Grosse Leistung vor kleinem Publikum

Musik

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Zwei Mal Duo für Violine und Klavier: Das Gastkonzert von Anna Brunner, Violine, und Shaun Choo, Klavier, war auf Kontraste angelegt.

  • Anna Brunner (Violine) und Shaun Choo spielten in der Ägerihalle Werke von Fritz Kreisler und Johannes Brahms. (Bild Matthias Jurt)
    Anna Brunner (Violine) und Shaun Choo spielten in der Ägerihalle Werke von Fritz Kreisler und Johannes Brahms. (Bild Matthias Jurt)

Unterägeri – Das sorgfältig vorbereitete Programm brachte am Donnerstag, 16. September, mehrere kürzere Stücke von Fritz Kreisler (1875–1962) vor der Sonate für Klavier und Violine in d-Moll, Opus 108, von Johannes Brahms. Entgegen dem allgemeinen Konzertgebrauch folgte damit der für das Publikum anspruchsvollere Teil am Schluss. Fritz Kreisler war in erster Linie weltberühmter Geigen-Virtuose, und seine Kompositionen verfolgten vor allem den Zweck, mit spieltechnischen Spitzenleistungen das Publikum in der Unterägerer Ägerihalle zum Staunen zu bringen. So war es auch berechtigt, wenn das Publikum – im Gegensatz zur Brahms-Sonate – die einzelnen relativ kurzen Sätze mit Zwischenapplaus quittierte.

Dieses Publikum war aber lange nicht so zahlreich wie erhofft. Die Organisation durch die aus Berlin stammende Organisation «Keresztes Artists» ist offensichtlich noch nicht voll im Kanton Zug angekommen. Ziemlich genau 50 Leute verloren sich in der grossen Ägerihalle, und die sehr rasch gesprochenen und berlinerisch gefärbten Begrüssungsworte wurden nur teilweise verstanden.

Viel besser fanden sich Anna Brunner und Shaun Choo mit der Akustik zurecht. Bis ins Pianissimo füllte die Violine den Raum; unter berufener Hand gelang mit dem geöffneten Steinway-Flügel in allen Abstufungen stets ein angemessenes klangliches Gleichgewicht. Neben dem virtuosen Brahms-Klavierpart beinhaltete dies auch die Wiedergabe der an sich undankbaren Kreisler-Begleitung, welche dadurch nicht ganz so nebensächlich wirkte, wie vom Komponisten gedacht.

In Brahms Violinsonate dominiert der Flügel

Im Gegensatz zu den oft leicht hingeworfenen Arbeiten Kreislers arbeitete Brahms als Komponist sehr ausdauernd und vor allem auch selbstkritisch. Die erste Fassung der Violinsonate Opus 108 entstand 1886 bei einem Aufenthalt am Thunersee – übrigens am Wohnort der Violinistin –, aber die Uraufführung erfolgte erst mehr als zwei Jahre später.

Das Werk wurde dem damals weltbekannten Dirigenten und Klaviervirtuosen Hans von Bülow gewidmet, nicht einem Geiger. Entsprechend dominiert nach Anteil an der Thematik und Virtuosität das Tasteninstrument. Damit wurde gegenüber Kreisler ein weiterer Kontrast geschaffen; denn dieser verstand den Klavierpart nur als harmonische Stütze der viel wichtigeren Violine.

Beide Interpreten zeigten sich nach Spieltechnik und Gestaltung von der besten Seite. Shaun Choo blieb den hohen spieltechnischen Anforderungen bei Brahms nichts schuldig. Ein angemessenes Gleichgewicht entstand aber dadurch, dass sich der im Streicherspiel anfänglich unerfahrene Brahms von Geigenvirtuosen beraten liess, sodass auch ein Violinpart entstand, wie ihn technisch versierte Virtuosen gerne spielen.

Kreislers Musik stellte verschiedene Ansprüche

Souverän und gut nachvollziehbar gestaltete Anna Brunner die Sätze von Kreisler. Sie stellten unterschiedliche Ansprüche an die Violintechnik – sehr hohe etwa im «Zigeuner-Capriccio», viel bescheidenere in den ersten Sätzen, welche zum Teil barocke Stilprinzipien nachahmten. Übrigens soll Kreisler einmal die gesamte Kritikergarde mit Erfolg gefoppt haben, als er eine Eigenkomposition als wieder entdecktes bisher verschollenes Werk von Giuseppe Tartini (1692–1770!) ausgab.

Trotz schlecht besetzter Reihen bemühte sich das Publikum um einen kräftigen Applaus. Er wurde mit der Bearbeitung für Violine und Klavier des Klavierstücks «Grateful Ghost Rag» von William Bolcom (geb. 1938) verdankt. Damit gelangte man wieder in den Bereich gehobener Unterhaltung des ersten Konzertteils. (Text von Jürg Röthlisberger)