühne gut ankommen, und Interviews müssen ja nicht immer lustig sein.
Burkart: Zudem wollen die Journalisten oftmals durchaus auch ein paar ernste Worte von uns hören.
Fischer: Es ist ja wie in jedem Beruf: Auch ein Schreiner spricht nicht immer nur hölzern, und ein Rechtsanwalt redet nicht immer so geschliffen gerade auch Akademiker können privat ganz schön «dreckiges» Benehmen zeigen. Das erleben wir immer wieder. So haben eben auch wir zwei verschiedene Gesichter.
Haben Sie auch schon Auftritte gehabt, bei denen einfach niemand lachte?
Fischer: Früher schon. Als wir noch häufig als Überraschungsgäste an ein Geschäftsessen oder zum Tag der offenen Tür im Altersheim eingeladen wurden, konnte das vorkommen, weil wir schlicht die falsche Besetzung für den Anlass waren. Dass eine unserer bezahlten Shows als Ganzes nicht ankommt, das kennen wir zum Glück nicht.
Welcher von Ihnen beiden ist eigentlich privat der grössere Scherzkeks?
Fischer: Es kommt darauf an, welche Art von Humor Sie meinen. Wenn es um Körpereinsatz geht, ist es auf jeden Fall Manu, weil ich das einfach nicht kann.
Burkart: Halt, halt, halt! Ich persönlich sehe es sehr gerne, wie Jonny extra in eine geschlossene Tür hineinläuft. (lacht) Jonnys Talent liegt in der gesprochenen Pointe, in der Erzählkunst. Er kann eine unspektakuläre Geschichte so erzählen, dass sie extrem unterhaltsam ist.
Sie sind meines Wissens die einzigen Comedians, die sich gar nicht erst gross Mühe geben, auf der Bühne nicht über sich selber zu lachen. Ist das eine Schwäche, oder ein Markenzeichen?
Fischer: Am Anfang störte uns das selber, weil wir fanden, es wirke unprofessionell. Etwas später wirkte es einfach nur komisch, weil die Leute fälschlicherweise dachten, es gehöre vielleicht zur Show. Und heute wollen wir einfach authentisch sein. Das heisst, wenn ich spontan irgendeinen Mist rauslasse, lacht Manu halt. Das darf auch so sein.
Wann mussten Sie zuletzt über eine Reaktion aus dem Publikum herzhaft lachen?
Fischer: Heute, wo wir meist in grossen Sälen spielen, sind Zwischenrufe eine Seltenheit. Wenn es doch vorkommt, sind es meist ältere Herren, die «Spreitenbach» in den Saal grölen, weil sie unseren Sketch mit Julian Kaufmann sehen wollen und vorher wohl ein Gläschen Weisswein zu viel hatten. Das ist aber überhaupt nicht witzig.
Burkart: Und vor allem kommt es meist im völlig falschen Moment.
2002 standen Sie zum ersten Mal auf der Bühne genauer in der Rathus-Schüür in Baar vor 50 Zuschauern.
Burkart: Das war ein wegweisender Schritt in unserer Karriere! Wir waren naive, unerfahrene Buben und hatten noch keinerlei Berufsabsichten. Aber es hatten sich so viele einzelne Nümmerchen angestaut, dass wir fanden, das gäbe ein abendfüllendes Programm. Von den 50 Leuten waren 20 unsere Familienmitglieder und der Rest Freunde.
Dreizehn Jahre später, genauer im Februar 2015, treten Sie als krönender Abschluss Ihrer aktuellen Tournee und als erstes Schweizer Komiker-Duo überhaupt – im Zürcher Hallenstadion auf, mit Platz für 8000 Zuschauer. Die Show war innert 30 Minuten ausgebucht. Wie fühlt sich das an?
Burkart: Das ist jetzt natürlich das andere Extrem. Dass wir jetzt dann bald vor 8000 Leuten spielen dürfen, ist für uns schlicht und einfach unfassbar. Aber natürlich auch «huere geil».
Fischer: Man muss aber auch sagen: Es wird sicher etwas Einmaliges bleiben, wie auch der Auftritt damals in der Rathus-Schüür. Insofern werden sich diese Auftritte ähnlich anfühlen. Obwohl: Damals machte ich mir vor Nervosität fast in die Hose. Ich glaube, beim Hallenstadion wird es gar nicht mal so schlimm sein. Die Neugier und Vorfreude überwiegen.
