Kontrast der Jahrhunderte

Musik

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In Triobesetzung überzeugte das Zuger Ensemble Chamäleon erneut – diesmal mit je einem Werk an der Schwelle des 19., des 20. und des 21. Jahrhunderts.

  • Das eingespielte Ensemble Chamäleon zeigte sich an seinem Konzert in der Gewürzmühle wie immer in jeder Stilrichtung sattelfest. (Bild Mathias Blattmann)
    Das eingespielte Ensemble Chamäleon zeigte sich an seinem Konzert in der Gewürzmühle wie immer in jeder Stilrichtung sattelfest. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Das Katz-und-Maus-Spiel mit dem Coronavirus trifft fast alle aktiven Musikgruppen. Diesmal war das Ensemble Chamäleon auf der Gewinnerseite: Das Konzert in der Gewürzmühle Zug konnte in der vorgesehenen Form durchgeführt werden, und auch das Publikum liess die Ausführenden nicht im Stich. Es wäre sonst wirklich schade gewesen für die ein weiteres Mal sehr sorgfältige Vorbereitung.

Genau im Jahr 1800 veröffentlichte Beethoven seine drei ersten Klaviertrios mit Opuszahl, unter welchen das gespielte Nr. 2 in G-Dur wohl das bedeutendste ist. Vom ersten Takt an fanden Tobias Steymans, Violine, Luzius Gartmann, Violoncello, und Madeleine Nussbaumer, Klavier, die richtige Stilschicht zwischen der verklingenden Haydn-Tradition und der anbrechenden Romantik. Nach der langsamen Adagio-Einleitung – eine interessante Parallele zur fast gleichzeitig entstandenen Ersten Sinfonie – führte ein angedeutetes Fugato zu einem Wechselspiel der drei Instrumente, welches bereits über das Struktur-Prinzip der Haydn-Trios hinausreichte. Angemessenes Gewicht erhielt der umfangreiche, vom Aufbau her auf zukünftige Kompositionsformen hinausweisende Largo-Satz. Eher gemütlich erschien das kurze Scherzo. Es schaffte damit Kontrast zum sehr behände angegangenen Presto, das lange eher frühklassisch wirkte – genau bis zu jener sehr gut herausgearbeiteten Überleitung ins Seitenthema, die dann doch wieder als Vorbote der Romantik erschien.

Gut hundert Jahre später hatte auch Gabriel Fauré (1845–1924) gleich wie Beethoven schon zu Lebzeiten öffentliche Anerkennung gefunden. Als Auftragsarbeit komponierte er ein Jahr vor seinem Tode als fast Ertaubter sein Klaviertrio Opus 120. Bewahrt blieb offensichtlich sein Sinn für klare Formen, so wie ein stilsicheres Gefühl dafür, was Streicher mit entsprechendem Können gerne spielen. Meistens bildeten Violine und Cello eine Art Duo, teilweise in parallelem Rhythmus hin bis zur Gleichstimmigkeit, manchmal auch mit kurz fugierten Einsätzen. Die Thematik ging meist von den Streichern aus, und teilweise erinnerte die Struktur an eine barocke Triosonate.

Voll nachromantisch erklangen aber die harmonischen Abfolgen, manchmal – besonders im dritten Satz – in etwas erweiterter, aber nie völlig aufgelöster Tonalität. Ein weiteres Mal bewunderte man die Qualität der Interpretation, auch als auf das Ende des ersten Satzes die spieltechnischen Anforderungen (Cello!) plötzlich stark erhöht wurden. Von der Komposition her unvermeidlich war wohl das Dauer-Forte des letzten Satzes, welches teilweise die akustischen Grenzen des voll besetzten Saales aufzeigte.

Zeitgenössisches als purer Kontrast

Und zu Beginn des 21. Jahrhunderts? Die sogenannte Moderne dauert schon hundert Jahre, und in diesen Jahrzehnten hat sich die feste musikalische Struktur bereits mehrmals bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst. Was bleibt da noch zu komponieren? Irgendwie glaubte ich, diese Frage auch hinter dem Trio des 1946 geborenen Lettländers Pēteris Vasks zu hören. Das einsätzige «Lonely Angel» wird wenigstens teilweise als Programm-Musik für die Erlösung der geschundenen Welt verstanden. Das harmonische Grundgerüst präsentiert sich eher konventionell. Über die längste Zeit spielten die beiden Streicher lang gehaltene Töne, manchmal bis in die extremsten Lagen. Das Klavier ergänzte sie mit Sechzehntel-Gruppen, welche über lange Strecken nur wenig harmonisch oder dynamisch variiert wurden.

Den langen und intensiven Schluss-Applaus verdankten die drei Ausführenden mit einer viel besser fasslichen Zugabe: «Salut d’amour» – die weltbekannte Melodie von Edward Elgar (1857–1934) in Bearbeitung für Klaviertrio. (Jürg Röthlisberger)