Prinzen und Hexen übernehmen das Ruder

Literatur & Gesellschaft, Brauchtum & Geschichte

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Am 36. Zuger Märlisunntig wurden an 32 Orten Märchengeschichten erzählt, gespielt und getanzt. Auch viele Gaukler waren unterwegs.

  • Lustige Narren auf Stelzen begeisterten die Besucher ebenso wie die spannenden Erzählungen in den Märchenstuben und die Musik der WWZ Powerband. (Bilder Roger Zbinden)
    Lustige Narren auf Stelzen begeisterten die Besucher ebenso wie die spannenden Erzählungen in den Märchenstuben und die Musik der WWZ Powerband. (Bilder Roger Zbinden)

Zug – An einem Tag im Jahr, dem zweiten ­Adventssonntag, gehört die Stadt Zug den Kindern. Der Verkehr wird aus­gesperrt, stattdessen tanzen Könige, Prinzessinnen, Hexen und Narren durch die Strassen, zeigen Gaukler ihre Künste, lassen sich Esel und Lamas von unzähligen Kinderhänden streicheln und öffnen die Geschichtenerzähler ihre magischen Tore. Das ist der Zuger Märlisunntig, der gestern zum 36. Mal stattfand.

Das strahlende Winterwetter lockte Massen von Menschen an, die sich auf die 32 Märchenstuben verteilten. Märlin, der Patron des zauberhaften Anlasses, schritt mit seinem blau-weiss gekleideten Hofstab durch die Gassen, begrüsste die Kinder und verschenkte Süssigkeiten. Wo immer Geschichten erzählt, gesungen, gespielt oder kreiert wurden, standen Schilder mit Märlins Konterfei vor der Tür. Im Inneren der Märchenstuben glitzerte es bei gedämpftem Licht geheimnisvoll weihnachtlich, man versammelte sich um die charismatischen Märchentanten und -onkel und lauschte den Geschichten, die sie mit verstellten Stimmen erzählten und mit Klanginstrumenten, Gesang und speziellen Effekten ausschmückten.

Kinder jeden Alters verfolgten gebannt die Erzählung um das Schicksal des Königs und seiner drei Söhne, begleiteten Hans im Glück auf seinem Weg und fieberten mit Hänsel und Gretel dem unausweichlichen Ende der bösen Hexe entgegen.

Viel Spannung und Humor

Mit von der Partie war das Urgestein Jolanda Steiner, die es ausgezeichnet versteht, mit den verschiedensten Stimmimitationen sowie überraschenden Ausrufen, krächzendem Gelächter, Klang und Musik die Kinder zu fesseln und mit witzigen kleinen Einwürfen an die Adresse der Erwachsenen auch diese königlich zu unterhalten.

Der Autor Rudy Wieser, der zwei Bilderbücher anlässlich des 25- und 30-Jahr-Jubiläums des Märlisunntigs publiziert hatte, schilderte auf dem Landsgemeindeplatz die Entstehung des Zuger Märlisunntigs. Diesen, so Wieser, habe man nämlich dem jungen Zauberer Kondular und seinen Gauklerfreunden zu verdanken, welche mit der Idee eines Tages nur für die Kinder während der Adventszeit die damaligen Stadtväter überzeugt hätten.

Im Casino gab Kater Caruso gemeinsam mit den Kammer Solisten Zug den Ton an. Spielerisch lernte das junge Publikum das Piano, das Fagott und die Posaune kennen, hörte laute und gedämpfte klassische Klänge und feierte mit Caruso Katzengeburtstag. Nebenan zeigte das Tanzatelier Zug, dass man auch mit Bewegung faszinierend erzählen kann. Spannende Abenteuer- und Heldengeschichten gab es im clownesken Variété-Stil, im mittelalterlichen Ambiente der Burg und Stadttürme oder an Bord der MS Schwyz.

Wer sich zwischendurch den Kopf lüften und den Magen füllen wollte, hatte ein reichhaltiges Angebot stets in Reichweite. Es duftet in der ganzen Altstadt verführerisch nach Glühwein, Gebratenem und Gebackenem. Überall verteilten Könige, Prinzessinnen, Edelleute und Narren grosszügig Süssigkeiten und Tee. Der Samichlaus und sein Gefolge waren unterwegs, liessen sich Sprüchlein aufsagen, Lieder vorsingen und verdankten diese mit einem Griff in den grossen Nüsslisack. Auf dem Landsgemeinde-Bazar konnte man sich mit Bilderbüchern, Holzspielzeug und Adventsdekorationen eindecken, während die Big Band Zug romantisch weihnächtliche Klänge beisteuerte. Auch die WWZ Powerband, die Zytturmbläser, die Tambouren und die Steelband Pan Phonics gaben verschiedene Platzkonzerte.

Die Klausengesellschaft Risch-Rotkreuz schloss den Märlisunntig mit einem festlichen Umzug mit Infuln, Trychlern, und Geisslechlöpfern ab. Auf dem Landsgemeindeplatz setzte ein kleines Feuerwerk den Schlusspunkt.

250 Helfer im Einsatz

«Es haben schätzungsweise 8000 bis 10000 Gäste den diesjährigen Märlisunntig besucht», berichtete Nicolett Theiler, Präsidentin des Vereins Zuger Märlisunntig. «Rund 250 Helferinnen und Helfer standen im Einsatz.» Das schöne Wetter habe sicher zum Erfolg und der guten Stimmung beigetragen. In den letzten beiden Jahren sei vor allem draussen weniger los gewesen. «Es werden immer zwischen 30 und 34 Märchenstuben betrieben», so Theiler. Das sei aufgrund des grossen Publikumsandrangs auch aus den Nachbarkantonen angemessen. «Oft sind es kleinere Lokale, in denen nicht sehr viele Leute Platz finden.» Ausserdem seien die feuerpolizeilichen Auflagen sehr strikt. «Wir dürfen die Räume nicht überfüllen.» So komme es halt manchmal vor, dass einige der kleinen Gäste auf die nächste Vorstellung warten oder sich einer anderen Märchenstube zuwenden müssten, in der es noch freie Plätze habe. Viele der Märchenerzähler seien seit Jahren dabei. «Es gibt aber erfreulicherweise auch immer wieder neue Gesichter. Junge Leute, die sich fürs Erzählen begeistern.»

Das Echo der diesjährigen Besucher sei durchwegs positiv gewesen, erzählt Theiler. «Die Big Band Zug kam sehr gut an, ebenso wie die Gaukler und Feuerschlucker. Auch an den Narren auf Stelzen haben die Leute immer Freude.» Für Nicolett Theiler, das fünfköpfige Vorstandsteam, die vielen Helfer und die Mitarbeiter des Werkhofs Zug ist nach dem Feuerwerk jeweils noch lange nicht Schluss. «Um 19 Uhr geht die Grabenstrasse wieder auf. Bis dahin muss alles tipp-topp aufgeräumt sein.» (Cornelia Bisch)