Gebrochene Widerstandskraft

Kunst & Baukultur

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Als sich die Korporation namhafte Kunst gönnte: Drei massive Eichenstämme dienten 2013 einem renommierten Landart-Künstler für die Gestaltung einer Leerfläche vor der Kanzlei.

  • Mit der Motorsäge hat Urs-Peter Twellmann die drei Eichenstämme bei der Korporation Unterägeri «geöffnet». (Bild Patrick Hürlimann)
    Mit der Motorsäge hat Urs-Peter Twellmann die drei Eichenstämme bei der Korporation Unterägeri «geöffnet». (Bild Patrick Hürlimann)

Unterägeri – Nachdem das Kanzleigebäude der Korporation Unterägeri an der Kreuzung Binzenmatt/Zugerbergstrasse allmählich zu klein und mehr Raum für Büros notwendig geworden war, genehmigte die Korporationsversammlung im Jänner 2001 den Kredit für eine Erweiterung des bestehenden Gebäudes. Es entstand ein länglicher Anbau mit Holzfassade, davor eine Reihe von Parkplätzen. Später plante die Korporation, die Freifläche im Winkel der beiden hier sich kreuzenden Strassen gestalterisch zu bespielen. Vorerst liebäugelte man mit einer Brunnenanlage, entschied sich dann aber für ein skulpturales Kunstwerk. Dass dieses eines aus Holz werden sollte, war allein insofern naheliegend, als die Korporation Unterägeri selbst weitläufige Waldflächen besitzt.

Massives Holz wird leicht und verletzlich

Den Auftrag für die künstlerische Gestaltung vergab die Korporation im Jahre 2012 an den bekannten Berner Landart-Künstler Urs-Peter Twellmann (*1959), welcher sich mit spektakulären Holzkunstwerken international ein Renommee erarbeitet hat. Twellmann liess sich für sein Unterägerer Projekt drei mächtige Eichenstämme aus dem Baumbestand der Korporation anschaffen. Auf unterschiedliche Höhen zugeschnitten, zerteilte der Künstler die entrindeten Stämme der Länge nach in je sechs Teile – analog eines 3D-Puzzles. Zusätzlich sägte er mehrere quadratische Durchbrüche in jeden der Stämme. Diese hat er schliesslich so auf dem grundierten und danach mit Kies aufgefüllten Plätzchen positioniert, dass die Teile zwar korrekt zusammengefügt sind und ineinandergreifen, aber stets mit einem zwei bis drei Finger breitem Freiraum zwischen den zusammengehörenden Flächen. So erschliesst sich dem Betrachter denn auch gleich der Titel der Skulpturengruppe – «Eiche geöffnet». Durch diese Zwischenräume wie auch die Durchbrüche strahlen die mächtigen, «geöffneten» Eichenstämme eine Leichtigkeit, ja Verletzlichkeit aus. Ihre natürliche Widerstandskraft ist gebrochen.

Bewusst hat Twellmann das Holz nicht dahingehend bearbeitet, dass es konserviert bleibt. Denn der Sinn des Kunstwerkes ist auch, dass es dem natürlichen Alterungsprozess ausgesetzt ist wie alles andere Vergängliche. So hat der Zahn der Zeit in den vergangenen sechs Jahren bereits deutlich an der Installation genagt. Die Oberfläche ist dunkel und rau geworden, die Kanten sind abgestumpft. Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Wind und Wetter haben das tote Holz altern lassen.

Unter Einsatz grosser Körperkraft

Der gebürtige Emmentaler Urs-Peter Twellmann hat seine künstlerische Ausbildung in Bern und New York erhalten. Holz jeglicher Beschaffenheit und Form ist der Grundstoff für Twellmanns Arbeit, der Künstler setzt sich intensiv mit dem Material auseinander, immer wieder von Neuem. Eine Charakteristik seines Arbeitsprozesses ist der oftmalige Einsatz grosser Körperkraft. Twellmann zerbricht das Holz, spaltet es, zersägt es, fügt es zu einem (neuen) Ganzen zusammen. Sein Hauptarbeitsinstrument ist und bleibt jedoch die Motorsäge, von denen der Künstler Exemplare in allen möglichen Grössen anwendet. Viele seiner Kunstwerke sind hochkomplex und so feingliedrig, dass sie beim geringsten Lufthauch zu zerbrechen drohen – so nimmt man es zumindest wahr. Twellmann kreiert filigrane Kleinplastiken fürs Wohnzimmer wie auch mannshohe Skulpturen oder grossformatige Installationskonzepte für den Aussenbereich.

Zu Letzteren gehört auch «Eiche geöffnet» bei der Korporationskanzlei in Unterägeri. Obschon diese dreiteilige Skulptur zu den weniger aufwendigen, grobschlächtigeren Arbeiten Twellmanns gehört, fügt sie sich mit der typischen Handschrift des Berners in dessen Oeuvre ein. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir ­wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.