Ein Leben für die Musik

Musik

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Als Jugendlicher trat Toni Hürlimann in die Musikgesellschaft Walchwil ein. Fast 50 Jahre später ist er immer noch dabei und spielt er das Eufonium nach wie vor mit Leidenschaft.

  • Toni Hürlimann, hier auf seiner Terrasse, hat für die Musik lieber andere Hobbys aufgegeben. (Bild Matthias Jurt)
    Toni Hürlimann, hier auf seiner Terrasse, hat für die Musik lieber andere Hobbys aufgegeben. (Bild Matthias Jurt)

Walchwil – Ob er Wolfgang Rust als Rekordhalter ablösen wird? Vor kurzem hätte Toni Hürlimann gesagt: auf keinen Fall. Doch jetzt ist er sich da nicht mehr so sicher. Seit bald 50 Jahren ist der 64-Jährige in der Musikgesellschaft Walchwil (MGW) aktiv. Sein Instrument ist das Eufonium. Doch wie auch seine Kameradinnen und Kameraden in der MGW ihre Instrumente nennt er es sein «Guugi». Toni Hürlimann mag es unkompliziert. So ist man auch gleich per Du mit dem «Ochsenrüti-Toni», wie er im Dorf der vielen Hürlimänner zwecks einfacherer Wiedererkennung genannt wird.

Als er mit 15 Jahren in die MGW eintrat, waren die Umgangsformen noch umständlicher. «Die Älteren musste man siezen», erinnert er sich. Doch das sei lange vorbei. Was sich hingegen nicht geändert habe, sei die tiefe Verbundenheit der Mitglieder. Sie ist es, die Toni Hürlimann all die Jahrzehnte nie veranlasst hat, einen Austritt in Erwägung zu ziehen: nicht als er berufstätig wurde, nicht als er eine Familie gründete. «Ich habe stattdessen lieber anderes aufgegeben», sagt er und erwähnt das Sportschiessen, das Klettern oder das Theaterspielen. Die MGW, in welcher der Altersunterschied zwischen dem ältesten und dem jüngsten Aktivmitglied zeitweise über 60 Jahre betrug, habe ihn immer jung gehalten. «Die gegenseitige Akzeptanz ist die Grundlage eines gesunden Vereinslebens», hat Toni Hürlimann festgestellt.

Der Zusammenhalt überzeugt

Das bezieht sich nicht nur auf Generationenfragen, sondern auch auf die Herkunft. Denn obwohl die MGW mit 126 Jahren ein Traditionsverein sondergleichen in Walchwil ist, sei es nicht wichtig, woher ein Mitglied stammt. So finden auch Expats den Weg in den Gemeindesaal, wo die Walchwiler seit einigen Jahren proben. «Die Musik ist das verbindende Element», sagt Hürlimann und erzählt die Geschichte eines besonderen Zugangs vor einigen Jahren. Ein unbekannter älterer Herr sei ihm und anderen Mitgliedern als regelmässiger Hörer aufgefallen, sie sprachen ihn an. Er erklärte, neu eine Alterswohnung in der Gemeinde zu bewohnen und früher selbst andernorts Musik gemacht zu haben. Toni Hürlimann schildert: «Wir fragten ihn, ob er mal zur Probe kommen will. Er wartete noch etwas, bevor er dann tatsächlich mitmachte – der konnte allerdings was!» Es stellte sich heraus, dass der Herr zuvor während der Proben draussen heimlich zugehört hatte. «Er wollte wissen, wie wir miteinander umgehen, denn in seinem früheren Verein sei der Zusammenhalt nicht so gut gewesen. Bei uns gefiel es ihm auf Anhieb.»

Toni Hürlimann sagt, dass die Stimmung nie schlecht gewesen, in den letzten Jahren aber ganz besonders gut sei. Dazu beigetragen habe der Dirigent Roland Hürlimann (seit 2005), der durch neue Stücke sowie die Einführung von Formationen einen neuen Ehrgeiz für das Musizieren geweckt habe. Toni Hürlimann führt aus: «Wir waren eigentlich ein klassischer Verein der dritten Stärkeklasse. Unter Roli spielen wir mittlerweile aber durchaus auf Zweitklasse-Niveau.»

Dennoch wirbt die Musikgesellschaft Walchwil derzeit intensiv um neue Mitglieder. Das sei eine wiederkehrende Situation und keinerlei Anzeichen für eine Krise. «Viele ziehen weg oder setzen andere Prioritäten, das ist völlig normal», weiss Hürlimann aus seiner fast fünf Jahrzehnten währenden Erfahrung. Manche würden später auch wieder zurückkehren, sodass gebürtige Walchwiler heute von Ägeri, Zug oder auch von weiter her zu den Proben fahren würden.

Der Ausfall des Jubiläums ist besonders bitter

Seit nicht allzu langer Zeit ist das gemeinsame Musizieren in einem Raum nach langer Pause überhaupt wieder möglich. Wegen der Covid-19-Pandemie waren Proben zunächst nur online und anschliessend lediglich in kleineren Formationen möglich. Die Jahreskonzerte in diesem und im letzten Jahr fielen aus. 2020 war zudem das 125-Jahr-Jubiläum der MGW, das ebenfalls nicht begangen werden konnte. Und auch Ausflüge waren nicht möglich. Sie sind es, die in Toni Hürlimann besonders lebhafte Erinnerungen hervorrufen. Wie damals im elsässischen Colmar, als der Regen sich genau auf das Spiel der Walchwiler eingestimmt habe. Oder die Teilnahme an einem zweieinhalbstündigen Umzug durch drei holländische Dörfer bei 35 Grad in Vollmontur. Hürlimann schildert lachend: «Und in Oberstdorf spielten wir einmal auf dem Nebelhorn, das seinem Namen alle Ehre machte. Es war deshalb ein Konzert für Gämsen und Bergdolen.»

Der Pensionär hat grosse Lust darauf, sich noch mehr Erinnerungen anzueignen. Deshalb wird er aller Voraussicht nach nicht, wie er sich irgendwann einmal vorgenommen hat, nach 50 Jahren als Aktivmitglied aufhören. Die eingangs erwähnte Bestmarke von Wolfgang Rust liegt bei 64-jähriger Aktivmitgliedschaft in der Musikgesellschaft Walchwil. Toni Hürlimann werde sie wohl nicht übertreffen, «dem Verein aber noch eine Zeit lang treu bleiben». (Raphael Biermayr)

Hinweis
In dieser Serie werden die dienstältesten Freiwilligen Zuger Organisationen vorgestellt.