Sie feiern die Jugendkultur

Dies & Das, Musik

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Vor 40 Jahren wurde das Zuger Jugendkulturzentrum Industrie45 ins Leben ­gerufen. Zeit für eine Sause, an der nicht nur die heutige, sondern auch morgige und frühere i45-Generationen dabei sein werden.

  • Das Team hinter der Feier: Sarah Montani (i45), Nora Windholz (Projektteam), Patrick Leemann (Leitung i45), Luis Schneider (Projektteam). (Bilder: Nora Nussbaumer)
    Das Team hinter der Feier: Sarah Montani (i45), Nora Windholz (Projektteam), Patrick Leemann (Leitung i45), Luis Schneider (Projektteam). (Bilder: Nora Nussbaumer)
  • So ruhig kann es hier zu- und hergehen.
    So ruhig kann es hier zu- und hergehen.
  • Die i45 kann aber auch anders.
    Die i45 kann aber auch anders.
  • Freiräume auch an den Wänden...
    Freiräume auch an den Wänden...
  • ...und Bahnwaggons.
    ...und Bahnwaggons.
Zug – Dieser Artikel ist in der Juni-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Es ist schnell passiert, dass man den 80er-Jahre-Bau an der Zuger Industriestrasse übersieht. Rostrot steht er, etwas zurückversetzt, zwischen Bäumen. Beinah identitätsstiftender als das Jugendkulturhaus selbst sind die zwei bunt besprayten Bahnwagen, die seit Jahrzehnten auf dem Abstellgleis stehen. Unzählige Punk-, Hip-Hop- und Brutal-Death-Metal-Konzerte liessen ihre Wände während der letzten 40 Jahre erzittern, in denen es die Industrie45, kurz i45, bereits gibt.

Wie alles begann
In den 70ern wurde in Zug der Ruf nach Kulturräumen für Junge laut. So laut, dass Jugendliche, um ihre Forderung nach einem autonomen Jugendzentrum zu untermalen, anfangs der 80er gar drei Tage lang in den Hungerstreik ­traten. Das Jugendzentrum an der Industriestrasse 45 in Zug wurde 1982 eröffnet. Seither dient es jungen Menschen als Treffpunkt, Konzertlokal, Bandraum, aber auch als Ort, um kreativ zu sein oder sich zurückzuziehen.
Heute, vierzig Jahre später, werden Konzertsaal, Probe- und DJ-Räumlichkeiten noch immer genutzt. Das Fotolabor hat – aller Digitalisierung zum Trotz – gar ein Revival erlebt in den letzten Jahren. Schüler:innen verschiedener Schulen planen hier Partys, vor kurzem wurde im Bahnwagen der «Kulturraum am Gleis» eingeweiht, den Private oder Gruppen mieten und vielfältig nutzen können.

Nach wie vor bietet die i45 ein grosses, erstaunlich buntes Angebot. Auch wenn dieses in der Vergangenheit schon ohrenbetäubender war.
An einem vorsommerlichen Abend setzen wir uns mit vier jungen Mitgliedern des Projektteams sowie der Soziokulturellen Animatorin Sarah Montani an einen Festtisch vor dem rostroten Bau. Sie treffen sich hier zur Sitzung für die baldige 40-Jahr-Jubiläumsfeier.

Raum für verschiedene Interessen
Der 18-jährige Luis Schneider erzählt: «Ich spiele Schlagzeug und miete hier einen Proberaum, weil ich zu Hause nicht üben kann. Ausserdem bin ich Mitglied des Fotografie-Kollektivs.» Er und die 16-jährige Nora Windholz kamen erst vor kurzem mit dem Kulturhaus in Berührung. Sie erzählt: «Ich war vor einiger Zeit an einer Haussitzung mit dabei, da bekam ich Lust, beim Jubiläum mitzuplanen, denn ich interessiere mich sehr für Kultur.» Projektteam-Mitglied Andrew Süess (25) nutzt die i45 wegen der DJ-Räume. «Bis vor einem Jahr kannte ich die i45 gar nicht so richtig.»
Nicola Hellmüller verbindet eine lange Geschichte mit dem Zuger Jugendkulturhaus. Bereits als Jugendlicher besuchte er die i45. Zunächst, um Konzerte zu hören. Später auch als Organisator. «Denn bald merkte ich, dass man hier sehr offen ist für eigene Ideen. Man fühlt sich willkommen», erzählt der 24-Jährige.
Sarah Montani bestätigt: «Wir sind ein Lern-Ort, ein Ort der informellen Bildung, wo man von Fachpersonen unterstützt wird.»
Nicola sagt: «Ich empfinde die i45 als soziologisch enorm wertvoll und als wichtige Institution in Zug. Mir jedenfalls hat sie sehr viel ge­geben, weshalb ich nun gerne meinen Beitrag leiste.» Im Vorfeld des Jubiläums ist Nicola daran, alte Fotos zu durchforsten. «Es ist eindrücklich: Allein anhand der Mode ist zu erkennen, wie sich die Musikrichtungen über die Jahre verändert haben. Eine Zeit lang wurde viel Metal und Rock gespielt, in den 90ern dann Hip-Hop. Auch Technopartys gab es früher häufiger.» Dazu sagt Montani: «Wir sind nach dem Bottom-up-Prinzip organisiert, planen also etwa zusammen mit den Jungen Konzerte. Es sind sie, die letztlich das Programm prägen.» Aktuell liegt der Trend viel eher bei Partys mit DJ, bei Bar-Abenden oder Singer-Songwriter-Konzerten.