Am 1. Dezember erhielten Sie im Rahmen des Swiss Talent Awards den Preis als «Performer of the Year 2014». Bringt Sie das überhaupt noch zum Häuschen heraus, so erfolgsverwöhnt Sie unterdessen sind?
Fischer: Über solche Preise freuen wir uns schon riesig, denn sehr lange wurden wir gar nicht richtig wahrgenommen. Das heisst, das Volk kam seit 2007 schon sehr fleissig an unsere Shows, aber die Medien haben das bis vor etwa zwei Jahren nicht mitbekommen.
Burkart: Das Berührendste überhaupt an der Preisverleihung war die Tatsache, dass einer eine Laudatio über uns hielt. Wer nimmt nicht schon gerne eine Anerkennung entgegen, für das, was er macht?
In Ihrer aktuellen Bühnenshow, «Gate 10», dreht sich alles rund um den Flughafen. Sind Sie Flughafenfans oder einfach reisefreudige Menschen?
Burkart: Eher Letzteres, würde ich sagen.
Fischer: Den Flughafen machten wir aber nicht zum Thema, weil er uns persönlich besonders fasziniert, sondern weil es ein einmaliger Ort ist, um ganz viele Situationen mitzubekommen. Als ich am Wochenende meinen Partner am Flughafen abholte, ging ich mit Absicht eine Dreiviertelstunde früher hin, nur um die Leute zu beobachten. Es gibt wenige Orte, wo so viele Kulturen und Emotionen sichtbar werden.
Was mir am Flughafen immer auffällt ist dieser peruanische Panflötist ... Anzukommen aus dem Ausland und als Erstes den zu hören: Ist das nicht das Urschweizerischste, was es gibt?
Fischer: Oh, ja! Dass da kein Alphornbläser spielt, sondern ein Peruaner beziehungsweise einer aus Untersiggenthal, der sich als solcher verkleidet – das ist doch fantastisch! Und erst noch mit einem Hall, der gefühlte 16 Sekunden andauert. Das ist wohl so, damit er Luft holen kann, ohne dass die Musik ausgeht.
... was Sie prompt in einen Sketch eingebaut haben. Was steckt hinter dieser Lust, in fremde Rollen zu schlüpfen?
Fischer: Die Spielfreude! Es ist ein reines «Verkleiderlis». Früher zog sich Manu zum Beispiel als versoffenen Bettler an und ich mich als Geschäftsmann, und wir setzten uns mit dem GA ins gleiche Zugabteil und schauten, wie die Leute auf uns reagierten. Das war unser Mittwochnachmittagshobby.
Burkart: Davon haben wir noch einige todlangweilige Videoaufnahmen. Aber wir fanden es damals oberwitzig.
Wie kommt man auf die Idee, sich ausgerechnet als Taube zu verkleiden wie Sie es in «Gate 10» tun?
Burkart: Keine Ahnung, wie wir darauf kamen, ehrlich gesagt. (zu Jonny:) War Alkohol im Spiel?
Fischer: Nein, nein! Aber es war im Ferienhäuschen, oder? Vielleicht haben wir mal über die komische Gangart dieser Vögel philosophiert? Es gibt noch viele Nummern, wo ich mich frage: Was ging da wohl mit uns ab?
Sind Sie beiden eigentlich BFF also Best Friends Forever?
Burkart: Ich glaube, uns brachte damals am Lehrerseminar schon hauptsächlich die Lust am «Theäterlen» und Blödeln zusammen. Sonst wären wir uns wohl nicht begegnet.
Fischer: Die Grundlage ist die gegenseitige Bewunderung für das, was das Gegenüber kann. Und es ist klar, dass daraus eine Freundschaft entstanden ist.
War es eigentlich nie ein Problem, eine so enge Männerfreundschaft zu haben, wenn der eine homo- und der andere heterosexuell ist? Zumindest für Aussenstehende ...
Fischer: Doch, doch! Aber sie meinten immer, dass Manu schwul sei! Das hat mich manchmal etwas gestört, dass alle Männer nur immer an ihm Freude hatten. (lacht) Es gab immer wieder Leute, die fragten, ob wir ein Liebespaar seien, obwohl Manu längst Frau und Kinder hatte. Und das will ich an dieser Stelle vehement dementieren.
Burkart: Komm, gib schon zu, dass du der Vater meiner Kinder bist! Im Ernst: Für uns war das alles nie ein Thema. Abgesehen davon wusste ich gar nicht, dass Jonny schwul ist, als ich ihn kennen lernte.
