Kinder denken in Architektur

Kunst & Baukultur

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Kinder sollen sich eine Meinung über Architektur bilden dürfen. Schliesslich werden sie darin wohnen. Das Projekt LABforKids bringt ihnen das nötige Vokabular dafür bei.

  • Mit Händen das Nachdenken über Architektur lernen. (Bild: LABforKids)
    Mit Händen das Nachdenken über Architektur lernen. (Bild: LABforKids)

Zug – Dieser Artikel ist in der Juli/August-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Ein märchenhafter, spitzer Turm, über und über mit Wiesenblumen geschmückt – so könnte das eigene Haus aussehen. Theoretisch. Im Ziegelei-Museum Cham sind Kinder bei der Arbeit. Aus Lehm, Steinen und Blumen entstehen die unterschiedlichsten Bauten. Und was einfach nur als «Spiel im Dreck» abgetan werden könnte, ist sehr viel mehr: Baukultur. In diesem Fall ist es gar die Vermittlung von Baukultur.

Baukultur: Ein Begriff, der noch vor wenigen Jahren mit fragend hochgezogener Augenbraue quittiert wurde, ist heute immer häufiger anzutreffen. Die Architektin Barbara Windholz beschäftigt sich schon seit längerem mit der Vermittlung von Baukultur – auch in Zug – und beobachtet, wie sehr das Thema an Relevanz gewonnen hat.

Stadtsafaris und Materialversuche
Seit 2018 bietet das LABforKids verschiedenste Vermittlungsangebote zu Architektur und Baukultur an. In Zusammenarbeit mit lokalen Kooperationspartnern wie dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie, dem Ziegelei-Museum Cham und dem Zuger Heimatschutz werden Workshops organisiert, es finden Materialversuche, Baustellenbesichtigungen und Stadtsafaris statt.

Hinter LABforKids stecken die Bildschule K’werk Zug und das Bauforum Zug. Barbara Windholz und Berufskollege Tom Baggenstos waren dabei von Beginn an federführend. «2015 haben wir innerhalb des K’werks mit Architekturvermittlung gestartet», so Windholz. 2018 wurde dann gemeinsam mit dem Bauforum Zug LABforKids initiiert, das baukulturelle Vermittlungsformate auch für Schulen initiiert. Und der Andrang auf die Angebote war gross. Rund 250 Kinder nahmen im vergangenen Jahr, über 200 Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene in diesem Jahr, allein an den Workshops «Weiterbauen» teil. Dabei handelt es sich um eben jenen Workshop, bei dem im Ziegelei-Museum in Cham mit Lehm gearbeitet wird.

Wie leben wir eigentlich?
Doch das LABforKids will nicht nur Kinder gewinnen, sondern auch einen Fachaustausch fördern, Lehrpersonen sowie Lernende aus dem Baubereich ansprechen.

Es gehe bei LABforKids nicht darum, Architektinnen und Künstler heranzuzüchten, sagt Barbara Windholz. Es gehe darum, die Wahrnehmung zu schulen für das Bauen und das Gebaute. Und wenn Windholz es so ausdrückt, wie sie es bei den Kindern tut, dann wird schnell klar, c dass Baukultur viel alltäglicher ist, als es sich erst mal anhört: «Wir leben ja nicht einfach auf dem Boden oder in der Luft um uns herum. Alles, worin wir wohnen und arbeiten, worin wir einkaufen und Ferien machen, ist gestaltet: Jedes Dach, jeder Balkon, jede Treppe und jedes Zimmer.»

Vokabular, um das Bauen zu verstehen
Das Ziel von LABforKids sei es, die Menschen der Zukunft dafür zu befähigen, das Bauen zu verstehen und mitzuprägen. In den Workshops, in welchen mit Materialien experimentiert wird, das Traumhaus gebaut oder ungewöhnliche Gebäude im eigenen Quartier erkundet werden, schärfen die Kinder und Jugendlichen ihre Wahrnehmung.

