Barocke Schaukulisse zu Ostern

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In Oberwil hat ein Heiliggrab aus dem 17. Jahrhundert die Zeit überdauert. Derzeit ist das Prachtstück aufgestellt.

  • Im Jahr 2019 ist das barocke Heiliggrab von Oberwil restauriert worden. Es ist zur Osterzeit in der Niklausenkapelle aufgebaut. (Bild Stefan Kaiser)
    Im Jahr 2019 ist das barocke Heiliggrab von Oberwil restauriert worden. Es ist zur Osterzeit in der Niklausenkapelle aufgebaut. (Bild Stefan Kaiser)

Oberwil b. Zug – Viele Jahrzehnte hat es auf dem staubigen Kapellen-Dachboden in Oberwil unbeachtet sein Dasein gefristet – vor zwei Jahren konnte es schliesslich frisch restauriert und in weitgehend originaler Pracht erstmals wieder der Öffentlichkeit gezeigt werden: Das barocke Heiliggrab der Niklausenkapelle ist eine jener beeindruckenden Kulissen, wie sie früher nach alter Tradition ab dem Hohen Donnerstag bis Ostern im Kirchenchor aufgestellt wurden. Sie dienten als Schaubühne für die biblischen Geschehnisse an jenen Feiertagen.

Meist sind es mehrschichtige, reich gestaltete Holzarchitekturen, welche mit beweglichen Elementen den jeweiligen Feiertagsszenarien angepasst werden können. So sieht man beispielsweise zu Karfreitag am Ende der perspektivischen Konstruktion mit intensiver Tiefenwirkung den leblosen Körper des geschundenen Heilandes im Grab liegen, darüber das Allerheiligste in einer Monstranz. In der Nacht auf Ostern wird das Bühnenbild ausgewechselt, sodass am Ostertag der Auferstandene erscheint.

Die Kulisse fügt sich wunderbar in das barocke Innere der Niklausenkapelle ein und ergänzt dieses durch ihre beeindruckende illusionistische «Verlängerung» des Raumes. Auf der Schaufront ist über dem durch zwei korinthische Säulenpaare getragenen Gewölbe Gottvater mit der Weltkugel zu sehen. Er wird begleitet von Engelsfiguren, welche Attribute der Passionszeit in den Händen halten. Auf den Säulenpostamenten und damit den Eingang zum Heiliggrab flankierend stehen links der Evangelist Matthäus und ihm gegenüber der Prophet Jesaja. «Unterwegs» zum Grab begegnet man geflügelten Himmelsbotschaftern.

Das Kulissengrab von Oberwil ist im Jahr 1774 nachweislich vom Zuger Maler Josef Speck für die Kapelle St.Nikolaus gestaltet worden. Es besteht aus fünf hintereinander platzierten, in ihrer Form identischen, aber sich in der Grösse verjüngenden Kulissenelementen, was eine besonders starke Tiefenwirkung zur Folge hat. Man erhält den Eindruck, sich – wenn auch rein visuell – durch einen barocken Säulengang auf das Grab Christi zuzubewegen. Die heutige Gestaltung des Oberwiler Heiliggrabes entspricht nicht mehr vollständig dem ursprünglichen Erscheinungsbild: Gemäss Dokumentation sind um 1901 die nazarenischen Engelsfiguren hinzugefügt worden.

Rekonstruktion nach vergleichbaren Vorlagen

Bei der Restaurierung des Oberwiler Kulissengrabes hat man davon abgesehen, die später dazugekommenen Elemente wieder zu entfernen, da die darunterliegenden Malschichten vermutlich unwiederbringlich zerstört worden wären. Bereits in den 1970er- und 1990er-Jahren zog man es in Betracht, der Niklausenkapelle ihr Heiliggrab zurückzugeben. Wirklich umgesetzt worden ist das Unterfangen erst 2019 anlässlich des 400-jährigen Bestehens der Kapelle auf Initiative von Mathilde Tobler, ehemaliger Kulturgutverantwortlichen der Katholischen Kirchgemeinde Zug, in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege.

Da im Laufe der Zeit Teile abhandengekommen waren, mussten sie möglichst stilgerecht rekonstruiert werden. Da behalfen sich die Verantwortlichen einer Fotodokumentation des einstigen Heiliggrabes in der Pfarrkirche Risch, welches 1775 ebenfalls von Josef Speck aus Zug bemalt worden war. So liess sich in etwa rekonstruieren, wie die fehlenden Teile in Oberwil ausgesehen haben könnten.

Wertvolles Zuger Kulturgut

Von dieser in der Barockzeit bis ins 19. Jahrhundert hinein weit verbreiteten und für die Gläubigen bedeutenden Tradition solcher Schaugräber zur Osterzeit ist ein Grossteil verschwunden. Nach und nach aus der Mode gekommen, hat man sie entweder irgendwo eingelagert, wo sie verrotteten, oder man hat sie entsorgt. Dass das Oberwiler Heiliggrab die Zeit vergleichsweise gut überdauert hat, ist ein Glücksfall. Im Kanton Zug dürfte es das einzige seiner Art sein, das dem barocken Urerscheinungsbild noch so nahekommt.

Es gibt nur wenige Zentralschweizer Pfarreien – beispielsweise in den Kantonen Schwyz und Luzern –, wo noch nennenswerte Exemplare existieren und überhaupt der Öffentlichkeit gelegentlich gezeigt werden. Mit der Rettung und Instandsetzung des Heiliggrabes in Oberwil hat Zug ein wertvolles Kulturgut bewahrt und vermittelt mit dessen Präsentation anschaulich ein Bild von der tiefen Volksfrömmigkeit des 18. und 19. Jahrhunderts. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.