Kein Lied so hell und froh erklingt wie das aus der Küche
Música
Das Konzertprogramm der Kammersolisten erwies sich als recht eigenwillig und kam beim Publikum sehr gut an.
Zug – «Kein Lied so hell und froh erklingt, wie das, was aus der Küche dringt ...» Ob sich Bohuslav Martinu wohl von diesem uralten Gassenhauer inspirieren liess, als er 1927 seine Ballettmusik «La Revue de Cuisine» niederschrieb? Jedenfalls machte sie ihn fast über Nacht in ganz Paris bekannt. Das Ballett sieht man nur noch selten auf der Bühne, aber die dazugehörige Musik hat fast hundert Jahre später nichts von ihrer Ideenfrische eingebüsst mindestens wenn sie mit jenen Qualitäten musiziert wird, welche die Kammersolisten Zug seit vielen Jahren auszeichnen.
Auflösung der Tonalität als Stilmittel
Zwei Streicher Violine (Monika Baer) und Cello (Andreas Plattner) – standen drei Bläsern gegenüber: Trompete (Immanuel Richter), Klarinette (Annatina Kull) und Fagott (Stefan Buri), gestützt und ergänzt vom Klavier (Tobias Rütti). Nach dem allerersten Forte-Einsatz der Trompete und der Violinen-Antwort im Piano bangte man um das klangliche Gleichgewicht. Aber Martinu war eben nicht nur genialer Erfinder eingängiger Themen, sondern auch musikalischer Praktiker, und so wusste er in der Folge alle Instrumente ihrem Klangcharakter entsprechend einzusetzen, ohne die Interpreten zum Forcieren zu zwingen.
Bohuslav Martinu galt zu Lebzeiten zwar als Avantgardist, aber er sah die Auflösung der Tonalität bloss als ein Stilmittel unter mehreren und nicht als absolutes Gebot. Nur am Rand interessierte ihn die so genannte erweiterte Spieltechnik, und so erklangen die Instrumente durchwegs in ihren natürlichen Klangfarben. Extreme Lagen gab es nur an wenigen Stellen und dafür mit umso grösserem Effekt, etwa als im zweiten Satz das Fagott plötzlich viel höher spielte als die begleitende Klarinette. Elemente des Jazz erklangen vor allem in dem als «Charleston» bezeichneten dritten Satz, der die ältere Generation an jenen Modetanz erinnerte, bei welchem mit dem gleichzeitig belasteten Bein Knie und Fussgelenke kräftig bewegt werden mussten.
Vorausgegangen waren zwei Werke von Antonín Dvorák. Obwohl man sich an Bearbeitungen hielt, verlangten sie nach zusätzlichen Registern. Mit wechselndem Einsatz beteiligten sich zu den schon Genannten Seraina Pfenninger (2. Violine), Renate Steinmann (Viola), Peter Kosak (Kontrabass) und Mischa Greull (Horn). Zu Beginn erklang die für Streichorchester geschriebene Serenade in E-Dur, Opus 22. Die eigenwillige Instrumentierung brachte zusätzliche Farbigkeit, aber auch eine gewisse Unruhe. Die Tempi wurden innerhalb der einzelnen Sätze sehr frei genommen, was ihre gegenseitige Abgrenzung etwas verwischte und prompt zu einem Zwischenapplaus nach dem dritten Satz führte. Aber irgendwie gehörte das auch zum Wesen der Komposition. Erst ganz am Schluss wurde das schon in der Einführung (Stefan Buri und Monika Baer) vorgestellte Anfangsthema wieder aufgenommen, aus einem Moderato in einem Finale im eigentlich viel rascheren «Allegro vivace».
Ein Arrangement ein Kompromiss
Ein Schlüsselwerk für das spätere Leben Dvoráks waren die slawischen Tänze Opus 46. Johannes Brahms hatte den Verleger Simrock auf den damals noch relativ unbekannten Komponisten aufmerksam gemacht. Der überraschend gute Verkauf der Urfassung (Klavier 4-händig) war ein ausgezeichnetes Geschäft für den Herausgeber und der Beginn einer Weltkarriere für den Komponisten, die ihn schliesslich Parallele zu Bohuslav Martinu – auch nach Amerika führte. Die Bearbeitung für 10 Soloinstrumente war gewissermassen ein Kompromiss zwischen der Urfassung und späterer Bearbeitung für Orchester durch den Komponisten selbst. Wieder bestätigten sich die Eindrücke des ganzen Abends: ausgezeichnetes individuelles Können, sicheres Zusammenspiel über alle Temposchwankungen hinweg, aber bei enger Parallelführung der Stimmen mit der Einschränkung, dass sich in der Akustik der Kantonsschulaula einzelne Streicher nicht immer gegenüber den Bläsern zu behaupten vermochten. (Jürg Röthlisberger)