Jodeln als Sprache des Herzens

Musik

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Naturjodlerin Natalie Huber vermittelt die «älteste alpine Sprache der Welt» in einem Kurs der Musikschule Zug.

  • Natalie Huber zeigt die Übungen vor. (Bild Mathias Blattmann)
    Natalie Huber zeigt die Übungen vor. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Auf Ihrer Website bezeichnet es Natalie Huber als «Juuzen und Johlen», was sie seit Februar im «Haus zum Lernen» an der Zuger St. Oswalds-Gasse unterrichtet. «Mit einfachen Lauten und Melodien steigen wir in eine Welt voller gejodelter Melodien, die ohne Text auskommen und gerade deswegen so viel erzählen können.»

Das Wort «Jodeln» sei quasi der Überbegriff für diese Stimmäusserungen, so Huber. Und weil man dabei nicht sprachlich-begrifflich denkt, sondern aus Körper und Kehlkopf zwanglos Töne erzeugt, die sich allmählich zu Jauchzen, Frohlocken, Jammern und Singen entwickeln, nennt es die professionelle Naturjodlerin im Titel ihrer Kursausschreibung auch «Sprache des Herzens». Diese wird in Zug auch vom 16. bis zum 18. Juni zu hören sein, wenn hier das Eidgenössische Jodlerfest stattfinden wird.

Unterschiedliche regionale Jodeltraditionen

Im lang gezogenen Musiksaal mit grossem Flügel finden sich am Mittwochabend fast 20 Teilnehmende ein, etwa ein Drittel davon Männer. Die meisten von ihnen sind pensionierte Menschen, aber auch ein paar Jüngere bringen sich sofort hoch motiviert ein. Ein älterer Mann namens Fredi erzählt, dass sie an den beiden ersten Kurstagen den «Muotathaler Naturjuuz» kennen gelernt hätten und dass heute der «Appenzeller Jodel» dran sei. Ja, dabei handle es sich um das «Zauren», bestätigt die Lehrerin – ebenfalls ohne Worte, und dies sei so etwas wie «ein anderer Groove, ein anderes Genre». Jodeln kenne viele regionale Unterschiede. Sie erwähnt auch den «Schrei-Juuz» und macht ihn sofort vor – mit kräftiger Stimme, die viele Obertöne hat.

Dass Natalie Huber nicht nur Expertin für natürliche Stimmentwicklung, Atemschulung und Gehörbildung, sondern auch eidgenössisch diplomierte Heilpraktikerin und Qi-Gong-Lehrerin ist, merkt man während der 90-minütigen Lektion allenthalben.

Sehr sorgfältig führt sie ein Warm-up durch, in dem Arme und Rippen gedehnt, Brustkörbe geweitet und Wirbelsäulen gelockert, die Verbindung Brustbein-Kinn bewusst gemacht und die Resonanzräume im Schädel geweitet werden. Sehr bald vibriert der ganze Raum, schütteln sich die Körper, Kiefer und Zwerchfelle. Atem und Töne kommen hinzu, seufzende, erleichterte, ausströmende.

So etwas wie Glück aus purem Klang

Und man sieht es: Die Gesichter der Teilnehmenden öffnen sich, die Mienen werden entspannt und belebt. Immer mehr Klänge und Tonimpulse aus Brust- und Kopfstimme summen und flattern und erklingen durch den Raum, immer präsenter werden die Stimmen.

Dann arbeitet Huber mit den Singenden längere Zeit an einer mehrstimmigen Jodelpassage: Während eine Gruppe eine bereits bekannte Melodie juuzt, hält eine zweite die Basslinie aus Grundton und Quint – «wie wenn ihr ein Alphorn wärt», sagt Huber dazu.

Eine dritte Gruppe übernimmt die zweite Stimme. Es klappt noch nicht ganz, denn alle arbeiten nach Gehör. «Die Harmonie kann einen verwirren», kommentiert die Lehrerin, «aber auch glücklich machen.»

Purer Klang aus harmonierenden Vibrationen des eigenen Körpers im Kontakt mit anderen – etwas wie Glück muss es sein, denn die Teilnehmenden sind nun ganz hingegeben an die Töne, die auf verschiedenen Höhen eingeübt werden. Und weiter geht es zum «häufigsten Wechsel in der Schweizer Volksmusik», einer Abfolge von Akkordwechseln mit je drei Stimmen. Und am Schluss kommt dann wirklich der Appenzeller «Buebe-Zäuerli» dazu, Natalie Huber singt ihn vor, alle nehmen ihn mit dem Handy auf. «Damit hat man sich Glück gewünscht, um dann die Kuhschellen klingen zu lassen, sie sollten die bösen Geister vertreiben», beschreibt es die Jodellehrerin.

Sie erwähnt den Film «Guets Neus» von Thomas Lüchinger, in dem das alte, wilde Ritual der Silvesterkläuse mitsamt der Melodie vorkommt. (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis Weitere Informationen zu Natalie Hubers Jodelkursen: www.musikschulezug.ch