«Sie erwerben Vokabular und Techniken, um kritisch und differenziert über den bebauten Raum nachzudenken und zu sprechen», so Windholz. «Wir nehmen sie als künftige Bürger und Bürgerinnen ernst und bestärken sie darin, sich eine eigene Meinung zu bilden.»

Die Stadt im Wandel
Gerade in der Stadt Zug sei das Thema so aktuell wie kaum je zuvor. «Zug platzt aus allen Nähten. Die Stadt ist im Umbruch – und in den kommenden 20 Jahren wird die halbe Stadt umgebaut», so Windholz. Es sei umso wichtiger, die Kinder, die diese neuen Bauten in Zukunft vor allem beleben werden, in die Veränderungen einzubeziehen und sie ihnen verständlich zu machen. Denn bekanntlich heisst es: «Wie wir heute bauen, so werden wir morgen leben.»

Ein aktuelles Beispiel für die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung sei der Lebensraum Metalli, betont Windholz. Dort wurde die Bevölkerung bereits in einer frühen Projektphase mit einbezogen.

Die Besucherinnen und Besucher der Metalli konnten 2019 ihre Wünsche zu den Bauplänen einbringen, welche dann von den Planerteams, die am Wettbewerb teilnahmen, teilweise berücksichtigt wurden. «Das ist eine wichtige Entwicklung. Die Bevölkerung sollte bei den Bauten der Zukunft eine Stimme haben. Auch die Kinder», so Windholz. Dafür sei es wichtig, dass die Fachsprache heruntergebrochen werde. Man müsse die Menschen, auch die jungen, in ihrer Lebenswelt abholen.

«Wie wohnst du, und wie möchtest du wohnen?

Welche Gebäude auf dem Schulweg fallen dir besonders auf? Weshalb?

Wie riecht deine Stadt?»

Bei LABforKids werden die Kinder vor allem durch kreative Herangehensweisen angesprochen. Es geht darum, anzufassen und zu gestalten und die Kinder auf spielerische Art und Weise für die gestaltete Umwelt zu sensibilisieren. «Architektur und Kunst sind sich in der Vermittlung sehr nahe. Gerade deshalb passt die Zusammenarbeit der beiden Vereine im LABforKids so perfekt», erklärt Windholz als Schulleiterin der Zuger Bildschule die Fusion von K’werk Zug und Bauforum Zug.

Kinder lernen Architekten kennen
Das weite Spektrum, das das LABforKids abdeckt, zeigt sich in den Workshops. So ist für diesen Herbst ein Fachaustausch zwischen Architektinnen und Vermittlern und ein Angebot für Lernende des Gewerblich-industriellen Bildungszentrums Zug in Planung. Für Schulklassen gibt es die Möglichkeit, an interessanten Orten zusammen mit Fachpersonen vor Ort zu arbeiten oder das eigene Stadtquartier zu erkunden.

Es werden auch Gebäude in der Umgebung besucht, die gerade gebaut werden oder eben erst fertig geworden sind. Bei «Architektur vor Ort.Kids» können Kinder und Jugendliche die Architekten eines Gebäudes und ihre Vision dafür kennen lernen. Sie können herausfinden, wer alles auf einer Baustelle arbeitet, oder mit einer Bauingenieurin oder einem Gemeindepräsidenten über Herausforderungen bei der Umsetzung sprechen.

Neonpink für die Baukultur
Ein wichtiger Tag für das LABforKids wird auch in diesem Jahr der «NIKE Tag des Denkmals» am 11. September sein. Am dafür geplanten Workshop werden Denkmäler und architektonische Besonderheiten in der Stadt gesucht und kreativ umgestaltet. So wird dann vielleicht ein historischer Brunnen plötzlich in Neonpink erstrahlen. Ganz im Sinne der Baukultur – aber natürlich nur mit Kreide bemalt.

(Text: Jana Avanzini)