Im eigenen Garten geerntet

Kunst & Baukultur

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Diesen Winter gilt es nicht nur Guetzli und Glühwein zu geniessen, sondern auch lokale Kultur. Die droht nämlich ungewollt im Winterschlaf zu verschwinden, obwohl es soviel zu entdecken gäbe. Ein geheimes Kollektiv will das ändern.

  • Das T-Shirt von SupartZug. (Bild: Evgeny Nuzhaev)
    Das T-Shirt von SupartZug. (Bild: Evgeny Nuzhaev)
Zug (Kanton) – Dieser Beitrag von Laura Livers ist in der Dezember-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Beiträgen.

Es sieht kulturell grad ein bisschen düster aus auf der ganzen Welt.
Zwischen Zeitumstellung, Nebel und der Pandemie vergräbt sich der Mensch – sofern er kann – auf der Couch mit Chips und Netflix und wartet auf den Frühling. Viel mehr hat der Winter dieses Jahr nun mal nicht zu bieten. Oder vielleicht doch?
Es munkelt nun schon seit Wochen in verschiedenen Ecken, dass es da etwas gibt. Unter dem Namen SupartZug haben sich Kulturschaffende aus der freien Szene ein ganz besonderes Projekt ausgedacht: ein Kultur-Soli-T-Shirt. Dieses Shirt ist aber nicht einfach nur ein Kleidungsstück – notabene Fairtrade-zertifiziert mit Unikatmotiv, bestehend aus den Höhenlinien des Kantons Zug, bedruckt. Sondern, gut versteckt, auch mit einem QR-Code.
Hinter diesem Code versteckt sich, je nach Wunsch, ein Stück Musik oder ein Kunstwerk aus lokaler Produktion.

Überraschungsei mit Solidaritätsgedanken
Wer genau sich hinter den einzelnen QR-Codes versteckt, wissen nach der grossen Druckaktion Mitte November nicht einmal mehr die Initiant*innen von SupartZug. Das ist auch nicht wichtig. «Mit diesem Projekt wollen wir nicht einzelne Kulturschaffende fördern, sondern die freie Szene als Ganzes», lässt Severin Hofer verlauten, einer der Initiant*innen. «Wir wollen ein Momentum generieren, das Bewusstsein für lokale Kultur aufrechterhalten. Denn die gibt es, und sie ist megatoll.»
Unterstützt werden die Kulturschaffenden durch das Shirt natürlich trotzdem, denn die Einnahmen aus dem Verkauf gehen nach Abzug der Produktionskosten zu solidarischen Anteilen an alle Teilnehmenden. «Den grossen Kassensturz machen wir an Weihnachten», sagt Martin Riesen, ebenfalls Initiant. «Wir hoffen, dass wir dadurch jedem Kulturschaffenden zum Beispiel eine Bandraummiete oder eine Materialanschaffung abnehmen können.»

Warten auf den Frühling
Der Kanton Zug ist klein, aber dicht besiedelt: 127 642 Einwohner auf 238,73 km2 per Ende 2019. Und doch hat man das Gefühl, den Kanton und seine Bewohner*innen bereits alle zu kennen. Dass dieser Schein trügt, zeigte sich auch den Initiant*innen von SupartZug.
Als freie Kulturschaffende, die seit Jahren in der Szene unterwegs sind, kannte keiner alle Namen auf der geheimen Liste der Teilnehmenden, gefolgt von einer langen Google-Session und Ausrufen wie «Ah, warum kannte ich die noch nicht?». Und genau dieser Effekt ist das längerfristige Ziel des Projektes. Es soll die Träger*innen der Shirts animieren, sich mit lokaler Kultur auseinanderzusetzen. Und auch die Nichtträger*innen und die Eingeweihten können davon profitieren.
Wenn dann im Frühling unsere Wintermäntel endlich in der Waschmaschine landen, die Sneakers aus dem Schrank geholt werden und das Stosslüften nicht mehr nur Pandemiezwang ist und man befreit durch die Strassen läuft und so ein Shirt entdeckt, dann wissen Sie nun alle: Da steckt mehr dahinter. Und wenn man den shirttragenden Menschen noch nicht kennt, dann weiss man zumindest, wie man ein erstes Gespräch – mit Abstand und vielleicht auch Maske – beginnen kann. Zum Beispiel mit: «Uh, wer hesch du denn druff?» Oder etwas höflicher: «Äxgüsi, darf ich frage, wer isch denn bi Ine uf em T-Shirt versteckt?» Oder International: «Excuse me, may I ask which artist is hidden on your shirt?» Oder nonverbal: winken, auf das Shirt zeigen, mit den Fingern ein Viereck formen (Daumen und Zeigefinger strecken und eine Hand nach vorne drehen) und fragend dreinschauen.
Und im besten Falle lernt man nicht nur ein neues Puzzleteil unserer heimischen Kulturlandschaft kennen, sondern auch einen weiteren Bewohner oder eine weitere Bewohnerin dieses kleinen, aber feinen Kantons namens Zug. Und im allerbesten Falle schaut man auf einen Kulturkalender, denkt sich: «Huch, den Namen hab ich doch schon mal gelesen», und geht hin an dieses Konzert, diese Ausstellung, diese Tanzvorführung, dieses Happening.
Und im allerallerbesten Falle denkt man sich: «Hm, kenn ich nicht», und geht trotzdem hin. Denn Neues entdecken kann unglaublich schön sein. Dann, wenn wir endlich wieder dürfen, wenn wir endlich wieder können, mit gutem Gewissen und sicherem Gefühl. Im neuen Jahr.

(Text: Laura Livers, Mitinitiantin von Supart Zug)

Information zu den T-Shirts
Die Shirts gibt es digital zu erwerben oder unter der Woche am Nachmittag im Paettern Lightup Atelier, Alpenstrasse 13, 6300 Zug.
www.paettern.ch

Zum Fotografen: Evgeny Nuzhaev, geboren in Russland und aufgewachsen in Zug, ist seit fünf Jahren in seinem Heimfotostudio tätig und fokussiert sich hauptsächlich auf moderne Stillleben. Die Illusion vom Schweben, die Komposition und die Abwesenheit von Raum sind die Hauptmerkmale seiner Fotos. Abseits vom freien Schaffen fotografiert er seit mehreren Jahren auch für Geschäftskunden.
silodka.ch