Kawamatas hölzerne Spur durch Zug

Art & Architecture

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Seit drei Dekaden errichtet Tadashi Kawamata Installationen im öffentlichen Raum aus Holz. Am Sonntag gewährte der Japaner exklusiven Einblick in sein Schaffen.

  • Tadashi Kawamata zu Besuch in Zug. Der hölzerne Steg vor dem Kunsthaus ist Teil des Projekts «Work in Progress». (Bild Stefan Kaiser)
    Tadashi Kawamata zu Besuch in Zug. Der hölzerne Steg vor dem Kunsthaus ist Teil des Projekts «Work in Progress». (Bild Stefan Kaiser)

Zoug – Im Rahmen der 25-Jahre-Festivitäten war im bis auf den letzten Platz besetzten Kunsthaus der japanische Konzeptkünstler Tadashi Kawamata zu Gast. Der 61-Jährige ist in Zug physisch selten anwesend, seine Werke aber sind es. Bereits 1996 vereinbarte das Kunsthaus Zug eine mehrjährige Zusammenarbeit mit Kawamata seine Werke sind in der Stadt als «Work in Progress» bestens bekannt. Beinahe unscheinbar, aber dennoch spektakulär beispielsweise der «hölzerne Stationenweg» durch Zug, der bis zum Kunsthaus führt. Oder die Installationen beim Zuger Strandbad.

Am Sonntag bot der Künstler eine Werkschau, ein Vortrag mit Charme und Humor. Tadashi Kawamata selbst zeigte sich als Künstler mit Charisma, ganz und gar unprätentiös und bescheiden. Seine Gebilde markieren einen Grat zwischen Funktionalität, Absurdität und künstlerischer Freiheit nicht alles muss begehbar sein, nicht immer machen die Holzkonstruktionen Sinn. Müssen sie auch nicht, wie der Künstler findet. Er selbst bezeichnet sich gerne als Visual Terrorist, besonders seine früheren Arbeiten seien weniger klar und strukturiert.

Bewusste Provokation

Tadashi Kawamata erregt stets wieder Aufmerksamkeit mit seinen Installationen aus Holz. Er baut Wege, Stege und Brücken und oft auch Türme. Manche werden so konstruiert, dass sie besuch- und begehbar sind, andere sind als bewusste Provokation gedacht dann etwa, wenn ein schiefes Kawamata-Türmchen in Tokio auf einen Wolkenkratzer blickt. National sorgte Kawamata für Schlagzeilen, als der Künstler vor der Art Basel eine Installation mit dem Namen «Favela Café» aufstellte. Durchaus funktional, aber eben im typischen Stil des Künstlers – eine schiefe Brettkonstruktion, wohl durchdacht und sorgfältig konstruiert – mit den für ein Armenviertel typischen Blechdächern. Sicherlich gedacht als eine Art künstlerische Mimikry real existierender sozialer Verhältnisse. Zu viel für die Basler: Damals protestierten Kunstaktivisten mit Musik gegen die Dekadenz, die Polizei musste Tränengas einsetzen. Das war im Jahr 2013, Tadashi Kawamata erinnert sich aber noch gut daran. «Ich bekam mitten in der Nacht einen Anruf, das Kunsthaus Zug hat mich über die Vorfälle in Basel informiert», erklärte der Künstler an seinem Vortrag. Es sei das erste und einzige Mal gewesen, dass seine Kunst als derartige Provokation empfunden wurde. «Ich arbeite mit Interventionen in der Stadt, in der Gesellschaft, im öffentlichen Raum. Meine Kunst ist laut, aber sie soll nicht unangenehm sein.»

Wie organisch gewachsen

Während des Vortrags wurde klar, wie global der Künstler agiert und gleichzeitig doch immer versucht, seine Werke in einen entsprechenden Kontext zu setzen, auch was das Baumaterial betrifft. Dieses stammt in der Regel aus der direkten Umgebung. Kawamata arbeitet stets auf den Kontext bezogen; welches Brett er wohin schraubt, entscheidet er jeweils oft spontan, und meistens kommt es vor Ort noch zu spontanen Adaptionen seiner zuvor hergestellten Modelle aus Mikadostäbchen. Immer aber entsteht der Eindruck, seine Konstruktionen seien organisch gewachsen. So leicht die Installationen oft wirken, so schwierig sind die Behördengänge. Die Auflagen seien teilweise enorm. Tadashi Kawamata fällt spontan das Beispiel USA ein: «Ich wollte eine Installation in New York realisieren. Das Land gehörte dem Staat New York, verantwortlich für die Bewilligung war aber die Stadt New York.» Kawamata brauchte alleine für die Bewilligung mehr als ein halbes Jahr. «Gut zwei Drittel meiner Gesuche werden abgelehnt.» In Zug war es einfacher, dort konnten seine poetischen Holzkonstruktionen realisiert werden. «Work in Progress in Zug» ist so der Künstler – aber noch nicht abgeschlossen. «It is just stopped – but it is not finished.»

Die Fragilität des Lebens

Kein rechter Winkel, der Klarheit schafft. Es sind ephemere Konstrukte, die uns an die Fragilität des Lebens erinnern. Vor allem aber stehen seine Baustellen für das kollektive Engagement: Gemeinsam arbeiten die Studenten auf ein Ziel hin, ohne dass es einen genauen Plan gibt. Kawamata hinterfragt nicht nur unser Verständnis von Raum, sondern auch, wie wir diesen erschaffen. Er bewegt sich damit zwischen Kunst und Architektur. Seine banaleren Turmprojekte zeigen aber: Am stärksten ist er, wenn er die Konventionen des Bauens umgeht. (Haymo Empl)

Sein Leben als «Zugvogel»

ZUR PERSON. Der Konzeptkünstler und Fotograf Tadashi Kawamata (*1953) erlangte frühen Ruhm, als er 28-jährig zur Biennale di Venezia eingeladen wurde. Bereits dort ergänzte er den japanischen Pavillon um eine Holzbalkenkonstruktion. Es folgten Exponate an der Documenta 8 («Destroyed Church») und IX («People’s Garden») sowie Einzelausstellungen in Deutschland und am Centre Pompidou in Paris. Ausserdem machte er sich mit Aussen­instal­lationen wie den Baumhäusern am Haus der Kulturen der Welt, Berlin, oder dem «Gandamaison» am Schloss Versailles einen Namen.

Auch in Zürich, Zuoz (Hotel Castell), Neuchâtel, Basel, Uster und für Schweizer Privatsammler entstanden Arbeiten. Noch ein weiteres Jahr ist sein «Scheiterturm» auf dem Gelände der Kartause Ittingen zu sehen. Die begleitende Ausstellung «Prekäre Konstruktionen» läuft vom 13. April bis 19. Oktober im Kunstmuseum Thurgau im Klosterkomplex.

Nach einem Leben als «Zugvogel», wie er es selbst bezeichnet, lebt Kawamata seit 2007 mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in Tokio und Paris. Dort ist er an der Ecole nationale supérieure des beaux-arts als Professor tätig.