Der Erzberg zu Finstersee
Kunst & Baukultur, Dies & Das
Eine Künstlerin aus Oberägeri hat die steirische Heimat zweier Gastronomen in den Kanton Zug geholt. Das Wandgemälde ergänzt ein Gastrokonzept mit dem Aspekt der Kunst.
Finstersee – Severin Titz und Thomas Peinhaupt hatten nicht nur einen Sinn für die alpenländische Gastronomie mitgebracht, als sie im Herbst 2012 das «Steirereck» in Finstersee eröffneten, sondern ebenso ein Gespür für die Kunst. Um ihre Herkunft in der Steiermark mit dem Restaurationsbetrieb auf 770 Metern Höhe auch auf künstlerischem Weg zu verbinden, liessen sie das sogenannte Erzbergstüberl mit einem grossen Wandgemälde ausschmücken. Hierfür haben sie sich an die in Oberägeri wohnhafte Künstlerin Tatiana Shitikova gewandt. Die 1974 in St. Petersburg geborene Russin hat an der dortigen Kunstakademie studiert. Ab 1995 hat sie ihre Arbeiten regelmässig ausgestellt. Seit 2010 lebt sie im Kanton Zug und arbeitet mit Galerien im In- und Ausland zusammen.
In Menzingen sind Severin Titz und Thomas Peinhaupt auf die Künstlerin aufmerksam geworden. Im Medical Center Van de Veen besuchten die beiden Tatiana Shitikovas Ausstellung ihres Zyklus «Zentralschweiz». Der Malstil gefiel den Steirern. «Für das Stüberl wünschten wir uns etwas, das unsere Heimat repräsentiert», sagt Severin Titz. So haben sie sich darauf geeinigt, dass Tatiana Shitikova den berühmten Erzberg von Eisenerz mit dem steirischen Alpenkamm auf die Wand bannen solle.
Der Erzberg ist mit seiner Pyramidenform das Wahrzeichen der nordsteirischen Stadt Eisenerz und ihrer Umgebung im Bezirk Leoben. Seit mindestens tausend Jahren wird hier Erz abgebaut, und heute noch ist die Gewinnung Hauptwirtschaftsgrundlage der gesamten Region. Gut 2 Millionen Tonnen sind es jährlich. Der sagenumwobene, rund 1470 Meter hohe Berg ist die grösste Sideritquelle der Welt und bietet dem Betrachter ein spektakuläres Bild. Wie überdimensionierte Reisterrassen muten die Abstufungen des mächtigen Bergs vom Fuss bis zur Spitze an, die ab etwa 1890 durch den stufenförmigen Tagebau entstanden sind. Rund 24 Meter hoch sind die einzelnen Stufen heute.
Über einen Monat hinweg hat sich die Künstlerin ab September 2012 in jenem Stüberl ans Werk gemacht, das in der Folge den entsprechenden Namen erhalten hat. Sie hat das Gemälde zuerst im Massstab 1:10 auf Papier skizziert und es im Anschluss mit spezieller Wandfarbe auf den Putz übertragen. «Eine der Herausforderungen dabei war, dass die optischen Verhältnisse stimmen», erklärt Tatiana Shitikova angesichts des Grundrisses der Gaststube. Die Wand macht mitten im Gemälde nämlich einen ausgeprägten Knick, wodurch die eine Gemäldeseite in zwei Teile geteilt wird, die in einem Winkel zueinander stehen.
«Das Resultat ist sehr authentisch», sagt Titz und betrachtet das Bild in Gedanken an seine Herkunft. «Auch die Alpen im Hintergrund entsprechen genau der Realität.» Damit sei erfolgreich die Brücke geschlagen zum Gesamtkonzept des «Steirerecks», das sich vollends der alpenländischen Gastrokultur Österreichs verpflichtet. «Durch die Malerei erhält der Raum eine ganz andere Stimmung», zieht die Künstlerin persönlich Bilanz. «Der Raum scheint dadurch grösser, weil eine Tiefenwirkung entsteht.» In der Tat, denn das Erzbergstüberl ist an sich eine recht kleine Gaststube, in der nur einige Tische Platz finden. Besonders effektvoll wird das Wandgemälde von Tatiana Shitikova abends, wenn die zwei eigens für die Beleuchtung des Erzberges installierten Spezialneonröhren ihr Licht auf die Malerei werfen. Da leuchten die Ockerfarben des Erzberges besonders kräftig.
Obwohl das «Steirereck» im Sommer umziehen wird, kann der Eisenerzer Erzberg von Tatiana Shitikova vorläufig noch bewundert werden. Am neuen Ort wird die Künstlerin ein neues Gemälde schaffen, wie Severin Titz bereits verrät. «Und auch das wird selbstverständlich eine Brücke in die Steiermark schlagen.» (Andreas Faessler)
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