Es läuft nicht immer etwas
Zwar finden in der i45 also nach wie vor regelmässig Konzerte und andere Veranstaltungen statt, doch bestätigen einige Mitglieder des Projektteams, dass die Agenda früher dichter bepackt war. Woran liegt’s? Nicola sagt dazu: «Ich bewege mich ja schon einige Jahre hier im Haus und habe mich ebenfalls schon gefragt, warum nicht immer etwas läuft. Irgendwann habe ich realisiert, dass das der heutigen Jugendkultur entspricht.» Er ergänzt: «Man konsumiert, statt selber aktiv zu werden.»
Montani sagt: «Ich glaube auch, das es damit zusammenhängt, dass heute deutlich mehr Möglichkeiten existieren. Die Jungen sind auf sehr vielen Kanälen unterwegs.» Ausserdem seien sie verstärkt nach Zürich orientiert. Sarah Montani überlegt kurz, sagt: «Der Wunsch, dass in der i45 mehr laufen soll, ist ein alter. Wenn man jedoch genauer hinsieht, merkt man, dass wir jede Woche Programm haben.»
Sie ergänzt: «Nur spricht halt nicht alles jeden an. Die Jugend ist vielseitig interessiert. Entsprechend vielfältig ist die Jugendkultur, welche mitunter auch die Nischen anspricht.» Montani sagt weiter: «Es wäre nicht richtig, wenn die Jungen zum Veranstalten verpflichtet würden. Das würde unserem Konzept widersprechen.» Somit dürfe es auch Lücken geben im Programm.
Die Nachwehen der Pandemie spüre man in der i45 nicht. Eher das Gegenteil sei der Fall, sagt Montani. «Seitdem die Einschränkungen aufgehoben wurden, merken wir, dass die Leute richtig Bock haben, etwas zu unternehmen. Auch viele neue Leute haben in der letzten Zeit zu uns gefunden.»
Dennoch, so sind sich alle Anwesenden einig, dürfte die i45 ruhig noch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Mit dem Programm, welches das Projektteam für den 10. und 11. Juni plant, will man genau das erreichen. Im Januar fanden die ersten Ideensammlungssitzungen statt. «Wir wünschen uns, dass wir sowohl die Generationen der letzten als auch der nächsten 40 Jahre mit unserem Angebot ansprechen.»

So wird gefeiert
Am Freitag, dem 10. Juni, wird mit einer Ausstellung und mit Barbetrieb zurückgeblickt auf die vergangenen Dekaden.
Am darauffolgenden Tag reicht Konsumieren allein nicht. Beim «Mitmachprogramm» am Samstagnachmittag können die Gäste mitunter Workshops in Siebdruck, Graffiti, Skaten oder Slacklinen besuchen. Daneben werden «analog und digital, in Bild, Ton und Text, Geschichten und Erlebnisse zu 40 Jahren i45 gesammelt». Familiengerecht gibt’s dazu Kaffee, Tee und Kuchen. Später wird grilliert, ein Foodvan ergänzt das Essensangebot mit Currygerichten. Sind die künftigen i45-­Generationen erst zu Hause im Bett, wird die Lautstärke aufgedreht. Es gibt Konzerte, etwa von Smack WTG & Chandro, The Black Heidis, Slavi & Florin sowie Notso Maduro zu hören, ­gefolgt von einer After Party mit Zelev und ­Scänny.
Der eine oder andere Gast wird vermutlich nicht umherkommen, die zitternden Wände der Bahnwagen auf dem spätabendlichen Nachhauseweg liebevoll zu tätscheln und ihnen ein «Ach, gute Zeiten waren das» zuzuraunen.

Hier gehts zur Veranstaltung: zugkultur.ch/A5RkvK

(Text von Valeria Wieser)