Fischer: Genau, wegen dir bin ich es ja erst geworden!
Sie sind schon auffallend vertraut miteinander tanzen zusammen auf der Bühne einen erotischen Tango ...
Burkart: Ich finde die Nähe von gleichgeschlechtlichen Personen etwas Spannendes. Auch weil man es nicht so oft sieht. Abgesehen davon wurde der argentinische Tango ursprünglich von zwei Männern getanzt. Seltsam, aber cool!
Fischer: Es tut den Menschen eben gut, wenn sie spüren, dass wir so oft anderer Meinung und trotzdem eine Einheit sind und uns gerne haben.
Was können Sie, Manuel Burkhard, uns an schrägen Hobbys und unerwarteten Eigenschaften über Jonny verraten, von denen sicher noch kein Zeitungsleser weiss?
Burkart: Er ist gar nicht schwul! (lacht) Also: Jonny hat mega Freude an Autos, er hat ein riesiges Fachwissen über Weine. Und er hat einen aufbrausenden Charakter!
Und was kann Jonny über seinen Bühnenpartner erzählen, das niemand von ihm erwartet hätte?
Fischer: Manu ist viel schweizerischer als man denken würde.
Burkart: Stimmt, ich habe ein Haus, eine Frau, einen Hund, zwei Kinder. Wie «stier» ist denn das?
Fischer: Also bitte, ich will nicht sagen bünzlig, auch wenn du bekennender Heavy-Metal-Fan bist und gerne auch mal etwas «lausig» durch die Gegend läufst.
Von Ihnen, Jonny Fischer, durfte man kürzlich erfahren, dass Sie um die Hand Ihres Freundes Michael angehalten haben. Auf wann ist die Hochzeit bzw. eingetragene Partnerschaft angesetzt?
Fischer: Das wird erst im Jahr 2016 sein. Ich bin nicht so traditionell, ich kann gut anderthalb Jahre warten. Die Info war eigentlich gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht, aber jemand aus dem Freundeskreis hat es ausgeplaudert ich nehme mal an, es war Manu.
Burkart: Wie? Was denn? Du hast dich verlobt?
Apropos Feiern: Sie beide kommen aus christlichen Familien. Wie wird bei Ihnen Weihnachten gefeiert?
Burkart: Bei mir kommt die ganze Familie, das sind unterdessen 18 Leute, in der kleinen, engen Küche meiner Eltern zusammen. Und dann gibt es das klassische Programm: Fondue chinoise, singen, dann Bescherung. Punkto Religion: Ja, meine Eltern gehen noch jeden Sonntag in die Kirche. Wir Kinder etwas weniger, aber wir haben trotzdem unseren Glauben behalten.
Fischer: Bei mir ist es anders: Genau wegen dieses christlichen Hintergrundes feiere ich nicht mehr mit meiner Familie. Das geht nicht. Wir sind bei den Schwiegereltern eingeladen. Ohne Geschenke, dafür mit Grappa.
Und Silvester?
Fischer: Da gibt es immer ein sehr gelungenes Fest im Freundeskreis. Dieses Jahr dürfen alle ein verhasstes Weihnachtsgeschenk mitbringen, und dann würfeln wir, wer es mit nach Hause nehmen muss.
Burkart: Sehr originell! Silvester ist immer der Tag im Jahr, der mich am meisten nervt. Ich kann mit dem Trara nichts anfangen und bin meist noch von Weihnachten gesättigt. Letztes Jahr gingen wir alle um elf Uhr ins Bett.
Nach dem krönenden Abschluss der Tournee mit dem Auftritt im Hallenstadion im Februar gibts bei Divertimento ein Jahr Pause. Wie bringen Sie das den Fans bei?
Fischer: Das ist bereits geschehen. Und niemand scheint uns das nicht zu gönnen. Es ist jetzt einfach mal Zeit für etwas Abstand nach 13 Jahren, um neue Ideen sammeln. Zuerst gehen wir mal beide in die Ferien, um einfach nur zu faulenzen.
Der Presse konnte man entnehmen, dass Sie während der Hälfte des Jahres nichts voneinander hören werden.
Burkart: Das ist sicher so am Anfang. Einfach mal etwas Funkstille, das tut gut, dann begegnet man sich ganz anders wieder.
Fischer: Ich glaube echt nicht, dass ich Manu schon nach zehn Tagen vermissen werde.
Burkart: Bist du sicher? Aber doch hoffentlich am elften Tag? (Interview Annette Wirthlin)